Tiefkühlkost Gesunder Schub

Fisch, Convenience und bewusste Ernährung prägen den Markt der Tiefkühlkost. Auch das Thema Nachhaltigkeit lässt keinen kalt.

Dienstag, 07. September 2010 - Sortimente
Susanne Klopsch

Darin waren sich die von der Lebensmittel Praxis für den Trend 2010 befragten Führungskräfte einig: Tiefgekühltes ist gemeinsam mit Obst und Gemüse die Warengruppe, bei der in diesem Jahr mit Umsatzwachstum zu rechnen ist. 2009 musste das immer mit ordentlichem Plus versehene Segment Tiefkühlkost (TK) allerdings einen kleinen Dämpfer hinnehmen: Der Umsatz ging um 1,2 Prozent auf 5,2 Mrd. Euro zurück, der Absatz um 0,7 Prozent auf 1,4 Mrd. kg (Nielsen; siehe Tabelle S. 38). Für 2010 setzen die Hersteller auf Convenience, Finger Food, Innovationen und verzichten auf Zusatzstoffe. Größere Aktivitäten löst die Fußball-WM aus, Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Ein Blick auf die Trends.

Starker Fisch, Pizza stagniert

TK Fisch hat, zumindest was den Umsatz angeht, Pizza den Rang als stärkste Produktgruppe abgelaufen. 1,12 Mrd. zu 1,07 Mrd. Euro steht es. Der Trend geht eben in Richtung bewusste Ernährung, heißt es dazu bei Costa. Und schafft weitere Absatzanlässe: „Dementsprechend etabliert sich das Thema Grillen neben Ostern und Weihnachten, denn Fischfilets und Garnelen sind für immer mehr Verbraucher eine attraktive Alternative zum Grillfleisch.“ Mit einem neuen Markenauftritt unterstreicht Costa die Positionierung als Premiummarke für Fisch und Meeresfrüchte, der Aspekt Nachhaltigkeit rückt in den Vordergrund. Im Visier haben die Emdener „etwa 10 Mio. Haushalte, vorrangig Lebensmittel-Käuferinnen, die beim Kauf von TK-Fischprodukten mehr auf die Marke als auf den Preis achten“, erläutert Geschäftsführer Egbert Zimmermann.

Auch bei Deutsche See hat man die Fisch-Konsumenten als Marken-orientierte und nicht so sehr preissensible Schicht ausgemacht. Und so blickt Steffen Neubauer, Verkaufsdirektor Einzelhandel, zufrieden auf 2009, schließlich sei es gelungen, die Listungen des Gourmetportionen-Sortiments deutlich auszubauen.

Nun sind die TK-Pizza-Markenhersteller Dr. Oetker und Wagner ja in der Vergangenheit nicht unbedingt durch Ideenlosigkeit aufgefallen. Und gerade im Jubiläumsjahr des tiefgekühlten belegten Teigfladens – vor 40 Jahren brachte Dr. Oetker mit der Alla Romana die erste TK-Pizza in den deutschen Handel – wollen die beiden Platzhirsche beim Verbraucher mit Neuem den Absatz ankurbeln. Mehr als 30 Prozent Marktanteil (Nielsen, Umsatz) hat Dr. Oetker nach eigenen Angaben.

Dass dieser noch größer wird, dafür soll die Steinofen-Pizza Tradizionale sorgen (siehe Interview mit Hans-Wilhelm Beckmann, Marketing-Manager Tiefkühlkost, LP 3). „Wir sind überzeugt, damit neue Verwender anzusprechen“, sagt Beckmann. Nämlich diejenigen, die eine knusprige Pizza mit einem unregelmäßigen, bemehlten Rand bevorzugen, die zudem aussehen soll, wie von Hand gemacht. Quasi Restaurant-Qualität. 25 Jahre alt wird 2010 zudem die Marke Ristorante Pizza. Seit 1997 ist die Sorte Salame laut Beckmann die umsatzstärkste Pizza im TK-Markt. Inzwischen gibt es 30 Sorten. Nummer 31 soll zum April in die Truhen kommen: Ristorante Salame Mozzarella Pesto.

Wagner Tiefkühlprodukte nimmt den Vorstoß der Bielefelder in Richtung Steinofenpizza gelassen und sieht im Markt noch viel Potenzial für Industrie und Handel: „Schließlich kaufen 12 Mio. Haushalte bislang noch keine Pizza“, sagt Anke Barge, Leiterin Werbung und Öffentlichkeitsarbeit. Die Saarländer sind mit 2009 sehr zufrieden, sei es doch gelungen, im leicht rückläufigen Markt sowohl den Marktanteil als auch den Umsatz zu steigern. So haben die Original Piccolinis trotz des vom Handel aufgegriffenen und mit Eigenprodukten umgesetzten Konzepts der Mini-Pizzen neue Verwender angesprochen und die Haushaltspenetration ausweiten können.

