Hotline-Test Der Service-Flop

Der Lebensmittelhandel bietet seinen Kunden Ernährungsberatung per Hotline an. Wir machten die Probe. Ein Test mit schwachen Ergebnissen.

Donnerstag, 20. Oktober 2011 - Store Checks
Silvia Schulz
Artikelbild Der Service-Flop
Bildquelle: foltolia, Belz

Ernährungsbedingte Krankheiten nehmen zu. Rund 20 Prozent der Bundesbürger sind Allergiker. Immer mehr Menschen klagen über Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Alternative Essgewohnheiten, so auch die vegane, rücken in den Fokus. Da kommen Fragen auf – was liegt also näher, als beim Händler seines Vertrauens nachzufragen? Die Redaktion hat die Ernährungshotlines einiger Händler ausprobiert. Das Ergebnis war leider eher mau.

Auffindbarkeit Ohne Telefonnummer geht nix. Und die muss der Kunde leicht finden. Selbstverständlich? Nein. So leicht wie Edeka und Reichelt, die auf der Homepage Begriffe wie Ernährungsservice, Kundenservice und Servicetelefon nebst Telefonnummer anzeigen, machen es andere dem Kunden nicht. Bestnoten gab es in diesem Punkt nicht. Denn welcher Kunde vermutet unter „Tipps & Spaß“ oder „Club“ einen Ernährungsservice? Hier wäre eine eindeutig einzuordnende Bezeichnung kundenfreundlicher.

Positiv war beispielsweise der erste Eindruck bei Hieber. Unter „Kontakt“ wird der zuständige Mitarbeiter Stefan Beer, Diplom- Oecotrophologe, mit Foto, Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse angezeigt. Perfekt. Das schafft Vertrauen und Kundennähe.

Fazit: es punkteten Edeka, Reichelt; mit Abstrichen Alnatura, Hieber, Real, Tegut; verbesserungsbedürftig waren Kaufland, Rewe.

Erreichbarkeit Wichtig für Kunden: Von wann bis wann ist die Hotline erreichbar, was kostet ein Anruf. Nur Kaufland und Real bieten eine gebührenfreie Hotline an. Was dem Grundgedanken eines telefonischen Auskunfts- und Beratungsdienstes entspricht. Bei Tegut werden 14 Cent aus dem Fest- und 42 aus dem Mobilfunknetz fällig. Edeka und Reichelt folgen. Bei Alnatura und Hieber ist man zum Ortstarif dabei – Rewe verrät dem Kunden erst gar nicht, was ein Anruf kostet.

Ähnlich sieht es mit den Zeiten aus. Manch einer gibt sie kundenorientiert an, ein anderer verliert kein Wort darüber.

Und wie sah die Praxis aus? Bis zur Antwort verging bei Edeka/Reichelt und Tegut nahezu ein ganzer Tag: 20 bzw. 22 Stunden. Das war die real erlebte Erreichbarkeit. Gefühlter Sieger dieser Kategorie ist Real. Gefühlt, weil für die Dauer (Warte- und Beratungszeit) Höchstgrenzen überschritten wurden. Was weniger schwer wog, weil der Anruf nichts kostete.

Fazit: Es punkten Kaufland, Edeka; mit Abstrichen Alnatura, Real, Reichelt, Tegut, Hieber; nicht überzeugend Rewe.

Kompetenz Hinter einer Hotline muss ein persönlicher Berater stecken. Nur bei zwei Firmen musste die Testerin einen Telefoncomputer überwinden, um einen Mensch aus Fleisch und Blut zu sprechen. Tipp für Tegut: bitte mal selber dort anzurufen, um die relativ unwache und wenig aufmunternde Stimme zu hören.

Fachlich korrekt beantwortete nur die Real- Mitarbeiterin die Frage ad hoc. Unaufgefordert gab sie darüber hinaus Zusatzinformationen, empfahl ein Forum und ein Rezept. Die Testerin konnte Zutaten notieren oder die Internetadresse – das geht nicht besser.

Bei Hieber hatte die Testerin den avisierten Herrn Beck erwartet. Doch sie landete in einer Filiale und geriet an einen Mitarbeiter, der einen etwas gehetzten Eindruck machte. Gemeinsam mit einer Kollegin, die wohl an der Kasse saß, konnte er aber weiterhelfen. Bei Alnatura und Kaufland vergingen nur Minuten bis zum sachlich fundierten Rückruf.

