Hygienepapiere „Autopilot“-Verhalten muss unterbrochen werden

Die Verweildauer am Hygienepapier-Regal ist sehr kurz. Um die Aufmerksamkeit der Kunden trotzdem zu wecken, setzen viele Hersteller auf Emotionalisierung.

Donnerstag, 12. Dezember 2013 - Sortimente
Sonja Plachetta
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Bildquelle: Belz

Hersteller von Hygienepapierartikeln haben es nicht leicht, ihre Produkte an den Kunden zu bringen. Sie müssen sich in einem schwierigen Markt gegen Handelsmarken behaupten. So gingen bis Ende Oktober z. B. im Segment Toilettenpapier nach Zahlen des Marktforschungsinstituts IRI die Umsätze (LEH und Drogeriemärkte) im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 2 Prozent zurück, bei den Markenartikeln um 7 Prozent.

Hinzu kommt, dass extrem wenig Zeit bleibt, um die Konsumenten von den Produkten zu überzeugen. Die durchschnittliche Verweildauer am Regal dieser sogenannten „Low Involvement“-Kategorie ist laut der Ipsos Shopper Studie 2011 mit 22 Sekunden sehr kurz. Oft wissen die Käufer schon vor dem Einkauf, was sie kaufen wollen. „Ziel ist es, das „Autopilot“-Verhalten des Kunden zu unterbrechen, die Aufmerksamkeit auf unsere Produkte zu lenken und Impulskäufe zu generieren“, erklärt Jennifer Breitenstein, Marketing Manager Zewa Toilettenpapier und Local Brands bei SCA Hygiene Products. Relevanz, Orientierung und Emotion seien entscheidend für die Regalgestaltung. Das Sortiment sollte laut Breitenstein die relevantesten Produkte beinhalten, voneinander abgegrenzt nach den einzelnen Hygienepapier-Kategorien. Zur besseren Orientierung empfehlen Hersteller wie Johnson & Johnson Markenblöcke innerhalb der Kategorien, die in sich strukturiert sind, bei Damenhygiene etwa nach Saugstärke und Packungsgröße, bei Toilettenpapier nach Lagigkeit.

Hygienepapier emotional aufzuladen und Impulskäufe zu generieren, gelingt nach Erfahrung von SCA am besten mit limitierten und Sondereditionen sowie durch aufmerksamkeitsstarkes Verpackungsdesign. Für Hansjörg Bischoff, Senior Category Manager Damenhygiene bei Procter & Gamble, sind zudem verkaufsfördernde Maßnahmen und Promotions wichtig. Kimberly-Clark nutzt Zweitplatzierungen auf Displays, um den „Auto-Piloten“ zu unterbrechen. Guido Kühne, Geschäftsführer der Hakle GmbH, die seit 1. Juni 2013 eigenständig agiert und nach dem Relaunch der Toilettenpapiermarke mittelfristig eine Verdopplung des Marktanteils anstrebt, setzt weniger auf Emotionalisierung als auf Vertrauen. Hoher Produktkomfort und Sicherheit seien entscheidend.

„Blasenschwäche kommt so häufig vor wie Heuschnupfen.“
Stefanie Merk, SCA Hygiene Products

Tatsächlich geht der Trend bei trockenem Toilettenpapier laut IRI zu höherwertigen vierlagigen Papieren. Das bestätigt Kühne: „Premium-Weiß-Papiere , d.h. vier- und fünflagig, und Papiere mit Wirkstoffen wie Düften oder Pflegeextrakten sind die Wachstumstreiber im Markt. Der Trend der vergangenen Jahre mit rein farbigen Papieren ohne Duft- oder Pflegezusatz ist vorbei.“ Gefragt sind, so Jennifer Breitenstein von SCA, auch Produkte, „die benutzerfreundlich sind, einen Zusatznutzen haben, durch besondere Designs, ansprechende Düfte und innovative Verpackungslösungen bestechen und die individuellen Bedürfnisse erfüllen“. Das gilt z. B. auch für Tempo Feuchte Toilettentücher Komfortbeutel, die derzeit in einer limitierten Designedition erhältlich sind.


