Kassentest An der Kasse – der bleibende Eindruck

Nach dem Einkauf geht es an die Kasse. Doch wie verständlich ist die Wegführung dorthin? Sind besetzte Kassen erkennbar? Wie lange dauert der Check-out? Wie freundlich wird der Kunde verabschiedet? Die LEBENSMITTEL PRAXIS hat den Kassiervorgang getestet.

Freitag, 06. Juni 2014 - Store Checks
Reiner Mihr
Artikelbild An der Kasse – der bleibende Eindruck
Nur selten Dank
Bildquelle: Mugrauer

Vorab: Das Ergebnis ist durchwachsen. Zwar funktioniert der Kassiervorgang in den getesteten Geschäften meist reibungslos, auch ist der Kassenbereich in der Regel sauber und aufgeräumt. Der Knackpunkt ist das Personal. Hier gibt es die größten Defizite, und hier werden Chancen verschenkt. Dabei stehen die getesteten Märkte nur exemplarisch für viele andere. Auch ist das Ganze – wie immer bei LP-Tests – eine Momentaufnahme. An anderen Tagen läuft’s besser. Vielleicht. Aber der Reihe nach.

Kunde ist zwar nicht gleich Kunde. Aber die meisten wollen kurze Wartezeiten, schnelle und exakte Scanabläufe, reibungslose Bezahlvorgänge und freundliches Personal. Der Check-out-Test der LP berücksichtigt all das. Er gliedert sich in die Rubriken technische Abwicklung, Kassenzone, Mitarbeiter-Auftritt und Personalkontakt. Der Händler muss aber den Kassenprozess ganzheitlich betrachten, weil die Kasse nun mal das Bindeglied zwischen Kunde und Unternehmen ist. Hier entsteht der letzte Eindruck, den der Kunde mit nach Hause nimmt.

Ist die Einkaufsliste im Laden abgearbeitet, hat es der Kunde eilig. Daher beeinflussen die Wartezeiten an der Kasse die Kundenzufriedenheit maßgeblich. Die Einschätzung der Servicequalität hängt stark von den Wartezeiten ab. Logisch – denn der psychologische Aspekt der Zeit (Zeit wird individuell erfahren) ist von besonderer Bedeutung. Die subjektive Wartezeit des Kunden hat oft nichts mit der objektiven zu tun. Erwiesen ist, dass Kunden Wartezeiten bis zu 90 Sekunden gut einschätzen können. Danach erscheint die Wartezeit deutlich länger als sie tatsächlich ist.

Die Tester waren an verschiedenen Wochentagen zu unterschiedlichen Tageszeiten am Point of Sale. Sie wissen, was es heißt, zu warten. Steht der Kunde wie bei Aldi Süd, Lidl und Netto länger als 90 Sekunden in der Schlange, ist der Frust beim Kunden programmiert. Doch wer denkt, dass der Kunde nur beim Discounter warten musste, irrt. Auch bei Real, Kaufland, Rewe und Reichelt musste sich der Kunde in Geduld üben. Allerdings ist der Ärger schnell verflogen, wenn der Kunde (endlich) an der Reihe ist. Spätestens beim Scannen seiner Waren hellt sich sein Gesicht (meist) auf.

Doch noch hat der Kunde nicht bezahlt. Es kann zu weiteren Verzögerungen kommen. Wie? Durch ungenügende Warenkenntnis. Bei Reichelt rief eine Kassiererin ihren Kolleginnen laut zu: „Was ist denn das hier für ein Brot?“ Auf Unverständnis stößt beim Kunden das Nicht-Wissen über die Vereinnahmung hauseigener Gutscheine. Daher ist die Gesamtzeit des Check-out (warten + scannen + bezahlen) von Interesse.

