Großes Potenzial Bio-Filialisten im Test

Bio-Märkte breiten sich weiter aus. Professionelles Management und der Sonderbonus „gesund, zeitgemäß, umweltgerecht“ machen sie zu starken Anbietern. Der LP-Check zeigt, welches Niveau die Märkte haben.

Montag, 13. September 2010 - Store Checks
Silvia Schulz

Mehr als 360 Bio-Supermärkte und mehrere tausend Ökoläden buhlen um die Kundengunst. Aus bescheidenen Anfängen hat sich in den vergangenen Jahren ein neues Format mit enormem Potenzial entwickelt. Seit dem Jahr 2000 verdoppelte sich der Bio-Umsatz von 2,1 Mrd. Euro auf 4,5 Mrd. Euro 2006. Das ist beileibe keine Randerscheinung mehr, sondern Anlass für einen Store-Check der LEBENSMITTEL PRAXIS bei Bio-Filialisten. Unter die Lupe genommen wurden Objekte in Berlin und Köln, Standorte mit dichtem Besatz und entsprechender Wettbewerbssituation. Die Testerin mit Handels-Background besuchte in der Hauptstadt Basic (Bundesallee), Bio Company (Breite Straße), viv (Greifswalder Straße), eo. (Potsdamer Straße), Biolüske (Drakestraße) und LPG (Kollwitzstraße). In Köln waren es Filialen von Vierlinden (Deutzer Freiheit), Naturata (Köln-Arcaden) und Alnatura (Neusser Straße).

Es wurde ein Check entwickelt, der dem Test für klassische Supermärkte entspricht. Neben Erscheinungsbild, Kundenfreundlichkeit, Warenpräsentation kam den Mitarbeitern besondere Aufmerksamkeit zu, denn sie sind das wichtigste Bindeglied zwischen Markt und Kunde sowie eine wichtige Informationsquelle. Denn der Bio-Kunde ist kritisch und hinterfragt. Trotzdem ist der Test immer nur ein Momentaufnahme. Er zeigt aber, was der Kunde wahrnimmt im Geschäft und was spätere Kaufentscheidungen beeinflussen kann. Die Bewertung zeigt demnach, wo Handlungsbedarf besteht.

Wie gehen die Unternehmen mit dem Test um? Die Bio Company wird die Ergebnisse des Checks für sich auswerten, auch wenn er nicht für alle Objekte des Berliner Filialisten repräsentativ ist. Robert Erler, verantwortlich für Anzeigen, Werbung, Sponsoring und Kooperationen, erklärt auch, warum es bei Bio Company keine Kundenkarte gibt: „Weil sie von unseren Kunden gar nicht erwünscht ist.“ Beim äußeren Erscheinungsbild wurden u.a die Sauberkeit vor dem Markt und – soweit vorhanden – auf dem Parkplatz, an den Papierkörben, die Schaufenster sowie der Gesamteindruck im Innern bewertet.

Biolüske erreichte mit 100 die volle Punktzahl. Die vor der Tür platzierte Ware spricht an und lädt zum Kaufen ein. Auch Basic überzeugt: Ware und Handzettel vor der Tür, gute Sicht ins Innere und Stehtische für den Sofortverzehr ziehen Kunden an. Grundsätzlich gibt es keine großen Ausrutscher, auch wenn der eine oder andere Anbieter seine Außenwirkung kundenwirksamer (platzierte Ware, Aufsteller, Angebotstafeln) gestalten könnte.


{tab=Adressen}
Köln:
Naturata Lutz Größel Kg
Kalker Hauptstr. 55
51103 Köln

Alnatura
Neusser Str. 264
50733 Köln-Vierlinden

Biosupermarkt
Deutzer Freiheit 95
50769 Köln

Berlin:
Biolüske
Drakestr. 50
12205 Berlin

basic
Bundesallee 104 - 105
12161 Berlin

viv BioFrischemarkt
Greifswalder Str. 31
10405 Berlin

eo. der Biosupermarkt
Potsdamer Str. 51
14163 Berlin

LPG BioMarkt GmbH
Kollwitzstr. 14 - 15
10405 Berlin

BIO COMPANY Pankow
GmbH & Co. KG
Breite Str. 20
13187 Berlin



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Ausgeprägte Kundenfreundlichkeit

