Nachhaltigkeit Produkt für Produkt nachhaltiger werden

Schwankende Rohstoffpreise, unkalkulierbare Ernten und Nachhaltigkeit: Beim Round table bei Kuchenmeister stand Grundsätzliches auf dem Programm. Einig war sich die Runde, dass Hersteller und Handel an Standards und Zertifizierungen gemeinsam arbeiten müssen.

Donnerstag, 24. Oktober 2013 - Sortimente
Susanne Klopsch
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Diskutierten lebhaft über Nachhaltigkeit, Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten und Ressourcenschonung: ...
Bildquelle: Klopsch, Langen

Rohstoffbeschaffung vor dem Hintergrund von Preisschwankungen, Rohstoffqualität und Nachhaltigkeit: Sie ist nicht nur für den Hersteller eine Herausforderung. Auch der Handel sieht sich in der Pflicht, diese Aufgabenstellung mit den gestiegenen Ansprüchen der Kunden an Produkte und Prozesse in Einklang zu bringen. Was diese Herausforderungen in der täglichen Arbeit bedeuten, darüber diskutierten bei Großbäcker Kuchenmeister: Uwe Trockels (Kuchenmeister, Geschäftsleitung und zuständig für Produktentwicklung und Rohstoffeinkauf), Dr. Johannes Simons (Universität Bonn, Lehrstuhl für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft), Daniel May (Froum Nachhaltiges Palmöl, Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ), Dr. Ludger Breloh (Bereichsleiter Grüne Produkte der Rewe Group) sowie Sven Komp (Edeka-Kaufmann mit drei Märkten in Wesel und Hamminkeln). Es moderierte Reiner Mihr, Chefredakteur Lebensmittel Praxis.

Landwirtschaftliche Rohstoffe unterliegen Preisschwankungen, die in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden sind. Mit Risiken für Planungssicherheit und Rentabilität der Unternehmen, die auf die Rohstoffe angewiesen sind. Gegen diese Preisschwankungen können sich Unternehmen bei einigen wichtigen Rohstoffen wie Weizen oder Zucker an Warenterminbörsen absichern. Bei Spezialprodukten wie etwa Rosinen ist dies über Lieferverträge möglich, in denen dann auch eine bestimmte Qualität definiert werden kann. Problematisch wird es jedoch, wenn diese Lieferverträge nicht eingehalten werden, weil Regressansprüche vor allem in Staaten außerhalb der EU nur schwer oder gar nicht durchzusetzen sind. Beim Abschluss der Verträge steht auch noch nicht fest, welche Menge genau benötigt wird. Durch einen unvorhersehbaren Saisonablauf etwa im Weihnachtsgeschäft, kann es sein, dass zusätzliche Rohstoffmengen, die nicht kalkuliert waren, auch nicht gedeckt sind. Probleme ergeben sich zudem, wenn zu viel Ware für einen zu hohen Preis abgesichert oder eingekauft wurde und dann nachher mit Verlusten verkauft werden muss.

Für den Direkteinkauf mit Erzeugern entschied sich Kuchenmeister. Denn in Soest steht, wie Uwe Trockels verdeutlichte, nicht nur der Preis im Fokus: Um den für den Stollen essenziellen Rohstoff in der gewünschten hohen Qualität zu bekommen, gibt es strenge vertraglich festgelegte Einkaufsvorgaben für die Zulieferer in der Türkei. Diese umfassen umfassen Größe, Farbe, Reinigungsgrade und Herkunftsvorgaben.

Im Jahr verarbeitet das Unternehmen insgesamt rund 3.500 t türkische Rosinen. Die langfristigen Kontrakte sieht Kuchenmeister als Investition in die Warensicherheit („Wir gehen kein Warenrisiko ein.“). Gleichzeitig dienen diese stabilen Geschäftsbeziehungen auch einer nachhaltigeren Produktion. Doch Rohstoffmengen sind nur begrenzt planbar – das musste Kuchenmeister in diesem Herbst erfahren: Infolge der schlechten Rosinenernte in der Türkei erfüllen manche Zulieferer ihre Kontrakte nicht. Die Soester müssen nun gezwungenermaßen auf dem Weltmarkt zu weitaus höheren Preisen als kalkuliert einkaufen.