Das Scannen pro Artikel kann schnell gehen (1,5 sec) oder ewig (7,1 sec) dauern. Ähnliche Ergebnisse gab es beim Bezahlen. Die Bandbreite des Kassierens lag zwischen 5 und 74 Sekunden. Ein Vergleich. Im Kassenbarometer 2009 ermittelte das Marktforschungsunternehmen eMatrix eine durchschnittliche Kassierzeit – bei älterer und langsamerer Technik – von 29 Sekunden. Spitzenreiter war damals Aldi Süd. Die Mitarbeiter waren so schnell, dass beim Kunden Stress aufgebaut wurde und er mit dem Einpacken der Waren gar nicht nachkam. Daran hat sich anscheinend nichts geändert, denn auch unser Tester spürte diesen Druck.

Doch neben den realen und gefühlt viel zu lange dauernden Zeiten begeisterte die Technik. Die automatische Bargeldrückgabe und der Scheinprüfer beeindruckten die Tester.

 

Kassenzone gleich Quengelzone

In den meisten Supermärkten ist die Kassenzone für den Kunden leicht zu finden. Das bestätigt auch der aktuelle Test. Leider gilt das nicht für das Anzeigen von besetzten Kassen. Im Discounter und in manch einem Supermarkt weist dafür eine mehr oder weniger lange Schlange dem Kunden den Weg zur richtigen Kasse. Dabei sind optische Signale durchaus vorhanden. Nur werden sie vom Personal nicht konsequent genutzt, oder sie sind zu unauffällig. Dass es auch anders geht, zeigte Rewe. Den Check-out-Bereich sieht der Kunde beim Betreten, besetzte Kassen werden optisch angezeigt, und die Zugänglichkeit ist optimal.

Impulsartikel in der Kassenzone sind für manchen Kunden zu viel. Doch je nach Sortimentsstruktur und Größe des Marktes werden 6 und mehr Prozent des Gesamtumsatzes mit der Kassenzone erzielt. Und so wird manch Check-out-Bereich oft vollgestellt und als Quengelzone bezeichnet. Was die Tester jedoch nicht bestätigen können. Die Kassenzone machte beinahe ohne Wenn und Aber einen aufgeräumten, großzügigen Eindruck. Lediglich bei Hit wurden die Zweitplatzierungen direkt vor der Kasse als störend empfunden.

Kassendurchgänge wurden durchgehend als breit und frei eingeschätzt. Auch fiel die Beurteilung der Kassenbänder nur bei Netto negativ aus. Fehlende bzw. zu wenige Einpackmöglichkeiten monierten die Tester bei Temma. Ordnung und Sauberkeit einschließlich Kassenboxen fielen auf den ersten Blick selten auf. Doch bei genauer Inaugenscheinnahme blieben dem Kunden Unreinheiten (schmutzige Wände der Kassenboxen, verdreckte Rillen für die Warentrenner ...) nicht verborgen.


Mitarbeiter-Auftritt

Trotzdem ist das wichtigste Bindeglied zwischen Kunde und Unternehmen das Personal. Aus diesem Grund bezahlten die Tester ausschließlich an mit Servicekräften besetzten Kassen und nicht an Self-Scanning-Kassen. Der Mitarbeiterauftritt im Check-out-Bereich bekam gute Noten. Das Kassenpersonal war erkennbar gekleidet, und in den meisten Fällen wusste der Kunde dank Namensschild, mit wem er es zu tun hatte. Was für den persönlichen Kontakt wesentlich ist. Zudem führt Namensgleichheit von Kunde & Mitarbeiter zu mehr Verbundenheit. Studien haben ergeben, dass Menschen andere Personen mit „ihrem“ Namen zu ihrer In-Group zählen und sie freundlicher behandeln. Die Brafman Brüder konnten nachweisen, dass die entgegengebrachte Empathie automatisch zurückkommt. Was für das Tragen von Namensschildern spricht.

Darüber hinaus wirkte das Personal an der Kasse gut organisiert. Dennoch hinterließ manch Mitarbeiter (Hit gelangweilt, Aldi genervt, Kaufland uninteressiert, Netto gehetzt und überfordert) keinen guten Eindruck.

