Sieben Sekunden Kaufhaus-Check

Beim Storecheck überzeugten die Abteilungen der großen Kaufhäuser mit breitem Angebot, gutem Service und durchdachten Laden-Konzepten. Doch es gibt auch Optimierungsbedarf.

Montag, 13. September 2010 - Store Checks
Silvia Schulz

Der erste Eindruck entscheidet. Dafür braucht der Mensch ganze sieben Sekunden, Frau sogar nur drei Sekunden. Unsere Testerin Silvia S. hat sich allerdings mehr Zeit genommen und beim Storecheck in Lebensmittel-Abteilungen (LM-Abteilungen) von neun Kauf- und Warenhäusern genauer hingeschaut. Sie besuchte anonym in Leipzig: Karstadt Perfetto Neumarkt und Galeria Kaufhof Neumarkt; in Berlin: Galeria Kaufhof am Ostbahnhof, Galeria Kaufhof am Alex, KaDeWe, Galeries Lafayette, Karstadt Perfetto Müllerstraße, Karstadt Perfetto Schlossstraße und Karstadt Perfetto Tempelhofer Damm. Das Resultat: Alle LM-Abteilungen lockten mit ihrem Entree zum Einkaufen, setzten punktuell Akzente und sprachen die Sinne des Kunden an. Punktabzug gab es für besonders enge Ecken, für Out-of-Stocks, für abgestellte Waren und vergessene Pappensammler. Leider auch für auffällige Platzierungen von MHDgefährdeter Ware, die nicht so recht zum Premium-Shopping passen wollte, ebenso wie die Mängel beim Kassieren.

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Besucht wurden folgende Kauf- und Warenhäuser:


Der Inneneindruck

Ladenbau, Ladeneinrichtung, Lichtkonzept, Platzierungen – hier machen alle besuchten LM-Abteilungen der Kaufhäuser ihrem Anspruch Ehre. Ganz vorne dabei das KaDeWe. Die Präsentation ist nicht von der Stange. Abwechslung wird groß geschrieben. Ob Bedienung oder Selbstbedienung, beide werden gekonnt in Szene gesetzt. Das Licht wird nicht nur zum Ausleuchten der Ware genutzt. Das Licht reizt zum Hinsehen und lenkt die Kunden. Sogar der Fußboden macht auf die verschiedenen Warenbereiche aufmerksam. Das Zusammenspiel der drei großen L – Ladenbau, Ladeneinrichtung und Lichtkonzeption – unterstreichen den Charakter des KaDeWe. Die Atmosphäre sorgt für Wohlbefinden.

Aber nicht nur das KaDeWe überzeugte. Auch das Feinschmecker-Paradies Galeria- Gourmet am Alex, manche nennen es das KaDeWe des Ostens, verstand es, zum entspannten Einkaufsbummel einzuladen. Überzeugt war unsere Testerin auch von der Vielfalt an ausgesuchten Spezialitäten und Delikatessen. Dazu gehören das Café Röntgen, eine echt japanische Sushi-Bar, Schlemmermayer, eine beeindruckende Weinabteilung, die riesige Auswahl an Pralinen und Trüffeln sowie viele Verkostungen (die Fülle des Angebots führte allerdings an manchen Stellen zu unnötiger Enge).

Und es lässt sich auch lang Gesuchtes finden: zum Beispiel Blinis in der Kühltheke. Sie wandern direkt in den Korb unserer Testerin. Der Lieblingsjoghurt, Joghurt auf Obst von Merl, der mit 2,99 Euro ausgezeichnet im Kühlregal steht, ist doppelt so teuer wie bei Kaiser's oder Reichelt – und muss im Regal bleiben. Stattdessen greift Silvia S. lieber zu einem Sanddorn-Sahne- Törtchen der Konditorei Röntgen.

Die Bedienung

Die große Stärke der Kaufhäuser ist der Kundenkontakt. Nirgendwo fehlte es an der Ansprache. Lediglich der Mitarbeiterin an der Salattheke im Kaufhof am Alex hätte ein Lächeln gut zu Gesicht gestanden. An allen Theken wird Silvia S. freundlich begrüßt. Auch erhielt sie stets einen Dank für ihren Einkauf. Sogar die Verabschiedung war abwechslungsreich und individuell. Egal, ob Silvia S. Käse, Wurst oder Salate kaufte, stets hörte sie: „Darf es sonst noch etwas sein?“

