Round Table Tiefkühlkost Schönheit muss auch bezahlbar sein

Beim ersten LP-Roundtable-Gespräch zu Tiefkühlkost ging es um die gesamte Kategorie, um die Bedeutung von neuen Produkten und deren richtiger Platzierung sowie um die Finanzierbarkeit gelungener TK-Abteilungen.
Warum ist Tiefkühlkost eines der Wachstumssegmente im Lebensmittelhandel?

Dienstag, 24. März 2020 - Sortimente
Andrea Kurtz
Artikelbild Schönheit muss auch bezahlbar sein
Bildquelle: Peter Eilers

Dr. Sabine Eichner: Ganz klar – weil TK für den Kunden nur Vorteile hat. Der Konsument, fast jeder, kauft Tiefkühlkost – wegen der Frische der Produkte, ihrer leichten Portionierbarkeit und der Möglichkeit, rasch eine Mahlzeit auf den Tisch zu bringen.


Axel Schroff: Genau, der Convenience-Gedanke steht auch für mich als Händler im Vordergrund. Kunden schätzen einfach, dass man TK immer vorrätig haben kann, dass die Artikel schon vorgeschnitten sind und so auch knappe Zeitbudgets zu halten sind.
 
Dennoch halten viele Kunden TK lediglich für eine Notlösung ...
Dr. Eichner: ... stimmt, hier müssen wir vermitteln. Den gerade die Natürlichkeit der Produkte ohne Konservierungsstoffe sind ein absoluter Pluspunkt für die Verbraucher, den wir vom dti zusammen mit den Herstellern und dem Handel weiter kommunizieren wollen. Da kommt auch der Gesundheitsaspekt ins Spiel. Eine gemeinsame Aufklärungsaktion am PoS könnte uns hier weiterbringen, denn TK kann dem Verbraucher helfen, sich einfach und gesund zu ernähren. Dabei hilft künftig natürlich auch der Nutri-Score als vereinfachte Nährwertkennzeichnung.
Gesundheit und Convenience sind aber nicht die einzigen Aspekte, die in diesem Sortiment eine Rolle spielen?
Schroff: Der Bringer bei den Fertiggerichten ist nach wie vor Pizza. Ich finde es gerade in diesem Segment immer wieder spannend, welche Innovationen es in diesem Sortiment gibt. Aber wenn ich auf Innovationen wie auf das Nomoo schaue, sehe ich in diesen Nischen, gerade für vegane Artikel, enorme Chancen.
 
Ist das die Chance für Startups und neue Marken?
Schroff: So einfach ist das ja nicht. Es gibt, außer bei Eis oder Pizza, nicht so viele Startups, weil die Logistik schwierig aufzubauen ist. In unseren Truhen herrscht außerdem sehr beschränkter Platz, wir müssen Produkte junger Hersteller aber trotzdem sichtbar machen oder diese dem Kunden erklären. Wir schaffen zwar die Frequenz, aber informieren oder Werbedruck machen müssen die Hersteller.
Marion Junge: Das war genau unsere Herausforderung, als wir 2017 mit unserem TK-Sortiment starteten. Wir brauchten für diesen Schrittwechsel einen neuen Logistikpartner; Tiefkühlkost ist hauptsächlich ein Lagergeschäft. Darüber hinaus mussten wir natürlich auch die Mengen richtig kalkulieren – gerade bei einer absolut neuen Kategorie von veganem Eis. Mit Besonderheiten wie Eis auf Cashew-Basis kann der Handel zwar punkten, aber er braucht den Mut, etwas Neues auszuprobieren und Platz dafür zu schaffen.
Christoph Freytag: Der Bio-Handel ist da übrigens aufgeschlossener als der klassische Handel, gerade wenn es um Cashew- oder Hafer-Produkte geht. Im traditionellen LEH zieht eher Soja.
Oliver Voßhenrich: Wir haben gute Erfahrungen gemacht, indem wir dem Handel bei der Einrichtung von Neuheiten-Fenstern geholfen haben. Das geht natürlich auch in TK-Truhen oder Schränken; im Sinne von Frequenz und Wiederkaufrate kann das sicher helfen.
 
Haben es regionale Produkte leichter, in die Truhen zu kommen?
Schroff: Wenn Sie wirklich, ganz eng gefasst, aus dem Umkreis von 30 oder 40 Kilometern kommen, ja. Lokalität, das ist für mich das richtige Stichwort. Damit können sich Kunden identifizieren.
 
Platzprobleme als Haupthinderungsgrund für Innovationen?
Schroff: Ja, denn wir reden ja nicht nur über den Verkaufsraum und die Truhen beziehungsweise Schränke da. Auch bei den Lagerflächen haben wir beschränkte Kapazitäten.
 
