Interview mit Frank Kleiner „Wir sind Bäcker und Logistiker“

Mit seinem Frischdienst hat Harry-Brot in Schenefeld die Belieferung des Handels komplett in eigener Hand. Warum er beim Thema Salz gelassen bleibt, und welche Chancen neue Anlieferzeiten bieten, dazu Frank Kleiner, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing.

Donnerstag, 21. Februar 2019 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild „Wir sind Bäcker und Logistiker“
Bildquelle: Frederik Röh

In der öffentlichen Diskussion ging es bei Brot in den vergangenen Monaten ja eigentlich immer nur um das Thema Salz, die Mitschuld der Lebensmittelhersteller am Übergewicht in Deutschland und die Reduktionsstrategie von Ministerin Julia Klöckner. Macht Brotbacken da eigentlich noch Spaß?
Frank Kleiner: Na sicher macht den Harry-Bäckern das Brotbacken weiterhin Spaß! Aber es stimmt, die Diskussionen um Nahrungsmittel sind in der Tat herausfordernd. Unser Vorteil ist, dass wir bei Brot und Brötchen mit sehr ursprünglichen Rohstoffen und Zutaten arbeiten. Die Debatte um Salz als ein Baustein ist auch nicht wirklich neu. Dem stellen wir uns seit Beginn. Im Unternehmen wird seit vielen Jahren an einer vertretbaren Anpassung gearbeitet. Die Herausforderung ist am Ende, die Produktqualität, den Geschmack und die Frische für den Verbraucher weiterhin zu gewährleisten.

Was bedeutet die „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ konkret für Harry-Brot?
Wir sind dabei, den Salzgehalt sukzessive und in Abhängigkeit vom Produkt umzusetzen. Bei einem reinen Weizenbrot zum Beispiel spielt das Salz für den Geschmack eine wichtigere Rolle als etwa im Vollkornbereich. Aus unserer Sicht kann man die Geschmacksprofile beim Verbraucher nur in kleinen Schritten ändern.

Wie sieht Ihr Fahrplan aus?
Über den Verband der Großbäcker gibt es Empfehlungen, nach denen wir arbeiten. Sie sind richtungsweisend für die Markenprodukte. Für die Eigenmarken des Handels gelten unter Umständen nochmals andere Vorgaben, die wir bilateral besprechen. Der Plan von Ministerin Klöckner sieht eine Frist von 24 Monaten vor. Wir haben aber schon das Ziel, nach 12 Monaten soweit zu sein. Schließlich haben wir ja bereits vorausschauend Vorarbeit geleistet.

Sie meinen damit die Salzreduktionen, die Sie in den vergangenen Jahren sukzessive umgesetzt haben?
Lag der Salzgehalt vor Jahren noch bei 1,6 Prozent, haben unsere Brote heute in der Regel nur noch 1,2 Prozent Anteil und darunter. Weizen- kleingebäcke wie Weizenbrötchen haben noch einen Salzgehalt von bis zu 1,5 Prozent. Aber auch hier konnten wir bereits Erfolge durch den Einsatz von Natursauerteig und geschmacksintensiveren natürlichen Zutaten erzielen.

Diese Reduktion soll ja freiwillig geschehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies doch, dass nicht alle nach den gleichen Regeln produzieren – was bedeutet das für den Wettbewerb?
Ich gehe davon aus, dass die Großbäcker die Verbandsempfehlungen anerkennen und nutzen. Die Frage ist, wie sich das Handwerk verhält. Wir von Harry können uns mit den Zielen, die politisch und seitens des Handels an uns herankommen, identifizieren und halten eine Umsetzung auch für möglich. Nichtsdestotrotz sehen wir immer auch Einzelfallentscheidungen. Denn nichts ist schlimmer, als wenn das Brot unseren Kunden am Ende nicht mehr schmeckt.

Werden diese Bemühungen denn irgendwann kontrolliert?
Das ist ja gerade die Crux. Es wird bei dieser ganzen Initiative von Frau Klöckner überhaupt nicht darüber gesprochen, wie die freiwilligen Bemühungen der Lebensmittelhersteller nachgehalten werden. Überspitzt formuliert: Wir tun Gutes, und wissen aber gar nicht, ob und wie das gewürdigt wird. Beim Verbraucher liegt Salz nicht wirklich im Fokus seiner Gesundheit. Dass er nicht zu viel Fett und Zucker zu sich nehmen soll, das weiß der Verbraucher ziemlich genau. Der Salzkonsum hingegen ist im Bewusstsein wenig verankert. Aber: Ich verstehe natürlich Auftrag und Zielsetzung. Und was wir dazu beitragen können, werden wir tun.