Dr. Ludger Breloh (Rewe) brachte einen anderen Aspekt bei der Verantwortung der Unternehmen für nachhaltige Rohstoffbeschaffung ins Spiel: „Soziale Fragen werden uns immer stärker beschäftigen.“ Er sah Hersteller und Handel gleichermaßen in der Pflicht, sich mit sozialen Hintergründen bei der Rohstoff-Produktion auseinanderzusetzen und diese im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in der gesamten Wertschöpfungskette zu betrachten.

Dr. Simons wies auf die Kehrseite dieser Anforderungen der Hersteller hin: „Kleinbauern sind oft nicht in der Lage, diese zu erfüllen und haben so keinen Zugang zu attraktiven Märkten.“ Lediglich große Kooperationen könnten mithalten. Das rief Daniel May auf den Plan: „Genau an diesem Punkt beginnt unsere Arbeit. Denn auch vor Ort muss bei den Bauern erst das Bewusstsein für soziale Veränderungen wie der Zugang zu menschenwürdigen Lebensbedingungen, Schulbildung etc. geschaffen werden. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem sie Unterstützung benötigen.“ Diese Arbeit der Entwicklungshilfe trage dazu bei, Wettbewerbsnachteile der Kleinbauern abzubauen. Er war sich sicher: Wenn die Verbraucher über die Anstrengungen der Hersteller auch bei sozialen Faktoren informiert werden, werden sie dies honorieren.

Für Edekaner Sven Komp sieht die Realität derzeit noch anders aus: „Die Kunden fragen ehrlich gesagt nicht häufig nach nachhaltigen Produkten. Diejenigen allerdings, die sich für die Thematik interessieren, die wissen sehr genau, was sie kaufen wollen.“ Das Gros der Kundenfragen drehe sich um laktose- oder glutenfreie Produkte bzw. um Lebensmittel ohne Geschmacksverstärker. Kunden schauten zudem stark auf „ihre“ Marken. „Und sie vertrauen wie ich generell darauf, dass die Unternehmen ’saubere’ Ware anbieten.“

Fotos: Klopsch, Langen

Angesichts der Komplexität des Themas Nachhaltigkeit ist es nach Ansicht von Dr. Simons vom Verbraucher schlichtweg zu viel verlangt, am PoS die Nachhaltigkeit von Produkten zu beurteilen. „Ich sehe deshalb den Einzelhandel in der Verantwortung, dass nach sozialen und ökologischen Standards produzierte Ware in den Regalen liegt.“ Damit lief er bei Dr. Ludger Breloh offene Türen ein: „Wenn wir uns nur auf den Endkonsumenten verlassen, dann werden wir nicht zu großen Veränderungen kommen. Für uns als Händler wird es immer wichtiger, für welchen Geschäftspartner, welchen Lieferanten wir uns entscheiden.“ Gemeinsamkeit von Hersteller und Handel sei wichtig, „um gemeinsam die komplexen Anforderungen zu vereinheitlichen.“ Beispiele seien die für Palmöl oder Kakao gegründeten Foren bzw. Runden Tische, in denen Hersteller und Handel gemeinsam rohstofforientierte, sektorale Lösungen finden.

Bei der Umstellung auf nachhaltige Rohstoffe entschied sich Kuchenmeister, nicht mehrere Baustellen gleichzeitig aufzumachen: Nachdem seit 2011 nur noch Eier aus Bodenhaltung verwendet werden, liegt der Fokus nun auf der Verwendung zertifizierten Palmöls. Seit zwei Jahren ist das Unternehmen Mitglied des Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (Round Table on Sustainable Palmoil, RSPO). Diese ersten Schritte in eine „sektorale Umsetzung“ nannte Breloh beispielhaft: „Damit ist Kuchenmeister Vorreiter in der Branche.“ Es sei besser und mutiger, Nachhaltigkeit Stück für Stück in Standardartikeln zu implementieren und damit peu à peu neue Standards für die Branche zu schaffen.