Ab März gibt es mediale Unterstützung sowie Verkostungen für die Original Wagner „Die Backfrische“, eine Pizza mit einem Boden aus natürlich gereiftem Sauerteig, der nach langer Teigruhe schonend vorgebacken wird. Eine ganz neue Zielgruppe wollen sich die Saarländer mit der Original Balance laktosefrei erschließen. Allein in Deutschland leben 15 Mio. Menschen mit Laktoseintoleranz, die bislang meist auf Pizza verzichten müssten.

{tab=Diagramm, Fisch holt auf}
TK-Markt 2009 nach Produktgruppen; Umsatz in Mio. Euro; Absatz in Mio. kg; Veränderungen gegenüber Vorjahr in Prozent.
{tab=Diagramm, Starke Verbrauchermärkte}
TK-Markt 2009 nach Vertrieslinien; Umsatz in Mio. Euro; Absatz in Mio. kg; Veränderungen gegenüber Vorjahr in Prozent.





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Hans-W. Beckmann, Dr. Oetker


Sie ist das sportliche Großereignis 2010: die WM in Südafrika. Und sie bietet Herstellern und Handel gleichermaßen Chancen für Mehrumsatz/-absatz. Exotische Rezepturen bzw. Würzungen sowie Finger Food und Grillbeilagen stehen hoch im Kurs. Es wird aber nicht immer explizit der Bezug zur WM hergestellt. Costa will zurückhaltend agieren, um eine Überflutung mit WM-Aktionen beim Verbraucher zu verhindern. Geplant sind zwei Aktionsartikel zum Grillen (u. a. marinierte Butterfly Prawns).

Auch Frost & Frisch (Bielefeld) baut das Grillsortiment aus, es passe thematisch gut zum Fußball. Dr. Oetker will mit der afrikanisch gewürzten Culinaria Pizza South African Chakalaka Style punkten (ab April). Frosta fährt mit Fertiggerichten zweigleisig: Bei „Hühner Frikassee“, „Hackbällchen Pfanne“ und „Spätzle Pfanne“ im auffälligen 900-g-WM-Pack wurde bewusst auf Exotik verzichtet. Wer diese sucht, der kann zwischen „Hähnchen Chakalaka“, „Shrimps Pfanne“ und „Hähnchen CousCous“ wählen (500-g-Beutel). Die Party-Box von Schwarmstedter enthält Mini-Kartoffel-Taschen mit Dips gefüllt (darunter die Sorte Chakalaka).

„Der Trend geht zu unkompliziertem Finger Food, daher stärken wir auch die Grillaktivitäten“, sagt Hans Mehren, Geschäftsführender Gesellschafter Snackmaster (Schwarmstedter). Gemeinsam mit dem Handel will Agrarfrost seine Backofen Pommes Frites 3 % Fett und andere als Finger Food geeignete Produkte bewerben. Mit dem verzehrfertigen Hatting Football Bun, ein Hamburger mit Fußball-Branding auf dem Brötchendeckel, geht Lantmännen Unibake das erste Mal ins Frische-Segment.

Fußballbrötchen ergänzen das Sortiment der Brezelbäckerei Ditsch: Vier fertig gebackene Laugenbrötchen, die nur aufgetaut werden müssen. Gemeinsam mit der Fleischwarenfabrik Dieter Hein (Hasbergen) bieten die Mainzer passgenau für die Fußballbrötchen entwickelten Fleischkäse und Frikadellen an.

Convenience

Gutes Handling (für Handel und Kunden), Gelingsicherheit, Genuss, angemessenes Preis-/Leistungsverhältnis: Nach Ansicht der von der LP befragen Unternehmen sind dies wesentliche Trends, die den Erfolg der Warengruppe ausmachen. Der Convenience-Trend ist ungebrochen“, sagt Egbert Zimmermann (Apetito), „so bilden Pizza, Snacks und Fertiggerichte ein enormes Marktpotenzial und stehen für rund ein Drittel des gesamten Tiefkühlumsatzes“. Für Hersteller von TK-Gerichten wie Prima Menü bedeutet dies beispielsweise auch, Zubereitung und Verzehr der Gerichte direkt in bzw. aus der Verpackung weiter zu entwickeln. Zumal es – trotz des Erfolgs von Kochshows – noch viele Konsumenten gibt, die sich an das Zubereiten etlicher Gerichte nicht heranwagen.