Und wenn Sie die Rezepturen für Ihre Produkte umformuliert haben, dann dürfen Sie das nicht einmal kommunizieren, weil die Health-Claims-Verordnung enge Grenzen setzt – oder sehe ich das falsch?
Das ist richtig. Aber, ganz ehrlich, „salzarm“ klingt ja auch nicht einmal verkaufsfördernd! Gegenüber den Verbrauchern ist das Thema Salz wohl kaum ein Kommunikationsschwerpunkt. Wir müssen nach wie vor, egal ob mit 1,0 oder 1,2 Gramm Salz, jeweils das beste Produkt für die jeweilige Kategorie liefern und Trends setzen beziehungsweise aufgreifen.

Nach Zahlen der GfK schrumpften die Umsätze mit Brot und Backwaren im vergangenen Jahr: Wie hat sich Harry-Brot entwickelt?
Der Markt schrumpft im LEH, ganz klar. Wir haben bei Harry zum Glück einen entgegengesetzten Trend: Wir sind im vergangenen Jahr um drei Prozent gewachsen. Die Zielmarke von Einer- Milliarde-Euro Umsatz haben wir damit übersprungen. Das ist ein Riesenerfolg für uns Harry- Bäcker.

Welche Bereiche wuchsen besonders?
Das Schöne ist, dass wir über alle Bereiche gewachsen sind: sowohl bei der SB-Ware als auch im Bereich Prebake und bei den Handelsmarken. Betrachtet nach Segmenten, geht im SB-Regal der Trend zum Sandwich. Und da auch immer stärker zu Spezialitäten innerhalb der Range, beispielsweise Varianten mit Dinkel oder Chia. Diese Produkte sind sehr gut eingeschlagen und haben ab Einführung eine hohe Akzeptanz beim Verbraucher.

Wie sieht es beim Schnittbrot aus?
Der Schnittbrot-Markt hat im vergangenen Jahr eine leichte Seitwärtsbewegung gemacht. Wir wachsen aber auch dort. Nehmen Sie „Unser Mildes“, ein klassisches Weizenmischbrot, das mit elf Prozent im vergangenen Jahr zweistellig gewachsen ist. Der Verbraucher sucht Abwechslung bei Sorten, aber auch bei kleineren Packungen. Alles das bieten wir ihm. Ich führe diese positive Entwicklung zudem auf unseren Vertrieb zurück: Die frischen Brote werden innerhalb von 24 Stunden durch unseren Frischdienst täglich direkt in die Märkte geliefert. Dort wo Brot und Backwaren im Vollsortiment gedacht werden und wir die Hand am Regal haben, sehen wir das Wachstum.

Wo sehen Sie denn noch Wachstumschancen?
Wir sehen Wachstum sowohl bei SB als auch bei Prebake. Premium und Handwerklichkeit sowie Special interest sind hier die Themen. Denken Sie an Eiweißbrote. Vor ein paar Jahren gestartet, entwickelte sich eine Mode zu einem Trend mit sehr treuen Konsumenten.

Und wie sieht es bei Prebake aus?
Die Trends sind die gleichen: Natürlichkeit, handwerkliche Optik und kleine Einheiten. Vor zehn Jahren war das Standard-Prebake-Brot 750 Gamm oder ein Kilogramm schwer. Heute liegen die Produktneuheiten zwischen 600 und 400 Gramm. Diese Kleinbrote laufen super. Bei den Brötchen sucht der Verbraucher das handwerklich-anmutende Produkt. Unser Rosenbrötchen ist dafür das beste Beispiel. Unterm Strich bedeuten diese Produkte für den Handel mehr Wertschöpfung. Denn der Verbraucher ist heute bereit, für ein optisch reizvolles Brötchen aus der Backstation 30 bis 60 Cent zu zahlen. Unser Ziel ist es, die Backtechnologie permanent weiterzuentwickeln, um handwerkliche Kunst vollautomatisch auf großen Anlagen umzusetzen.

Wie wichtig sind da Innovationen?
Sehr wichtig! Die Hälfte unseres Markenplus im vergangenen Jahr ist aus den neuen Produkten entstanden. Aber wie wir am Weizenmischbrot „Unser Mildes“ sehen, ist ordentliches Wachstum auch durch Standardartikel möglich. Die neuen Produkte nehmen eben nicht etwas weg, sie setzen auch etwas oben drauf. Das gilt für das Dinkelvollkornbrot genauso wie für das Chia-Balance-Sandwich und den Krusti-Burger. Innovationen beziehen wir bei Harry aber nicht nur auf neue Produkte.

Worauf denn noch?
Ebenso wichtig sind neue, innovative Backtechnologien. Nehmen Sie als Beispiel Rosenbrötchen für das Prebake-Geschäft. Das bedeutet nicht nur neue Optiken, sondern auch neue Qualitäten. Wir denken nicht nur in Rezepturen, sondern auch technologisch. Mit derart innovativen Produkten lassen sich in der Prebake-Station durchaus Preise wie beim Filialbäcker realisieren. Das schafft eine Win-win-Situation für Handel und Hersteller.

