Obst und Gemüse Grün, grüner, nachhaltig

Wer das Jahr über frische Früchte anbietet, transportiert Ware über weite Strecken. Wie passt das zur Klimadiskussion? Nachhaltiges Wirtschaften in der Fruchtbranche.

Mittwoch, 08. September 2010 - Sortimente
Heidrun Mittler

Man muss es ja nicht so extrem sehen wie Alisa Smith und James MacKinnon: Das Ehepaar aus dem kanadischen Vancouver hat sich ein Jahr lang ausschließlich von Nahrungsmitteln ernährt, die im Umkreis von 100 Meilen um ihre Stadtwohnung wachsen. Ihr Ziel: Sie wollten die Umwelt schonen. Denn sie wussten aus einer Studie, dass die Lebensmittel in ihrem Supermarkt weite Wege zurücklegen, bevor sie ins Regal gelangen. Deshalb entschlossen sie sich, Landwirte vor Ort zu unterstützen, verzichteten ein Jahr lang auf Schokolade, Bananen, Bier und Kaffee – alles nachzulesen im Buch „The 100 Mile-Diet“.

Kanada ist nicht Deutschland – das Land ist dünn besiedelt, die Entfernungen riesengroß –, doch das Grundproblem bleibt gleich: Immer mehr Verbraucher machen sich Gedanken darüber, woher die Produkte stammen, die sie essen. Die Entwicklung ist längst im Handel angekommen: Regionale Produkte liegen im Trend.

Andererseits aber will kaum jemand auf seine Lebensqualität verzichten und sich überwiegend (wie Smith und MacKinnon) von selbst eingelegtem Weißkraut und Eiern ernähren. Im Unterschied zur Generation unserer Großeltern können Verbraucher heute das ganze Jahr über eine Fülle von frischem Obst und Gemüse genießen. Aber müssen es denn wirklich Himbeeren und Spargel zu Weihnachten sein? Diese „Off-Seasons“ sind viele tausend Kilometer gereist, ehe sie in der Obst- und Gemüse-Abteilung zum Verkauf ausliegen (siehe dazu auch Warenverkaufskunde Lebensmittel Praxis 1/10).

Den Verantwortlichen in den internationalen Fruchtkonzernen ist die Problematik schon lange bekannt. An den Entfernungen können sie naturgemäß nichts ändern, wohl aber an den Anbau- und Transportmethoden. Und da ist die Fruchtbranche seit Jahren aktiv, wie nachfolgende Beispiele deutlich machen.

So bezeichnet sich Dole selbst als „einer der Vorreiter bei der Umsetzung von Umweltprogrammen“, der stark in die Weiter-Entwicklung des biologischen Anbaus investiert: Heute ist man nach eigenen Angaben der „weltweit größte Vertreiber von Bio-Bananen“. Momentan konzentriere sich das Unternehmen auf die Boden-Fruchtbarkeit, die CO2-Bilanz und das Wassermanagement. In einem Pilotprojekt werden Treibhausgase gemessen, von der Farm bis zum Vertriebszentrum. In einem anderen entwickelt man derzeit Methoden, um den Wasserverbrauch zu messen – immer mit Blick auf Ressourcenschonung.

Chiquita betont, dass man „als eines der ersten Unternehmen der Branche“ vor 17 Jahren begonnen habe, sich „für eine nachhaltige Bananenproduktion, faire Arbeitsbedingungen und den Erhalt der Artenvielfalt“ einzusetzen. Zu den konkreten Umweltschutz-Maßnahmen zählen unter anderem der aktive Einsatz für den Erhalt von Waldflächen und der Bau umfangreicher Müllentsorgungssysteme, die durch Wiederverwertung von Materialien das Abfallaufkommen vor Ort deutlich verringert haben. Zudem hat das Unternehmen spezielle Filteranlagen entwickelt, so dass der Wasserverbrauch durch Wiederverwertung reduziert und die Wasserqualität nicht beeinträchtigt wird.

Die Bio-Bananen von Fyffes, einem irischen Fruchtkonzern, vereinen „natürlichen Geschmack, soziale Fairness und die langjährige Erfahrung der ältesten Fruchtmarke der Welt“, so eine Unternehmenssprecherin. Die Ware für den deutschen Markt stammt überwiegend aus Kolumbien, von Anbauern, mit denen man schon mehr als zehn Jahre zusammenarbeitet und die alle den hohen GlobalGAP-Standard erfüllen. Zusätzlich setzt Fyffes auf eigene, strenge Richtlinien hinsichtlich Arbeitsbedingungen, Sicherheitsvorkehrungen und Hygienestandards, die ständig vor Ort überprüft werden. Außerdem lebe man „seine Philosophie auch in der Umsetzung am PoS“: Von der Zweitplatzierung bis hin zu den Broschüren sei man darauf bedacht, „alle Materialien so umweltfreundlich wie möglich zu produzieren“.


The Greenery, der Dachverband der niederländischen Obst- und Gemüseerzeuger, arbeitet an zwei Schwerpunkten: die Menge der Pflanzenschutzmittel verringern und die eingesetzte Energie minimieren. Ein interessantes Beispiel: Die Fleischtomaten der Familie A+G Van de Bosch werden CO2-negativ erzeugt – das heißt, es wird mehr Kohlendioxid verbraucht als ausgestoßen. Das gelingt, indem das Gewächshaus mit Erdwärme geheizt wird, dazu werden also keine fossilen Brennstoffe benötigt. Außerdem wird ein Teil des CO2, das in einer nahe gelegenen Raffinerie anfällt, direkt in die Gewächshäuser geleitet, wo es das Wachstum der Tomaten fördert.

