Tiernahrung Kundenbindungsfaktor Emotionalität

Die Bedeutung des E-Commerce im Markt für Heimtiernahrung wächst dynamisch. Zeit für den stationären Handel, zu reagieren.

Sonntag, 18. August 2013 - Sortimente
Bettina Röttig
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Wer heute noch den 20-kg-Pack Hundefutter eigenhändig nach Hause schleppt, ist entweder fitnessbesessen oder einfach nur selbst schuld. Das scheint sich zumindest die wachsende Zahl der Tierhalter zu sagen, die sich lieber online zur Lieferung des gewünschten Vorratspacks für ihren Vierbeiner klicken, anstatt sich beim Wocheneinkauf für die Familie auch noch den unhandlichen Futtersack über die Schulter zu werfen. So gewinnen Amazon und Co. zunehmend an Bedeutung im Markt für Heimtiernahrung, der 2012 auf ein Volumen von 3,26 Mrd. Euro kam (Handel ges. – exkl. Impuls – und Zoo).

„Das Wachstum im Online-Handel war in den letzten Jahren enorm, allerdings macht der Kanal nach unserer Schätzung trotz der hohen Wachstumsraten bisher nur 8,5 bis 9,5 Prozent des Gesamtmarktes aus“, so die Marktforschungs-Experten von IRI. Als Grund für die steigende Beliebtheit des Online-Kaufs sehen sie neben dem Faktor Bequemlichkeit vor allem das große und sehr spezielle Angebot, u. a. auch kleiner Hersteller, welches der stationäre Handel alleine aufgrund der Masse an Artikeln niemals bieten könne. Preisgetriebene Konsumenten bzw. Käufer, die tatsächlich individualisiertes Futter bestellen, seien noch in einer deutlichen Unterzahl.

Vitakraft, seit Kurzem selbst Betreiber eines eigenen Online-Shops, bestätigt die Beobachtung der Marktforscher. „Unser Produktportfolio umfasst rund 3.000 Artikel und wird nie vollständig im stationären Handel zu finden sein“, sagt Dieter Meyer, Leiter Werbung & Öffentlichkeitsarbeit. Vor allem Zubehör und Spezialitäten wie OTC-Produkte, die im stationären Handel weniger präsent seien, fänden im Online-Shop hohen Zuspruch. Zu Umsatzkannibalisierungen sei es daher wie erwartet nicht gekommen. Auch bei Mars Petcare rückt der E-Commerce nach eigenen Angaben stärker in den Blickpunkt, obwohl der Fokus weiterhin auf dem stationären Handel und insbesondere auf dem klassischen LEH liege, der für rund 45 Prozent der Erlöse steht.

Zweifelsohne wird die Bedeutung des Internet-Handels für den Verkauf von Heimtiernahrung weiter zunehmen. Tierfutter-Hersteller Tetra geht davon aus, dass sich der Marktanteil mittel- bis langfristig auf 20 Prozent verdoppeln könnte.

Zwar partizipiert der LEH über seine zunehmenden Multi-Channel-Aktivitäten selbst am Online-Handel, dennoch sollte er aktiv werden, um Heimtierhalter stärker an den stationären Handel binden, so der allgemeine Rat. Schließlich gelten Tierhalter als lukrative Käufergruppe, deren Einkauf im Supermarkt im Schnitt deutlich höher ausfällt als der von Nicht-Tierhaltern (s. Interview). Drastisch drückt es Vitakraft-Mann Dieter Meyer aus: „Es zeichnet sich klar ab, dass diese Entwicklung zulasten des konventionellen LEH gehen wird – wenn dieser nicht bald etwas ändert. Solange man die Warengruppe Tiernahrung weiterhin stiefmütterlich behandelt und im Standardregal belässt, die Ware im Grunde als reinen Deckungsbeitragsbringer betrachtet wird, sehe ich schwarz.“ „Der stationäre Handel, insbesondere der LEH, sollte reagieren und sich auf seine Stärken besinnen“, rät auch Jean Grunenwald, Regional Director Mid North Europe bei Nestlé Purina. Eine emotionale Präsentation der Tiernahrung am PoS sowie persönliche Beratung stellten hierbei die wichtigsten Erfolgsfaktoren dar.


Entscheidend dafür, wie der Umsatz zwischen On- und Offline-Kanälen künftig verteilt werde, sei, inwiefern der stationäre Handel es schaffe, dem Kunden ein Einkaufserlebnis zu bieten, Tiernahrung als Mitnahmeartikel zu platzieren, eine interessante Preispositionierung anzubieten sowie von der Notwendigkeit einer persönlichen Beratung zu überzeugen, prognostiziert IRI.

Voraussetzung für den Erfolg im LEH ist laut Mars Petcare vor allem eine Produktvielfalt, die verschiedenste Bedürfnisse befriedigt, sowohl auf Sortimentsebene als auch im Hinblick auf Preissegmente, Zusatznutzen etc. Wichtig sei auch, dass Kunden die Produkte schnell finden, klare Strukturen und Kundenleitsysteme sowie Ankermarken seien ein Muss.

Inspirationen für ansprechende Präsentationen und Serviceleistungen liefern Beispiele aus anderen Warengruppen sowie dem internationalen Markt. So rät Nestlé-Purina-Chef Grunenwald, bei der Suche nach Differenzierungsmöglichkeiten den Blick auf den US-Markt zu richten. „Hier haben es einzelne Händler geschafft, den Einkauf von Tiernahrung zu einem Erlebnis zu machen und verschiedene Services gebündelt anzubieten. Hier geht man also nicht mehr nur zum Einkauf in das Geschäft, sondern auch zum Hundetrainer, zum Hundefriseur etc. Online können diese Dienstleistungen nicht geboten werden.“

Der LEH beweise bereits in den Frischebereichen oder in den Weinabteilungen oft, wie die emotionale Inszenierung von Warenwelten und wie die Ansprache von Kundengruppen funktionierten, so Dieter Meyer, Vitakraft. Dies gilt es nun zu übertragen. Viele gute Beispiele für emotionale Erlebniswelten gebe es zudem im Fachhandel. Unterstützung erhält der Handel seitens der Industrie vor allem durch Zweitplatzierungsdisplays, aber auch Shop-in-Shop-Systeme (Vitakraft) oder spezielle Regalleitsysteme inklusive Preisschienen, Warentrennern und integrierten, anlassbezogenen Themenschildern, die zu Verbundkäufen animieren (Tetra).