Apetito (Schlemmerpfanne Königsberger Klopse) und Prima Menü sehen einen Trend zur klassischen, aber modern interpretierten Küche. Und auch Backmuffel haben die Chance, durch TK-Angebote zu glänzen. So haben sich die Neuprodukte von Coppenrath & Wiese bei Vollsortimentern sehr gut entwickelt: „Mit den drei Sorten der neu eingeführten 'Feinsten Kuchen' erreichten wir im Dezember 2009 einen Marktanteil von 18,4 Prozent“, sagt Martin Möllmann, Geschäftsleitung Marketing/Vertrieb. Der Marktanteil der Marke im Segment Kuchen erhöhte sich auf 59,8 Prozent, der bei TK-Torten (über 800 g) liegt bei 94,7 Prozent. Dabei wird das Sortiment im Ganzen immer „snackiger“: Einzelne, kleinere Verzehreinheiten, die sich bequem je nach Anzahl der Esser auftauen bzw. zubereiten lassen, sind eine echte Stärke des eisigen Sortiments.

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Hans Mehren, Schwarmstedter



Silvia Seelig, Expertin für TK-Kost bei The Nielsen Company, sieht gerade bei Fisch noch eine Menge Potenzial für den Lebensmittel-Einzelhandel, der vom Megatrend Gesundheit profitieren kann.


TK-Fisch hat in den vergangenen Jahren im LEH kräftig an Konsumenten dazu gewonnen: Wird er der Pizza den Rang streitig machen? Welche Entwicklung erwarten Sie?

Silvia Seelig: Neben Gemüse profitiert TK-Fisch sicherlich am ehesten vom langfristigen Megatrend zu gesunder Ernährung. Immer mehr Verbraucher greifen zu dem – im Vergleich zu Frischfisch – auch sehr convenienten Angebot in der TK-Truhe. TK-Fisch weitet im Vergleich zum Jahr 2000 die Käuferhaushalte von 79 auf 85 Prozent aus und gewinnt somit die meisten Haushalte hinzu. Nur Gemüse erreicht mit 86 Prozent die meisten Käuferhaushalte, wobei hier die Durchsetzung bei den Konsumenten schon langfristig über 80 Prozent lag. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass man künftiges Wachstum stärker über einen vermehrten Konsum der Haushalte generieren muss. Hier liegen die Chancen für die Warengruppe TK-Fisch, denn trotz der sich verändernden Ernährungsgewohnheiten liegt der Konsum pro Käufer-Haushalt im unteren Drittel. Fisch hat im zurückliegenden Jahr im LEH > 100 qm auf Umsatzbasis die Pizza von der Position 1 im TK-Markt (ohne Speiseeis) verdrängt. Dies ist auf die preisliche Entwicklung des Angebotes zurückzuführen.

Welches Sortiment ist aus Ihrer Sicht der „Trend-Setter“ in der Tiefkühltruhe?

Die meisten neuen Trends finden sich in der Kategorie der Snacks. Wenn man sich die Entwicklung eines etwas längerfristigen Zeitraumes vor Augen führt, wurden hier die meisten neuen Marken eingeführt, die sich auch über das Produktkonzept vom bestehenden Angebot abhoben. Einführungen werden in der Regel mit hohen klassischen Werbeausgaben und Aktionen begleitet und machen den Konsumenten neugierig auf das Angebot.

Wie macht sich der demografische Wandel in diesem Sortiment sichtbar?

Die Sortimente bei den TK-Snacks sind sicherlich auf jüngere Zielgruppen ausgerichtet. Meiner Meinung nach können aber fast alle Haushalte damit bedient werden. Durch die Positionierung als kleine Zwischenmahlzeit kommen sie auch Älteren und Ein-Personen-Haushalten, die kleinere Portionen bevorzugen, entgegen. Auch für Kinder berufstätiger Eltern sicherlich eine Alternative zu Fast Food oder Vorgekochtem.

Wie wichtig sind Aktionen/Promotions?

Promotion-Maßnahmen bei TK-Snacks lagen im vergangenen Jahr bei etwas mehr als 11 Prozent des Absatzes und damit im Schnitt aller TK-Warengruppen. 80 Prozent der eingesetzten Mittel führen zu tatsächlichem Zusatzabsatz, das ist mit Abstand die höchste Effizienz bezogen auf die TK-Kategorien.

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Silvia Seelig, Expertin bei The Nielsen Company für Tiefkühlkost.



