Interview mit Karl-Heinz Johnen und Norbert Weichele Das wird fruchten

Zentis plant für die Zukunft auf drei Standbeinen mit dem internationalen B2B-Geschäft der Fruchtzubereitungen, den eher national ausgerichteten Bereichen Konfitüren sowie Süßwaren. Ein Blick voraus mit den Geschäftsführern Karl-Heinz Johnen und Norbert Weichele.

Donnerstag, 30. August 2018 - Sortimente
Dieter Druck
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125 Jahre im Rücken und das kommende Jahrzehnt im Blick: Wohin geht die Reise bei Zentis?
Karl-Heinz Johnen: Wir haben einen Strategieprozess gestartet und uns bis zum Jahr 2025 Ziele definiert. Natürlich blicken wir dabei wie andere Unternehmen der Lebensmittelbranche zum Beispiel auf einen expandierenden Markt in Asien und sind dort für unser B2B-Geschäft der Fruchtzubereitungen auf der Suche.

Bereits fündig geworden?
Norbert Weichele: Nein, da gibt es bislang noch nichts Konkretes. Aber China steht selbstverständlich weit oben auf unserer Agenda und ist trotz möglicher Einschränkungen und Unwägbarkeiten sehr attraktiv. Auch Vietnam wäre ein mögliches Expansionsziel im asiatischen Raum. Wir sondieren noch.

... auch in Osteuropa?
In Polen sind wir schon seit Beginn der 90er-Jahre aktiv, und natürlich haben wir auch Überlegungen, durch eine Übernahme im russischen Markt weiter voranzukommen. Dieser ist nach wie vor interessant und für uns relevant.

1893

Am 20 Juni des Jahres gründete Franz Zentis eine Kolonialwarenhandel in Aachen, die Wurzeln des Familienunternehmens.

In Amerika ist Zentis schon länger präsent. Hat sich mit der Präsidentschaft Donald Trumps viel verändert?
Johnen: Wir sind in den USA mit drei Standorten vertreten, produzieren vor Ort und exportieren wenig in die USA. Die Wettbewerber dort haben die gleichen Bedingungen, zum Beispiel bei der Rohwarenbeschaffung. Und ohne das Ganze jetzt auch an der Person Donald Trump aufzuhängen, wir haben durch die Steuerreform profitiert ebenso wie durch ein deutlich verbessertes Konsumklima.

Welche Perspektiven tun sich für den Traditionsstandort Aachen auf?
Das ist die Keimzelle unseres Familienunternehmens. In Aachen startete Anfang 1960 die Produktion der Fruchtzubereitungen für die Milchverarbeiter, die heute für 73 Prozent unseres Gruppenumsatzes (2017: 669 Millionen Euro) steht und noch verschiedene internationale Expansionsmöglichkeiten bietet. In diesem Bereich sind wir in Deutschland die Nummer 1 und in Europa sowie weltweit die Nummer 2. Produktion und Produktentwicklung sind in Aachen auf neustem technischen Stand, es ist gemessen an der Tonnage der größte Fruchtzubereitungsstandort der Welt.

Gilt das auch für die Konfitüren, die sich ja eher in einem nationalen Umfeld bewegen?
Weichele: Für den Bereich Konfitüren sowie für die Süßwaren gilt Gleiches. Hier haben wir vor Jahren eine neue Produktion in Aachen aufgebaut, kontinuierlich investiert und wie bei den Fruchtzubereitungen schon frühzeitig Produktionsschritte optimiert, automatisiert und digitalisiert. Über die Jahre gesehen investieren wir jährlich rund 10 Millionen Euro in den Standort, in der Gruppe sind es mehr als 20 Millionen Euro.

Bei den Fruchtzubereitungen ist die Internationalisierung die Triebfeder. Was treibt den Konfitürenmarkt?
Internationalisierungseffekte treten beim Konfitürengeschäft in den Hintergrund. Investitionen in ausländische Märkte hätten kaum Aussichten auf eine Amortisation in einem akzeptablen Zeitraum. Darüber hinaus treffen wir dort oftmals auf Qualitäten, die deutlich unter unseren Standards und Ansprüchen liegen, die wir aber bei den dort gegebenen Preisstrukturen auch nicht durchsetzen könnten.

Macht das Konfitürengeschäft denn im heimischen Markt Spaß?
Johnen: In Deutschland ist es ein stabiler, traditioneller und inzwischen, bedingt durch neue Anbieter, sehr wettbewerbsintensiver Markt. Herausforderungen sind der bröckelnde Status des Frühstücks als Mahlzeit und die stärkere Ansprache jüngerer Verwender. Dennoch, wir entwickeln uns gut. Der Relaunch kommt bei den Verbrauchern an. Insbesondere die Marken „Sonnen Früchte“ und „75 % Frucht“ tun sich positiv hervor.

Mit „Heimische Früchte“ hat Zentis den Aspekt Regionalität aufgegriffen. Trägt dieser Trend noch im Konfitürenumfeld?
Die Linie haben wir aus dem Sortiment genommen, weil wir auf vielfältige, unterschiedliche Interpretationen des Attributs „regional“ bei unseren Handelspartnern getroffen sind, die einer nationalen Vermarktung entgegenstanden. Aber wir werden die Range im Aktionsgeschäft weiter führen. Da wir die Früchte dafür hauptsächlich aus dem Bodenseegebiet und Baden beziehen, erwarten wir vor allem gute Absätze im Süden und Südwesten.