Auf die Frage: „Sind die Minisalamis mit Parmesan umhüllt?“, reichte ihr die Verkäuferin bei Perfetto in Tempelhof ein Schmeckmuster. Begleitet wurde diese nette Geste von den Worten: „Nein, aber kosten Sie doch einmal!“ Kein Parmesan und doch lecker. Beim zweiten Artikel legte die Mitarbeiterin 94 Gramm auf die Waage und eine Scheibe hielt sie Silvia S. in Augenhöhe hin. Auf die Frage: „Soll es die noch sein?“ konnte es nur eine Antwort geben. Natürlich ja. Auch bei Perfetto in der Schlossstraße verstand es die Mitarbeiterin, Silvia S. zum Mehrkauf zu verführen. Ohne die angetrockneten Salate im Leipziger Kaufhof und den mit Folien abgedeckten Aufschnitt im Kaufhof am Ostbahnhof hätten auch diese Abteilungen gewiss zum Kauf gelockt.


Der letzte Eindruck

Zum Stummfilm geriet hingegen die Vorstellung der Kassiererin an der Kasse in der LMAbteilung bei Wertheim in der Schlossstraße. Bis auf den Kaufpreis fällt kein Wort. Silvia S. fühlt sich missachtet. Sie wird zur Nebendarstellerin degradiert. Dabei ist es egal, ob Ware für 80 oder 8 Euro im Wagen liegt. In den Galeries Lafayette hörte sie zum Abschluss nur mit sehr gespitzten Ohren ein: „Au revoir Madame!“ Das darf nicht sein. Der letzte Eindruck ist so bedeutend, dass er Fehler, die vielleicht an der Fleischtheke oder am Weinregal passierten, wieder wettmacht. Er entscheidet mit darüber, ob eine Einkaufsstätte wieder besucht wird oder nicht.

Sehr kundenfreundlich: So urteilt unsere Testerin im KaDeWe und in den Galeries Lafayette über das Einpacken des Einkaufs nach amerikanischem Vorbild. Schade, dass es das nur in den zwei Vorzeige-Kaufhäusern gab. Zwar lagen in einigen LM-Abteilungen Einkaufstüten gratis bereit. Aber die gibt es bei anderen auch. Zudem wurde das weder bei Karstadt noch bei Kaufhof einheitlich gehandhabt. Dabei wäre genau das der kleine, feine Unterschied.

Die Kundenfreundlichkeit

In dieser Rubrik ging es unter anderem darum, wie einfach der Weg vom Parkhaus zur Lebensmittelabteilung war, ob Einkaufskörbe oder Wagen bereitstanden, wie verständlich die Kundenführung war, ob es Kundenkarten, Angebote oder Einkaufsvorteile gab. In allen besuchten Kauf- und Warenhäusern werden Kundenkarten akzeptiert. In den LMAbteilungen wird leider zu selten nach ihr gefragt. Nicht nur, dass dem Betreiber wichtige Informationen über das Kaufverhalten seiner Kunden verloren gehen, der Kunde wird auch enttäuscht.



Was sonst noch zählt

Wer versteht es, gekonnt zum Kauf zu verführen? Wie war es mit der Kundenorientierung? Wer setzte seine Angebote besonders in Szene? Gab es bei Bedarf genügend Ansprechpartner?

Zu den eher ungewöhnlichen Dingen zählt das Schild in der Obstabteilung der Galeries Lafayette: Obst und Gemüse ist selbst auszuwiegen. Gut, kann man machen. Aber wozu dann der handgeschriebene Zettel an der Waage, der auffordert, Spargel und die Tomaten an der Kasse abwiegen zu lassen?

In der Weinabteilung im KaDeWe wurde Silvia S. mit der Antwort überrascht: „Das kann ich Ihnen gar nicht sagen, das macht der Kollege, der die Spirituosen bestellt und der ist nicht da. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen die Nummer gebe und Sie rufen an und fragen nach?“. Auch witzig. Erstaunlich auch die Antwort des Verkäufers in der Weinabteilung bei Perfetto in Leipzig: „Ja, wenn Sie etwas besonderes wollen, kostet das auch. Aber es gibt auch einfache Geschenkverpackungen, die sich nicht bezahlen müssen.“

Es geht auch anders. In der Weinabteilung bei Perfetto in der Müllerstraße freute sich unsere Testerin über das Angebot „Nimm 12 und zahl 11“. In der Weinabteilung bei Galeria Gourmet am Alex hörte sich das so an: „Haben Sie denn eine Kundenkarte?“. Klar und damit gibt's 10 Prozent Rabatt.

Fazit: Premium-Shopping in den LM-Abteilungen der Kaufhäuser lohnt sich, gerade in den getesteten Häusern in Berlin und Leipzig. Die Kritikpunkte hängen wohl eher von der Tagesform ab und sind einfach zu beseitigen.