Fairtrade Faire Produkte polieren das Image der Händler auf

Fair gehandelte Produkte sind in Deutschland noch ein Nischenthema mit nur 0,3 Prozent Marktanteil, aber eben auch mit zweistelligen Zuwachsraten.

Sonntag, 06. Mai 2012 - Sortimente
Bettina Röttig
Artikelbild Faire Produkte polieren das Image der Händler auf
Bei der Fair Handeln in Stuttgart wuchs die Zahl der Aussteller um 40 Prozent auf 137.
Bildquelle: TransFair e.V.

Das Kartellamt im Nacken, die Industrie mit Forderungen vor der Brust und in den Medien allzu oft schlechte Schlagzeilen – da ist alles willkommen, was hilft, das Image zu verbessern. Fast jedes Handelsunternehmen bietet inzwischen permanent unter einer Eigenmarke (z .B. Lidl mit Fairglobe ) oder auch nur zeitlich begrenzt in Aktionen fair gehandelte Produkte an. Begleitet wird das jeweils durch regelrechte Medien-Kampagnen.

Auch wenn fair gehandelte Produkte in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, ihr Marktanteil ist noch verschwindend gering, liegt in Deutschland bei 0,3 Prozent. Verbraucher hierzulande kauften im vergangenen Jahr Fairtrade-Produkte im Wert von rund 400 Mio. Euro. Mit einem Plus von 18 Prozent über alle Produktgruppen hält der zweistellige Wachstumstrend der vergangenen Jahre zwar weiter an, aber auf einem Niveau, das de facto für den einzelnen Kaufmann in seinem Supermarkt nahe an der Bedeutungslosigkeit liegt. Zumal von diesem Gesamtumsatz nur ein Drittel bei Vollsortimentern erwirtschaftet wird. Ein weiteres Drittel entfällt auf den Discount, ebenso eines auf den Außer-Haus-Markt.

„Seit 2002 ist der Gesamtumsatz um das Achtfache gestiegen“, berichtet Dieter Overath , Geschäftsführer TransFair Deutschland. Allein in den letzten sechs Jahren hat sich der Umsatz vervierfacht. Aktuell verzeichnen Produktgruppen wie Tee (+ 42 Prozent), Kaffee (+ 38), Zucker (+ 14), Kakao und Schokolade (+ 16 Prozent) gegenüber dem Vorjahr enorme Steigerungen. Doch von dieser Entwicklung profitiert die Markenartikel-Industrie nicht . Das Umsatzplus geht maßgeblich auf das Engagement des Handels im Eigenmarken-Bereich zurück. Und sie bauen ihren Vorsprung weiter aus: Aldi Süd erweiterte im März sein Fairtrade-Angebot um konventionelle Bananen aus Fairem Handel, die Drogeriemarktkette dm präsentierte im April eine Schokolade mit Fairtrade-Siegel. Rewe und Real stellen sukzessive Produkte auf Fairtrade um, und Edeka und Netto haben Fairtrade-Rosen ins Sortiment aufgenommen. Norma organisiert mehrmals jährlich eine Fair-Trade-Woche.

Das Engagement des Handels stimmt Overath zuversichtlich. 2012 will er die 500-Mio.-Euro-Umsatzmarke knacken. Im Vergleich mit anderen EU-Staaten ist das Potenzial in Deutschland noch lange nicht ausgeschöpft. Während in England im Schnitt rund 100 Fairtrade-Produkte in den Supermärkten stehen, sind es bei uns zumeist weniger als 20. Der Durchschnittsdeutsche kauft jährlich für 5 Euro fair gehandelte Produkte, der Brite für 20 Euro.

Bei der Messe Fair Handeln in Stuttgart nahm die Zahl der Aussteller um 40 Prozent auf 137 zu. Neben Kaffee- und Schokoladen-Anbietern waren Wein, Kartoffelprodukte oder auch Zucker, Nüsse, Obst sowie Kosmetik ein Thema. Allmählich weicht bei ihnen die Scheu oder gar Ablehnung vor dem klassischen Lebensmittel-Einzelhandel. BanaFair z. B. beliefert bisher nur einzelne Märkte von selbstständigen Kaufleuten mit Frischbananen, Roten Bananen, Babybananen oder auch getrockneten Bananen. Jetzt steht das Unternehmen aber auch im Dialog mit der Rewe Dortmund, zeigt sich Geschäftsführer Rudi Pfeifer optimistisch. Christiane Solf aus dem Vertrieb und Marketing von FairWein freut sich, dass auch eine Kaufhof-Filiale zu den Kunden des noch jungen Vertriebsunternehmens für fair gehandelte Weine aus Südamerika zählt. El Punte hingegen, eine der ältesten Importorganisationen des Fairen Handels, lehnt eine Belieferung des LEH weiter strikt ab, glaubt an das Konzept der Wel tläden, will nicht deren Konkurrenten unterstützen.

Zunehmend vielfältig wird nach Angaben von Overath die Zahl der fair gehandelten Mischprodukte , die sich aus mehreren Zutaten zusammensetzen: Die Absätze von Süßwaren (+ 132 Prozent), Speiseeis (+ 82 Prozent) und Mischgetränken (+ 137 Prozent) stiegen deutlich. Doch zur Euphorie sehen viele in der Lebensmittel-Industrie weiter keinen Grund. Vieles sei bei dem Thema „verlogen“ , oft Doppelmoral im Spiel und „leider auch gelegentlich eine Abzocker-Manier“, kritisiert der Manager eines namhaften Lebensmittel-Herstellers, der nicht namentlich genannt werden will.

Schlechte Erfahrungen hat auch das Würz-Unternehmen AVO mit fair gehandelten Produkten gemacht. „Jeder will sie haben, aber keiner kauft sie“, so Geschäftsführer Guido Maßmann. Im knallharten Business steht eben zumeist doch verhandeln statt fair handeln auf der Tagesordnung.

  

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Der Marktanteil für fair gehandelte Lebensmittel liegt in Deutschland bei 0,3 Prozent.
Bild öffnen Bei der Fair Handeln in Stuttgart wuchs die Zahl der Aussteller um 40 Prozent auf 137.
Bild öffnen Norma bietet mehrmals jährlich eine Fair-Trade-Woche ...
Bild öffnen ... Edeka seit Kurzem Fair-Trade-Rosen ...
Bild öffnen ... und dm eine faire Schokolade der Schülerinitiative Plant-for-the-Planet.