In der Kategorie feuchtes Toilettenpapier – zuletzt laut IRI-Zahlen mit einem Umsatzplus von 2 Prozent im Handel – sehen die Hersteller großes Potenzial, wenngleich sie bisher nur einen geringen Teil des Marktes ausmacht. „Derzeit nutzen nur ca. 30 Prozent der Deutschen feuchtes Toilettenpapier. Bleiben also noch 70 Prozent, die wir von unserem Produkt überzeugen wollen“, heißt es bei Kimberly-Clark, das jüngst den bewährten Markennamen Hakle feucht in Cottonelle geändert hat, um entsprechend der weltweiten Konzernausrichtung über ein internationales Markenportfolio zu verfügen.

Produkte für Blasenschwäche wachsen innerhalb der Kategorie am stärksten. „Während leichte Inkontinenzprodukte mit einem Marktanteil von fast 78 Prozent weiterhin klar die höchste Bedeutung haben, sind die mittleren Produkte der aktuelle Wachstumstreiber, mit einem Umsatzplus von fast 20 Prozent“, heißt es bei IRI. Insgesamt stieg der Umsatz wegen der Schlecker-Pleite bis Ende Oktober aber „nur“ um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Bei TZMO Deutschland, das Inkontinenzprodukte unter den Marken Seni, Bella Lady und Bella Control vertreibt, entwickle sich der Umsatz zweistellig, sagt Vertriebsleiter Artur Wozniak. „Offene Systeme wie Einlagen für leichte und mittlere Blasenschwäche sowie anatomische Vorlagen werden am meisten nachgefragt.“ Männereinlagen und Inkontinenzhöschen gewännen ebenfalls an Bedeutung. Bei Tena sind die klassischen Blasenschwäche-Einlagen für Damen am gefragtesten, gefolgt von Pants. Das Männer-Segment wachse auf bisher kleinem Umsatzniveau, diese speziellen Produkte machten etwa 4 Prozent des Blasenschwäche-Marktes aus, sagt Stefanie Merk, Junior Trade Marketing Managerin bei SCA Hygiene Products. Potenzial für die Kategorie sei vorhanden: „Blasenschwäche kommt so häufig vor wie Heuschnupfen.“ Auch Wozniak ist zuversichtlich: „Der demografische Wandel und die sinkende Kostendeckung der Inkontinenzhilfsmittel durch Krankenkassen haben ein wachsendes Interesse am Kauf der Artikel für Blasenschwäche zur Folge.“ Die Enttabuisierung des Themas führe z. B. dazu, dass Frauen heute häufiger Inkontinenzeinlagen kauften statt dicke Nachtbinden.

An Letzterem liegt es jedoch nicht, dass die Umsätze im Damenhygiene-Segment leicht rückläufig sind (- 0,2 Prozent). Die Nachfrage sinkt Hansjörg Bischoff von Procter & Gamble zufolge, weil es wegen des demografischen Wandels weniger Frauen im „Menstruations-Alter“ gibt. Schwächere Blutungen aufgrund von hormonellen Verhütungsmitteln führten zudem zu einer Substitution von Damenbinden durch Slipeinlagen, welche sowohl für die tägliche Hygiene als auch während der schwächeren Periode verwendet würden. Ähnliche Erfahrungen hat man bei Johnson & Johnson mit Carefree gemacht, die Marke sei dem demografischen Wandel weniger unterworfen. Die Folge: „Carefree verzeichnet YTD ein Wachstum von 1 Prozent.“ Entscheidend ist in dem Segment der Ausbau des Produktportfolios, denn „die Verwendungsgewohnheiten haben sich von universellen hin zu Spezialprodukten für verschiedene Lebenssituationen entwickelt“, so Bischoff.

Bild: Für die Wahl von Hygienepapieren verweilen Kunden im Schnitt nur 22 Sekunden am Regal.