Gelobt wurde Edeka. Das Personal agierte wie Autofahrer im Straßenverkehr vorausschauend. Bereits vor Entstehen einer Schlange wurde eine weitere Kasse geöffnet. Doch auch das Gegenteil war zu erleben. Bei Aldi beratschlagten zwei Mitarbeiter über die Köpfe der anstehenden Kunden, ob man trotz Schlange in die Pause geht. Privatgespräche unter dem Personal sind ein leidiges Thema. Nicht nur, dass Kunden sie als störend und unangenehm empfinden. Privatgespräche signalisieren dem Kunden: „Du bist Nebensache.“ Und das versetzt – wie aus dem Neuromarketing bekannt – den präfrontalen Cortex (zuständig für das Schmerzempfinden) in Alarmbereitschaft. Ignoranz tut weh. Aufgefallen ist das bei Edeka, Real, Rewe und kurzzeitig bei Temma.

Doch insgesamt bewerteten die Tester den Auftritt des Kassenpersonals als angemessen und ansprechend. Auch die alles entscheidende Frage: „Würden Sie den Einkauf empfehlen?“ wurde nur bei Netto verneint.

 

Persönlicher Kontakt entscheidend

Zusammenfassend lässt sich sagen: Gute Wegeführung durch den Markt und zur Kasse, kurze Warteschlangen, schnelle und genaue Check-out Abläufe erlebt der Kunde oft. In Bezug auf das freundliche, umsichtige Personal an der Kasse gab es in unserem Test die größten Defizite. Und das, obwohl es eine bekannte Tatsache ist, dass der Kunde an der Kasse sein Liebstes, das verdiente Geld, lassen muss. Was bei Barzahlung besonders schwer wiegt. Gut, dass Barzahlung im deutschen Einzelhandel rückläufig ist.

Immer mehr Kunden bezahlen mit Karte. EC-Cash, EC-Lastschrift, Kredit- oder Handelskarten sind auf dem Vormarsch. Alle sind personalisiert, genau wie die Kundenkarten der Handelsunternehmen. Das heißt aber auch, dass den Mitarbeitern an der Kasse in mehr als 50 Prozent aller Check-out-Vorgänge der Name des Kunden bekannt ist. Aber wird der Kunde deshalb mit Name – und kein anderes Wort hört der Mensch lieber – angesprochen? Fehlanzeige.

Topp und Flopp liegen bekanntlich dicht beieinander. Bei Lidl konnte sich ein Kunde über die Hilfsbereitschaft der Kassiererin freuen. Sie kümmerte sich darum, dass er einen nicht vorhandenen Angebotsartikel (Rasenmäher) bei Kaufland abholen konnte. Die anderen Kunden hatten das Nachsehen, sie mussten geduldig warten.

Überhaupt hielt sich die Gesprächigkeit des Kassenpersonals in Grenzen. Klappte es bei den meisten Besuchen noch mit Begrüßung und Verabschiedung, so ist der ausgesprochene Dank für den (kleinen oder größeren) Einkauf noch immer die Ausnahme. Viel öfter werden auswendig gelernte und/oder aufgesetzte Worthülsen angewendet. Dabei gibt es so viele Möglichkeiten, den Kunden gut gelaunt in den Tag oder Abend zu entlassen. Die Mitarbeiterin bei Temma besaß kommunikatives Geschick. Blickkontakt, Aufmerksamkeit, ein kurzer Smalltalk und ein offenes, ehrliches Lächeln waren Trumpf und gehörten zweifelsohne zu ihren Stärken.

Und auch wenn es in punkto fehlender Fachkenntnis bei Reichelt an der Kasse unnötig lange dauerte, fand die Servicekraft für den Kunden die richtigen Worte: „Entschuldigen Sie bitte. Das ist für mich erst das zweite Mal.“ Auch sie hatte ihn, den richtigen Draht zum Kunden.

Es geht eben um die Interaktion mit dem Kunden. Ein aufmerksamer freundlicher Blick kann da viel bewirken. Sogar im Geschäft negativ Erlebtes kann durch den persönlichen Kontakt und den bleibenden Eindruck an der Kasse vergessen gemacht werden.

 

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Bild öffnen Verständliche Wegeführung zur Kasse, besetzte Kassen erkennbar, schneller Checkout, freundliche Begrüßung und Verabschiedung – eigentlich doch ganz einfach, oder?
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