Welche anderen Trends sehen Sie? Und wie tragfähig schätzen Sie diese ein sowohl im Sektor der Fruchtzubereitungen als auch bei den Konfitüren?
Weichele: Bio, gentechnikfrei, vegan / vegetarisch, Clean Label wären hier sicherlich als Beispiele zu nennen. Die Frage, wie lang solch ein Trend anhält oder wie lang er marktrelevant ist, ist schwer zu beantworten. Allgemein verkürzen sich die Produktzyklen, und gewisse Trends sind getrieben durch kompetitive Märkte entsprechend kurzlebiger, wobei die Handelsmarken zunehmend mitmischen. Die sind vor allem schneller im Regal, weil sie strategischer Ansatzpunkt und Differenzierungsinstrument für die Händler sind.


Wie weit beschäftigt Sie die anhaltende Diskussion um Zucker?
Johnen: Die breite Diskussion hat aus meiner Sicht einen fast schon erzieherischen Charakter mit dem Tenor, „Zucker tut uns generell nicht gut“. Er steht aber auch für Genuss, Geschmack und beispielsweise Haltbarkeit. Natürlich setzen setzen wir uns damit auseinander und können Zuckeralternativen bieten, die aber geschmacklich ausbalanciert werden müssen, wie das Beispiel Stevia gezeigt hat.

Was zeichnet sich denn für das anstehende Saisongeschäft ab, das dritte Standbein von Zentis?
Auch das ist eine feste Größe. Die Entwicklung ist positiv. Über die zurückliegenden drei Jahre gerechnet, sind wir mit den Saisonartikeln, und dabei vornehmlich Marzipan, um rund fünf Prozent gewachsen.

Daten und Fakten

Die Zentis GmbH & Co. KG befindet sich seit der Gründung 1893 durch Franz Zentis in Familienbesitz, mit 13 Gesellschaftern in der fünften Generation. Vier Familienmitglieder und drei Externe bilden einen Beirat, der die Geschäftsführung berät und kontrolliert. Der Konzernumsatz betrug im vergangenen Jahr 669 Millionen Euro. Die Sparte Fruchtzubereitungen für die Milchindustrie trug dazu 72,7 Prozent bei, auf süße Brotaufstriche entfielen 13,8 Prozent und auf die Süßwaren 5,7 Prozent. Fruchtprodukte für die Weiterverarbeitung in der Back- und Süßwarenindustrie steuerten 5,7 Prozent zum Umsatz bei. Die Exportquote lag 2017 bei 61 Prozent. Insgesamt waren im Jahresdurchschnitt 2.001 Mitarbeiter beschäftigt, mehr als 1.110 davon am Stammsitz in Aachen. Darüber hinaus gibt es eine Niederlassung in Russland, je ein Werk in Polen und Ungarn sowie drei Produktionsstandorte in den USA.

Das Weihnachtsgeschäft ist schon gelaufen. Wie war die Order von Handelsseite?
Es gibt ja eine gewisse Bandbreite bei den Bestellungen, aber wir bewegen uns auf dem Wachstumsniveau der Vorjahre und legen weiter zu.

Wie weit sind die bei der ISM in Köln vorgestellten Ganzjahresartikel gediehen?
Weichele: Das in Köln präsentierte Cerealienkonzept „My-Corn Cereal Snack“, das erste Cerealien-Snacking-Produkt aus dem Hause Zentis, kommt in diesen Tagen in den Handel. Wir werden das Angebot der Ganzjahresprodukte ausbauen und auf der kommenden Süßwarenmesse in Köln Neues vorstellen.

Große Lebensmittelkonzerne straffen ihr Portfolio, geben Sortimente ab und konzentrieren sich auf ihre Kernkompetenzen. Denkt man bei Zentis auch in diese Richtung?
Wir denken nicht daran und werden die drei Geschäftsbereiche weiterführen und sehen dafür Perspektiven. Noch anfügen kann ich, dass wir in Deutschland bei den klassischen Marzipanprodukten Marktführer sind und bei Konfitüren die Nummer 2 im Absatzranking.

Zum Schluss noch ein persönlicher Rückblick, Herr Johnen. Haben Sie die Entscheidung für Zentis bereut, hätten Sie die Chance zum Aussscheren gehabt?
Johnen: Es war schon einiges vorbestimmt. Ich wollte auch nicht ausscheren, und so habe ich zwei Leben bei Zentis gelebt. Ein Mal in der Ära meines Vater und dann ab 1995 als verantwortlicher Firmenchef. Rückblickend kann ich zusammenfassen: Ich bereue nichts. Das ist aber nicht als überzogene Selbstzufriedenheit zu deuten.

Wann wird der nächste Generationswechsel vollzogen?
Der ist quasi schon in die Wege geleitet. Die nächste Generation sitzt in Person von Norbert Weichele bereits hier am Tisch

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