Das heißt aber Investitionen.
Die Innovationsfreude ist eine große Stärke des Unternehmens! Jährlich werden mehr als 50 Millionen Euro für neue Backlinien, Technologien sowie die Modernisierung von Betrieben und Prozessen aufgewendet. In dieser Permanenz und Nachhaltigkeit sehen wir die langfristige Vorwärtsstrategie des Unternehmens.

Wie gehen Sie mit dem Thema Verpackung um?
Die Verpackung ist für uns immens wichtig, denn im SB-Regal ist sie der „Türöffner“ zum Produkt. Da der Verbraucher sein Brot sehen will, ist es für uns undenkbar, sich von der transparenten Kunststoffverpackung zu verabschieden. In der Kombination mit dem notwendigen Schutz des Produkts ist die Monofolie aus Polypropylen deshalb für die meisten unserer Produkte derzeit die beste Lösung. Aber wir sind offen für und stets auf der Suche nach weiteren Verbesserungen. Aktuell arbeiten wir daran, den Materialeinsatz bei Verpackungen um rund 14 Prozent zu reduzieren. Ein maßgeblicher Schritt in die richtige Richtung.

Frischdienstgeschäft bedeutet Zeitdruck, bedeutet besondere Anforderungen an Fahrer und Fahrzeuge. Und das im Umfeld von Maut, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Was bedeutet das derzeit für Ihr Unternehmen?
Sie haben das alles gerade als Herausforderung aufgezählt – ich sehe diese Punkte für uns als Riesenstärke! Wir haben Mitarbeiter mit hoher Loyalität, eine geringe Fluktuation und sind in der Lage, trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen einen guten Frischdienst zu garantieren. Natürlich kostet das. Die Harry-Frischdienst-Lkw sind zum großen Teil mautpflichtig. Die Weitergabe von Kosten versuchen wir durch die Steigerung von Effizienzen aufzufangen, etwa mit dem Fahrertraining für weniger Spritverbrauch. Das ist nicht immer einfach, aber wir sehen auch, dass wir in der Lage sind, die Umstände zu beeinflussen.

Die Fahrer der Frischdienst-Lkw heißen bei Ihnen Verkäufer. Diese müssen Sie ja auch erstmal an sich binden können.
Natürlich ist es nicht einfach, gute Verkäufer zu finden. Wir erkennen gute Vertriebler und bilden sie für ihre Tätigkeit aus, damit sie im Frischdienst unterwegs sein können. Sie sind loyale Mitarbeiter von Harry. Auch das schafft Bindung. Wir investieren, um nicht abhängig von Fremdlogistikern zu sein. Grundsätzlich haben wir die Logistik selbst in der Hand. Das ist strategisch ein Vorteil. Und aus meiner Sicht wird er immer bedeutender.

Wie viele Frischdienst-Lkw sind für Sie unterwegs?
Für uns sind 900 Lkw im Einsatz. Mit Vertretungen gerechnet, sind rund 1.400 Mitarbeiter sechs Tage die Woche damit beauftragt, Harry-Brote auszuliefern. Die Fahrzeuge werden zudem bei uns gewartet. Unterm Strich haben wir also zwei Kernkompetenzen: Wir können backen, und wir können Logistik.

Reicht das, um Mitarbeiter zu halten?
Es ist richtig, dass wir uns mit neuen Arbeitszeitmodellen beschäftigen. Harry-Verkäufer zu sein, ist ein anstrengender Job. Und ich glaube nicht, dass man den bis zum Alter von 70 Jahren machen kann. Also versuchen wir, das Umfeld für Bewerber, aber auch für die bestehenden Mitarbeiter attraktiver zu gestalten. In diesem Zusammenhang denken wir etwa über neue Liefersysteme und -konzepte nach.

Was meinen Sie konkret damit?
Damit meine ich etwa veränderte Anlieferzeiten im Handel, mit dem Ziel, eine Win-win-Situation für den Handel und im Endeffekt auch für den Verbraucher zu schaffen. Was nützt es, wenn unsere Ware morgens um 7 Uhr auf der Rampe steht, der Händler, sofern er selbst verräumt, aber keine Kapazitäten hat. Wir sind mit einzelnen Kunden daher im Gespräch über Spättouren, andere sind an der Abendlieferung interessiert. Das ist natürlich eine Herausforderung, aber wir haben ja mehr als 40 Vertriebsstellen und können von dort aus regional gut beliefern. Ich denke, bei diesem Thema wird sich in den nächsten Jahren noch viel tun.

Zur Person Frank Kleiner

Frank Kleiner ist seit April 2018 Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing bei Harry-Brot in Schenefeld bei Hamburg. Er ist in dieser Funktion Nachfolger von Hans-Jochen Holthausen, der diese Position 25 Jahre innehatte. Frank Kleiner war bis 2013 als Vorstand der Lieken AG für den Vertrieb LEH verantwortlich. Anschließend war er Gesamt-Geschäftsführer für Europa & Asia/Pazific des internationalen Backwarenkonzerns Aryzta AG.