Von den internationalen Konzernen zu den heimischen Frucht-Produzenten: Diese profitieren aufgrund ihres Standortes von den kurzen Wegen. Für Torsten Brandt, Bereichsleiter Marketing und Kommunikation bei Landgard, steht außer Frage: „Dem Verbraucher ist zunehmend wichtig, wie und wo die Ware produziert wird.“ Deutschland stehe als Herkunftsland klar für „Frische, Sicherheit und Nachhaltigkeit.“

Aber: Alle heimischen Produzenten, die Ware exportieren, sind genauso von der Diskussion um Transportwege betroffen. Wenn es um die Frage geht, ob Off-Season-Früchte wie etwa Trauben zu Weihnachten ökologisch korrekt sind, hält sich Landgard bedeckt und antwortet folgendermaßen: „Der Fruchthandel stellt ein tiefes Angebot an frischem Obst und Gemüse zur Verfügung. Die Entscheidung liegt nur beim Verbraucher, der mit seinem Kauf die Nachfrage und damit auch die Verfügbarkeit im Handel regelt.“ Auch in Deutschland gibt es wegweisende Projekte in punkto Umweltschutz. So berichtet Jens Anderson, Marketingleiter der Elbe-Obst Erzeugerorganisation, dass schon seit zehn Jahren alle Erzeuger entweder nach den Anforderungen des biologischen oder des kontrolliert integrierten Anbaus arbeiten. In einigen Betrieben des Alten Landes läuft aktuell ein Projekt, in Zusammen-Arbeit mit dem Obstbau-Versuchsring. Dabei geht es um die Sprühgeräte, welche die Pflanzenschutzmittel bei Bedarf auftragen: Sensoren an den Spritzen erfassen genau, wo ein Ast ist (oder etwa eine Lücke) und spritzen zielgenau, ohne Verlust. Die Einsparmöglichkeiten liegen bei 20 bis 25 Prozent.

Ein weiteres Beispiel: Landgard investiert in die Entwicklung von Maßnahmen zur umweltschonenden Produktion durch Boden-Dämpfung. Wie das Unternehmen mitteilt, werden durch die Dämpfung der obersten Bodenschichten vorhandene Unkrautsamen sowie Nematoden und andere Schaderreger abgetötet. Dadurch könne der Einsatz von Herbiziden (das sind Unkraut-Bekämpfungsmittel) gänzlich unterbleiben und die Bekämpfung von Nematoden (Fadenwürmer) und sonstigen Schaderregern deutlich reduziert werden.

Weitere Informationen zu den genannten Projekten im Internet unter www.lpvnet.de/umwelt.



„Trauben zu Weihnachten? Das ist unverantwortlich, die sind doch um die halbe Welt gereist!“ Kunden stellen immer häufiger kritische Fragen wie diese.

So argumentieren bedeutende Fruchtkonzerne.


„Dole Europe hatte in der Weihnachtszeit Trauben aus Südafrika im Angebot. Da wir umweltbewusst sind, transportieren wir unsere Produkte per Schiff und nicht im Flugzeug. (…) Wir betrachten alle Aspekte, neben dem Transport auch den Anbau, der zum Beispiel in Europa sehr viel intensiver als in Südafrika sein kann (das ist vom jeweiligen Produkt abhängig). Dole liefert höchste Qualität zu vernünftigen Preisen, so wie es die Verbraucher erwarten. Das trifft natürlich auch besonders auf Trauben zu, die in vielen europäischen Ländern zur Weihnachtstradition gehören.“
Johan Lindén, Geschäftsführer Dole Germany

„Würde man die Produktion von Trauben aus südlichen Ländern abziehen, würde der Entwicklungsprozess dieser Länder gestoppt werden. Tausende von großen und kleinen Landbauern sind abhängig von der Export-Produktion nach Europa. Daneben ist der ökologische Aspekt wichtig: Trauben, die in Afrika angebaut werden, werden über den Seeweg überführt. Eine Packung dieser Trauben belastet die Umwelt weniger als lokale Produktionen und der jeweilige Transport auf dem Land. Es ist jedoch ein komplexes Thema, bei dem jeder Konsument seine eigene Entscheidung treffen muss.“
Yvonne Geurten, Marketing- und Kommunikationsmanagerin The Greenery

„Generell ist es wichtig – für den Handel und den Konsumenten –, dass zukünftig klar definierte Standards zur Verfügung stehen, die herausstellen, was es bedeutet, dem regionalen Klima antizyklisch angebotene Produkte zu kaufen und so ein saisonales Essverhalten eventuell zu stimulieren. Ein mögliches Messinstrument kann hier der so genannte Carbon Footprint sein, wenn er denn standardisiert ist.“
Michaela Schneider, Business Development Managerin, Fyffes BV

„Da Südfrüchte wie Bananen besondere klimatische Bedingungen erfordern, können sie nicht in Deutschland angebaut werden. Doch selbst heimisches Obst und Gemüse wird häufig in beheizten Treibhäusern gezüchtet, die erhebliche CO2-Emissionen verursachen, während Bananen in den Tropen Lateinamerikas unter freiem Himmel wachsen und dort zu geringen Emissionen führen. Chiquita Bananen werden allerdings mit dem Schiff nach Europa transportiert und führen damit zu deutlich geringeren CO2-Emissionen als beispielsweise Mangos, Papayas oder Erdbeeren, die z. T. direkt aus den Anbaugebieten eingeflogen werden.“
Ernst Schulte, Managing Director Chiquita