Also einerseits Platz- und andererseits Kostenprobleme?
Thomas Paulus: Eine große Herausforderung ist, dass die Sortimente deutlich schneller gewachsen sind als die TK-Flächen, die die höchsten Raumkosten im Outlet verursachen. Aus diesem Grund müssen Innovationen im Segment TK einem verschärften Wettbewerb um die Plätze bestehen, denn am Ende ist die Wirtschaftlichkeit doch meistens der Hauptentscheidungsfaktor bei der Sortimentsgestaltung.
Klaus Bartke: Von den Investitionskosten her sind wir mit den Kühlmöbeln und der Technik der Kostentreiber bei den Einrichtungen. Zunehmend nutzt der Handel das „japanische Modell“, bei dem die Kühlmöbel in die Höhe gehen, damit das nötige Sortiment präsentiert werden kann. Dadurch wird die Warenübersicht für den Endverbraucher besser. TK-Schränke sind teurer, verbrauchen etwas mehr Energie, nehmen allerdings vergleichbar (Nutzvolumen/Aufstellfläche) weniger Stellplatz im Markt ein. In eine TK-Truhe passt mehr; sie eignet sich besser für die Beutelwarenpräsentation – allerdings zulasten größerer Stellfläche.
Voßhenrich: Ist das wirklich so? In Truhen entsteht doch oft das Problem, dass ein Produkt das ganz hinten liegt und für den Kunden nicht mehr zu greifen ist, quasi schon eine Abschrift ist. Mit einem Schrank könnte ich viel kleinteiliger, schneller und flexibler sein.
 
Die Frage „Truhe oder Schrank“ ist also ganz einfach zu beantworten?
Schroff: Ja, leider. Schönheit muss auch bezahlbar sein.
Bartke: Der Trend geht trotzdem in die Vertikale Präsentation, zunehmend wird aber auch kombiniert gedacht (Vertikale- mit Horizontal- Präsentation). Verbindungen zu einfachen Kühltruhen wie für Chilled Food sind aufgrund einer Kostenersparnis natürlich gut denkbar.
Rebecca Göckel: Ich frage mich trotzdem immer, ob der Kunde lieber in eine Truhe oder einen Schrank greift. Rein persönlich denke ich, Schränke wirken attraktiver.
Sabine Weber: Unsere Hypothese ist, dass TK-Schränke eher inspirieren und Impulskäufe generieren, so dass hier auch manchmal das gekauft wird, was nicht auf dem Zettel stand. In einer Truhe muss ich schon ziemlich genau wissen, was ich wo suchen muss.
 
Sichtbarkeit ist das Stichwort?
Voßhenrich: Das ist das A&O; der Kunde sieht schon beim Vorbeilaufen das gesamte Angebot und kann seine Auswahl treffen. Wir machen sehr viele Projekte mit Vorschubsystemen gerade bei den Schränken, denn unter dem Aspekt des Category Management sind Schränke natürlich viel einfach zu planen und organisieren. Wegen des Kostenaspekts von Schränken beschäftigen wir uns aber aktuell mit besseren Einteilungen, so dass beispielsweise mehr Eis untergebracht werden kann. Allerdings muss hier auch die Rotationsgeschwindigkeit stimmen.
Schroff: Vorschubsysteme finde ich ein bisschen schwierig, weil sie sich hervorragend für Produkte der gleichen Größe wie zum Beispiel Pizza eignen, aber unserer Erfahrung nach nicht in allen Bereichen – zumindest bis jetzt – einsetzbar sind. Gerade im Convenience-Bereich gibt es so viele unterschiedliche Größen und Verpackungen von der Pappschachtel bis hin zum Beutel. Ich finde es sehr schwer, bei diesen unterschiedlichen Produkten ein einheitliches Bild hinzubekommen.
Außerdem werden auch Produkte häufig ausgetauscht; nicht jeder Trend überlebt ja. Da muss auch das Schrank-Layout flexibel sein.
 