In puncto Kundenfreundlichkeit liegen die Märkte gleich auf. Auffallend ist, dass in vielen Bio-Supermärkten die Gänge sehr großzügig bemessen sind. Nur bei viv und Biolüske ist bisweilen ein Slalomlauf mit dem Einkaufswagen erforderlich. Ob die Regale wegen der Bequemlichkeit bzw. Übersichtlichkeit so platzverschwendend bestückt sind oder ob die Anbieter Schwierigkeiten haben, die Fläche mit Ware zu füllen, war nicht zu ergründen. Jedenfalls sind Grifflücken und Out-of-Stocks ein Thema.

Häufig fehlt auch ein Hinweis auf die Bezahlmöglichkeiten, etwa am Eingang. Ist bargeldloses Bezahlen möglich, sollte es der Kunde vor dem Einkauf wissen, vielleicht fällt der Einkaufsbon dann höher aus. Nur bei Basic und Vierlinden findet sich diese Information am Beginn des Kundenlaufs.

Recht unkompliziert ist durchweg die Leergutannahme. Bei der Bio Company wird der Kunde die leeren Flaschen gleich am Automaten im Eingangsbereich los, bei Naturata gib man sie an der Kasse ab. Schade nur: Der Hinweis darauf fehlt. In den anderen Märkten befindet sich die Flaschenabgabe in der Mitte oder am Ende des Kundenlaufs, ebenfalls ohne Ausschilderung. Zudem wären Warengruppenhinweise sowie Lagepläne nützlich. Basic, eo. und Vierlinden haben eine gute, logische Kundenführung.


{tab=Bildergalerie}
  1. Bodennahe Präsentation oder Kosmetikprodukte als Ultra-Bückware.
  2. Durchschlagender Aktionserfolg. Hier stimmte wohl der Abverkauf.
  3. Wer aufräumt sollte auch wegräumen. Ein solcher Anblick stört.
  4. Zu viel Platz für zu wenig Ware. Das Angebot an Bio- Weinen gibt sicherlich mehr her.
  5. Wein ist in vielen Bio-Supermärkten eines der Profilierungssortimente und nimmt inzwischen geraumen Platz ein.
  6. Sonderplatzierung von Milchprodukten in einem neuen Temperaturbereich. Hier ist der Glasbruch vorgegeben.
  7. Obst & Gemüse ist einer der Bio-Klassiker. Das Bio-Angebot wird hier immer üppiger und „supermarktähnlicher“, die Präsentation professioneller.
  8. Ein ganz großes Thema ist zur Zeit die Naturkosmetik, auch entdeckt vom klassischen LEH und den Drogeriemärkten.
  9. Out-of-Stocks mit System, wie die vorgedruckten Schilder vermuten lassen.
  10. 10 - Dieser Papierstau in den Gängen lässt keine Einkaufsatmosphäre aufkommen.
  11. Informations-Defizit: Selbst beim Info-Board existieren unübersehbare Lücken. Oder wurde der Informationsbedarf überschätzt?




Überschaubares Innenleben

Bei der Bewertung des Marktinneren konzentrierte sich die Test-Käuferin darauf, wie praktikabel, kundenfreundlich und verführerisch das Laden-Layout ist. Den Blick richtete sie u.a. auf Angebot, Out-of- Stocks, Regalhöhe, Preisauszeichnung. In fast allen Märkten musste sie Punktabzüge wegen des lückenhaften Warenbestands machen. Bei Out-of-Stocks wird zwar freundlich darauf hingewiesen, dass der Artikel nicht lieferbar ist, aber der Umsatz ist verschenkt. Nachdenklich stimmen die bereits vorgefertigten Schilder. Sie lassen darauf schließen, dass Sortimentslücken Normalität sind und die Liefersicherheit im Argen liegt. Das Ganze könnte natürlich auch ein Hinweis auf eine unzulängliche Logistik sein. Nicht gerade ein Instrument zur Kundenbindung, auch wenn der überzeugte Bio-Käufer ein ganz treuer sein soll. Die Regalhöhe war in den besuchten Bio-Märkten okay. Niedrige Warenträger lassen die Verkaufsfläche großzügiger erscheinen und sorgen für einen besseren Überblick. Nur beim Wein müssen sich die Kunden in der Regel recken, um an den obersten Regalboden zu kommen.