Weniger ist mehr. Und das wird auch kommuniziert. Schließlich wünschen sich nach einer repräsentativen Umfrage von TNS Infratest vom August 2009 immerhin 61 Prozent der Befragten, dass die von ihnen verzehrten Lebensmittel keine Zusatzstoffe enthalten. Vorreiter in der Branche war Frosta mit seinem Reinheitsgebot. Die Konkurrenz hat reagiert. Der bewusstere Umgang des Verbrauchers mit seiner Ernährung bietet Chancen, sich zu profilieren. So genannte Clean Label (z. B. bei Agrarfrost) dokumentieren, was eben nicht im Produkt enthalten ist. Und auch die Nische bietet Wachstumspotenzial: Bei immer mehr Menschen wird Glutenunverträglichkeit festgestellt. Für sie hat Dr. Schär mit den Marken Glutano, DS und Schär glutenfreie Produkte im Angebot. Nach Einschätzung der Südtiroler wächst der Markt etwa um 15 Prozent jährlich. Empfohlen wird, wegen der besseren Orientierung für die Betroffenen, eine Blockplatzierung.

Das Thema Gesundheit wird auch vom demografischen Wandel getrieben. „Die Käuferschicht 50+ ist stark an Gesundheit und Wellness interessiert“, sagt Peter Hermes, Geschäftsführer Lantmännen Unibake Germany. Diese Erkenntnis floss in die Rezeptur der Paneroma Frühstücksbrötchen mit ein. Sie enthalten z. B. Dinkel, Haferflocken, Honig und viele Ballaststoffe.

Nachhaltigkeit

Der schonende Umgang mit den Ressourcen ist zum Wettbewerbsfaktor geworden. Der auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt wird. Und der weit mehr ist als ein Marketingtool. Nachhaltigkeit ist Bestandteil des „Wagner Sorgfaltsprinzip“, das auf jeder Verpackung kommuniziert wird. Dazu gehörte, so Anke Barge, u.a. die Warenbeschaffung aus der Region mit dem Blick auf kurze Transportwege. Alles, was nicht hier zu Lande beschafft werden könne, werde über Lieferanten geordert, die sich zur Einhaltung klar definierter Qualitätsstandards verpflichtet hätten.

Vor allem für Hersteller von TK-Fisch-Produkten ist die Kommunikation des Aspektes Nachhaltigkeit und die MSC-Zertifizierung der Rohware ein Anliegen. Transparenz ist die Devise. Costa rückt in seinem neuen Markenauftritt mit überarbeitetem Logo und Verpackung den Aspekt Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Kommunikation: Auf der Seitenlasche befindet sich nun ein Nachhaltigkeitsversprechen. „Costa fungiert dabei als Dachmarke für die Sicherung von Qualität, Geschmack und der unbedenklichen Rohwaren-Herkunft. Von einer Marke wird schließlich ein verantwortungsvoller Umgang mit Umwelt und Ressourcen erwartet“, sagt Geschäftsführer Egbert Zimmermann. Costa auditiert dabei selbst die Rohware, die aus nachhaltiger Fischzucht stammt. Auf der Rückseite der Verpackung findet der Verbraucher Informationen zur Spezies, zur Herkunft bzw. zum Fanggebiet. Auch der Handel forciert das Thema, sagt Steffen Neubauer von Deutsche See, gemeinsam arbeite man an Konzepten.

Nachhaltigkeit wird inzwischen sehr weit gefasst und bezieht sich sowohl auf Ware und Verpackung als auch die Produktion. Prima Menü bezieht das Kartonmaterial für die Trayverpackungen ausschließlich von Vorlieferanten, die im Sinne der Leitlinien des Forest Stewardship Council (FSC) Holz aus zertifizierten FSC-Quellen beziehen. Die Produkte der Marke „Prima-Komplett-Menüs“ werden in Ein- und Zweikammer-Kartontrays verpackt, die zu 90 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden und in denen die Gerichte auch zubereitet und verzehrt werden können. Das Unternehmen deckt 2010 seinen Strombedarf durch Green Contract und spart nach eigener Aussage 1,1 Mio. kg CO2 in diesem Jahr. Der Energieverbrauch steht auch bei Coppenrath & Wiese im Visier: „Seit 2003 konnten wir diesen pro Tonne Fertigware um 18 Prozent vermindern, bis 2013 sind weitere 10 Prozent geplant“, sagt Martin Möllmann, Geschäftsleitung Marketing. Neu ist eine Broschüre, in der die Maßnahmen zur Nachhaltigkeit zusammengefasst werden, auch im Internet soll stärker auf das Thema eingegangen werden. Ehrgeizige Ziele hat Frosta: Die Bremerhavener wollen den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren (verglichen mit 2007 um 70 Prozent). Ab 2011 soll für jedes verkaufte Kilo TK-Gerichte 1 Cent in den Frosta Klimafonds fließen, der die Umstellung auf Grünstrom finanzieren und ein WWF-Klimaprojekt unterstützen soll.


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