Der erste Eindruck zählt
Die erste Reaktion bei Edeka: „Wir haben hier vor Ort keine Einsicht in die Sortimente, weil die Märkte von selbstständigen Kaufleuten geführt werden … diese speziellen Produkte sind wahrscheinlich auch gekennzeichnet … können Sie auch selbst anrufen.“

Der Test bei Reichelt musste abgebrochen werden: Die Anruferin landete beim Ernährungsservice der Edeka und damit bei derselben Mitarbeiterin.

Bei Rewe erhielt die Testerin eigentlich gar keine Antwort. Denn die Fachabteilung bat die Testerin, sich im Markt zu orientieren. Dann solle sie wieder anrufen. Neben Marke und Sorte müsse sie dann eine 15-stellige Zahlenreihe, die sich neben dem EAN-Code befindet, angeben. Dann würden die Inhaltsstoffe geprüft werden. Denn da die Hersteller mehrere Werke betreiben, kann das nur auf diese Art definitiv beantwortet werden. Danach würde man sie zurückrufen.

Fazit: Real überzeugte auf ganzer Linie, mit Abstrichen Hieber, Kaufland, tegut sowie Alnatura, Edeka, Reichelt, Rewe.

Gesprächskompetenz Was zählt, ist der erste Eindruck. Schon aktives Zuhören war für die meisten eine hohe Hürde. Die wenigsten Mitarbeiter merkten sich den Namen der Testerin, obwohl sie sich stets mit Vor- und Zunamen vorstellte. Der Mitarbeiter an der Hotline sollte in kürzester Zeit eine positive Beziehung im Gespräch herstellen. Das gelang im Grunde nur den Mitarbeiterinnen von Kaufland und Real. Sie waren mehr als freundlich und absolut aktiv. Denn freundlich alleine reicht nicht aus. Die Mitarbeiter am Telefon sollten ferner selbstsicher und souverän auftreten. Die Testerin hörte Formulierungen wie „ich könnte mich allerdings einmal erkundigen“, „müsste ich auch erst mal fragen“, „würde ich mich mal erkundigen“, „da sind Sie bei mir an der falschen Adresse“, „ich hoffe, da können Ihnen die Kollegen weiterhelfen“ – am Kundentelefon eine Todsünde.

Doch wussten die Mitarbeiter auch zu überzeugen: „wie kann ich Ihnen helfen“, „ich kann gerne mal nachfragen“, „was kann ich für Sie tun“, „dann rufe ich Sie gerne zurück“, „Hallo Frau Schulz“, „sehr gerne“, „viel Erfolg“ und „dann melde ich mich noch mal bei Ihnen“. Eine Empfehlung für Mitarbeiter am Telefon: Lächeln Sie, der Gesprächspartner wird es hören. Endet das Gespräch mit „dann bedanke ich mich für den Anruf und wünsche einen schönen Tag“ oder „einen schönen Nachmittag“, bleibt es in guter Erinnerung.

Fazit: Am überzeugendsten Kaufland, real; gut waren auch Edeka, Rewe, tegut, Reichelt, okay Alnatura, Hieber.

{tab=Wie und wer getestet wurde}
Getestet wurde quer durch die Handelslandschaft, wobei nur Firmen einbezogen wurden, die Services anbieten wie Produktinformationen (Rewe), News und Wissen: Ernährung sowie Anregungen und Fragen (Alnatura), Kundenservice und Ernährungsservice (Edeka), Servicetelefon, Kundenservice, Ernährungsservice (Reichelt), Club: Ernährungsservice sowie Kontakt (Hieber), Kundenservice – Kontakt – Kundenanliegen (Kaufland), Kundenservice (real) und Ernährung – Kundenbetreuung (Tegut) im Internet.

Die Testerin erhielt von der Redaktion die Firmen-Namen und die zu stellende Frage sowie die sachlich korrekten Antworten: Führen Sie veganes Eis und wenn ja, woran erkenne ich es bzw. wie heißt es?

Alle Handelsunternehmen wurden am 31. August 2011 zwischen 11 und 15.30 Uhr abtelefoniert. Überprüft wurden die Aktivität (von wann bis wann zu welchen Kosten erreichbar, Warte- und Beratungszeiten), die fachliche (korrekte Beantwortung und eventuelle Tipps) und kommunikative Kompetenz (Freundlichkeit, Gesprächsführung).

Die Ergebnisse wurden aufgezeichnet (um korrekt zitiert werden zu können), gestoppt, errechnet und ausgewertet.


{tab=Testberichte}
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