Positiv fallen die häufigen Verkostungen auf. Bei Alnatura allerdings nur ein Lippenbekenntnis, denn während des 30-minütigen Checks waren die angepriesenen „Häppchen“ nicht vorhanden. Wenn die Zeit für die Bestückung fehlt, dann besser ganz darauf verzichten.

Angenehm ist die relativ hohe Zahl der Mitarbeiter in den Märkten. Sie zeigen Fachkompetenz und allzeitige Beratungsbereitschaft. Auch die Preisauszeichnung in allen inspizierten Objekten ist lückenlos und den Artikeln deutlich zugeordnet. Lediglich im LPG-Supermarkt wird der Kunde durch zwei unterschiedliche Angaben für ein und dieselbe Packung verunsichert. Erst ein Flyer lüftet das Geheimnis: Mitglieder, die eine einmalige Aufnahmegebühr und einen regelmäßigen Monatsbeitrag entrichten, kommen in den Genuss des niedrigeren Preises. Ein Angebot, das sich ein Single- Haushalte oder Gelegenheitskäufer gut überlegen sollten oder das sie sogar abschrecken könnte.

Befremdend wirken in einem Bio- Supermarkt Sonderplatzierungen mit Waren am Rande des MHD. In der Regel werden sie zwar zum reduzierten Preis angeboten, doch für die Kunden, die sich „biologisch“ versorgen, ist dieser nicht das primäre Kaufkriterium. „Statt niedriger Preise brauchen Bio-Lebensmittel ein entsprechendes Umfeld“, meint Elke Rieckh, Geschäftsführerin Biokonzept bei der Rewe Group: „Die Ladengestaltung muss den Kunden zum Genießen verführen. Die Mitarbeiter müssen das Thema Bio leben.“ Vor dem Hintergrund geht das Konzept Vierlinden aus Sicht der Testerin auf. Der Markt lädt zum Verweilen ein und „verführt“ zum Kauf.

Auch wenn Bio-Märkte beim Warenangebot von den Kunden noch einen Bonus bekommen, auf Dauer werden sie an ihrer Gesamtleistung und an den Mitarbeitern gemessen. Den Kassiererinnen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie sind der letzte Kontakt beim Einkauf und damit für den bleibenden (guten) Einruck verantwortlich. Die Kommunikation wirkt hier am nachhaltigsten. Beim Storecheck waren die Wartezeiten vertretbar. Gelegentlich fehlt der Dank für den Einkauf. Nur bei Biolüske hat die Kassiererin einen schlechten Tag: keine Begrüßung, kein Blickkontakt, keine Verabschiedung. Selbst auf den Hinweis einer falsch eingescannten Kundenkarte kommt keine Reaktion, woraufhin der Kunde den reduzierten Einkaufsbetrag akzeptiert.




Beengte Verhältnisse

Hinter der Kasse ist der Platz zum Einpacken oft eng bemessen. Entweder fehlen Packtische, oder sie sind voll mit Informationsmaterial. Das ist hinderlich, und es wirkt auch sehr unordentlich. Eine einfache Lösung hat Vierlinden, wo Handzettel und Flyer in Kästen an der Wand stecken. Positiv fielen die einheitliche Berufbekleidung in den Testmärkten auf, eine angenehme Atmosphäre sowie qualifizierte Beratung. Nur die Kommunikation an den Kassen ließ zu Wünschen übrig.

Insgesamt erreichen alle Bio-Supermärkte das obere Drittel der Maximal- Punktzahl (zwischen 69,7 bis 87,5 von 100 Punkten). Das entspricht etwa den Resultaten im klassischen LEH. Besonders gut schneidet Vierlinden ab. Elke Rieckh zum Ergebnis: „Ich verstehe solche Testkäufe als Grundlage für unsere tägliche Arbeit. Nur so können wir Defizite abstellen.“ Die detaillierten Berichte können die Unternehmen bei unserer Testerin anfordern.