Was ist denn für die Werbung besser?
Junge: Schränke sind aus Marketingsicht natürlich besser, weil die Verpackung als Ganzes zu sehen ist. Aber generell finde sich es bei beiden Möbelarten schade, dass sie aus Verkaufsförderungssicht zu wenig genutzt werden können. In allen anderen Kategorien wird mit Displays, Zweitplatzierungen oder Aufstellern gearbeitet, die den Kaufimpuls verstärken sollen. Zugegeben, im TK-Bereich ist das nur eingeschränkt möglich. Unser Wunsch wäre, dass bei den Möbeln, aber auch im Ladenbau neue Ideen für mehr Verkaufsförderung entwickelt werden.
Dr. Eichner: Es gibt hier bereits sehr kreative Händler, die mit ihren Ideen sehr erfolgreich sind. Das zeigen vor allem auch die Gewinner des Wettbewerbs Tiefkühlstar. Meist stehen die im guten Dialog mit den Herstellern, den Ladenbauern und den Technikausstattern sowie Kältemöbelherstellern. Unser gemeinsames Ziel sollte ja sein, wie bekommen wir die wichtigsten Informationen über das Sortiment TK und seine Vorteile an den Kunden. Hier spielt auch der Faktor Mensch eine große Rolle; die Verantwortlichen für die TK-Abteilungen haben oft die besten Ideen und setzen diese auch professionell um.
 
Welche Ideen sind denn aus Herstellersicht besonders erfolgreich?
Judith Petit: Verkostungen vor allen Dingen, aber auch Werbemittel für Schränke und Truhen, die direkt dort angebracht werden können. Hier kommt es aber in der Tat auf die Zusammenarbeit zwischen Händler und Außendienst an. Wir als Hersteller sind quasi in der Pflicht, hier kreativ zu sein und Werbemittel zu entwickeln, die dem Handel einen Mehrwert bringen. Dabei gehen wir derzeit auch in die digitale Technik, beispielsweise über NFC. Es ist unsere Aufgabe, hier immer weit vorn zu sein.
Göckel: Wir haben mit einer selbstklebenden Folie bereits experimentiert, hatten aber das Gefühl, der Kunde wünscht diese intensive Form der Werbung gar nicht. Wir finden Verkostungen hier viel persönlicher, dann kommt so ein Grundrauschen hinein.
Freytag: Wir machen gute Erfahrungen einfach mit Produktabbildungen, die in der Nähe angebracht werden.
Weber: Wir haben jetzt bei Verkostungen mit der Zubereitung im Air Fryer angefangen, da wird der Kunde nicht nur neugierig auf diese neue Zubereitungsart für Pommes, sondern auch auf das innovative Gerät, das knusprige Pommes-Qualität in noch kürzerer Zeit liefert.
Dr. Eichner: Hier könnte der Handel doch auch seine Zusammenarbeit mit der Gastronomie neu denken, denn auf den Gastro-Flächen sind ja Kombidämpfer oder ähnliches schon im Einsatz.
 
Und aus Handelssicht?
Schroff: Ich bin kein Freund von Werbemitteln an Truhen oder Schränken; ich versuche auch überall im Markt, die Zahl der Displays etc. zu reduzieren. Das ist mir oft zu unruhig. Aber das richtige Stichwort ist schon gefallen: Digitalisierung. Wenn uns eine Emotionalisierung über die Digitalisierung gelingt, über Film zum Beispiel, können wir gerade bei den Trends wie vegan viel erreichen. Da würde wir als Handelspartner möglicherweise auch die Hardware stellen, denn dann haben wir das Gesamtkonzept für Ladenbau und Sortiment in der Hand.
Göckel: Einer der wichtigsten Hebel ist neben kreativen Werbeideen, die die meisten Händler gar nicht wollen, der persönliche Faktor. In unserem Fall müssen die Tiefkühlverantwortlichen wissen, wie das Eis schmeckt, sie müssen bestenfalls die Geschichte und Mission dahinter kennen. Denn dann sind sie ganz anders für das Produkt engagiert, sorgen dafür, dass es pünktlich nachbestellt, gut platziert und ordentlich eingeräumt ist.
 
Ist eine gemeinsame Kommunikation der Branche denkbar? Zu welchen Themen?
Dr. Eichner: Das ist unsere Aufgabe beim dti und wir arbeiten daran, die Vorteile von TK für eine gesunde Ernährung, Nachhaltigkeit, Food Waste oder Recyclingfähigkeit der Verpackungen in der Branchenkommunikation nach vorn zu stellen. Auch als Vorreiter beim Nutri-Score geht die Branche innovativ voran.
Paulus: Für uns bei Nestlé-Wagner sind das wichtige Anliegen. Wir sind bei fast 100 Prozent, was die Recycling-Fähigkeit unserer Produkte angeht. Außerdem nutzen wir seit Januar den Nutri-Score für eine verbesserte Orientierungsmöglichkeit der Verbraucher. Diese Themen werden zukünftig noch stärker in unsere Kommunikation integriert. Unser Ziel ist es, dass der Verbraucher noch bewusster entscheiden kann.
Schroff: Aber Achtung, all diese Informationen sind für den Verbraucher on top wichtig, ausschlaggebend sind aber nach wie vor Preis und Geschmack sowie die Glaubwürdigkeit eines Produktes bis hin zu seiner Verpackung.