Um Unternehmen bei diesen kostenintensiven Veränderungen zur Seite zu stehen, plädierte Trockels dafür, dass der Handel möglichst einheitliche Zertifizierungen, die idealerweise auch noch europaweit gelten, auf den Weg bringt. So könne vermieden werden, dass ein Händler Kuchen mit Palmöl-Zertifikat und der andere ohne Zertifizierung wünsche. Bei den jetzigen, nicht einheitlichen Vorgaben des Handels, muss Kuchenmeister zwei Linien fahren.

Einig war sich die Runde, dass man letztlich nur mit Beharrlichkeit und klaren Richtlinien den Anteil von zertifiziertem Palmöl incl. Derivate bei der Herstellung von Lebensmitteln erhöhen könne. „70 bis 80 Prozent des in Deutschland genutzten Palmöls bzw. Derivate sind nicht zertifiziert“, sagte May. Mit der Gründung des Forum Nachhaltiges Palmöl Anfang September in Berlin soll auch erreicht werden, so viele Marktteilnehmer wie möglich an den Tisch zu bekommen, um es auf Dauer unattraktiv zu machen, nicht-zertifiziertes Palmöl nach Deutschland einzuführen und damit diejenigen mitziehen, die sich nicht so viele Gedanken machen.

Derzeit liegt der Aufschlag für nachhaltiges Palmöl bei etwa 20 USD/Euro pro Tonne. Doch für Uwe Trockels gibt es keinen Weg zurück. Als RSPO-Mitglied setze man weiter darauf, so viele Unternehmen wie möglich dazu zu bewegen, nachhaltiges Palmöl zu verwenden und damit den Druck auf Markt und Preis weiter zu forcieren: „Wenn nachhaltiges Palmöl Standard wird, dann gehen die Preise runter, weil die derzeit gezahlten Aufschläge entfallen.“

Der Endverbraucher könnte durch Hinweise auf der Verpackung auf den Einsatz nachhaltiger Rohstoffe aufmerksam gemacht werden. Kaufmann Sven Komp verwies auf erfolgreiche Edeka-Eigenmarken. Die „Kaufst du Edeka?“-Kampagne hebt die hohen Anteile einzelner hochwertiger Komponenten in den Produkten wie Butter- oder Nussanteile auf der Verpackung hervor: „Dort könnte sich auch der Hinweis auf die Verwendung nachhaltigen Palmöls finden.“ Damit differenziere sich die Eigenmarke zudem vom Discount. Die Kunden nähmen diesen Unterschied nach seiner Erfahrung positiv wahr und seien auch bereit, den höheren Preis für diese im mittleren bis höheren Preissegment angesiedelten Produkte zu bezahlen.

Mit Blick auf Eigenmarken bleibt die Frage nach Vorteilen für den Hersteller, der den erhöhten Anforderungen des Handels folge. Dr. Breloh: „Es ist klar, dass es Nachhaltigkeit nicht zum Nulltarif gibt, sondern dass sie sich in den Kosten niederschlägt. Diese Leistung muss in irgendeiner Form fair vergütet werden.“ Derzeit werden die nachhaltigen Produkte aber „kostenneutral“ in den Regalen der Rewe-Märkte angeboten: „Wir reden von Produkten für den Massenmarkt. Wenn wir diese zu höheren Preisen verkaufen wollen, laufen wir Gefahr, Marktanteile und Umsatz zu verlieren. Dieses Risiko sind wir bisher noch nicht eingegangen.“

Fotos: Klopsch, Langen

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