Salzgehalt des Brotes Abgewogen

Das Thema Salz beschäftigt die backende Branche weiterhin. Ministerin Julia Klöckner hat aber etwas Dampf aus dem Kessel geholt, setzt auf Innovation statt Reduktion. Und spricht mit der Branche.

Donnerstag, 09. August 2018 - Sortimente
Susanne Klopsch
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Bildquelle: Getty Images, Peter Eilers, Carsten Hoppen

Innovation statt Reduktion: Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat die im vergangenen Jahr von ihrem Vorgänger, Christian Schmidt (CSU), initiierte Reduktionsstrategie für Zucker, Salz und Fett in verarbeiteten Lebensmitteln weitergedreht (siehe Interview Seite 46). Das Ziel bleibt das gleiche: Die Bundesbürger sollen sich gesünder ernähren – Übergewicht, Bluthochdruck, Fettleibigkeit oder Diabetes sollen auch auf diesem Weg bekämpft werden. Das Thema hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Klöckner betonte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa im April aber auch: „Ich will weder Geschmackspolizei sein noch jemandem vorschreiben, was er täglich essen soll.“ Da sei in einer freien Gesellschaft jeder selbst verantwortlich: „Aber mit besseren Informationen auf der Verpackung und Ernährungsbildung will ich den Rahmen schaffen, dass man leicht eine gesunde und gute Wahl treffen kann.“

Für die backende Branche von besonderem Interesse ist das Thema Salzgehalt des Brotes. Schon 2011 hat die Europäische Union (EU) den zu hohen Salzgehalt im deutschen Brot moniert. Das Thema ist für die Branche also nicht neu – und sie hat auch schon viel früher als die Politik reagiert: Schon seit einigen Jahren ist sie dabei, den Salzgehalt im Brot sukzessive zu reduzieren (siehe auch Lebensmittel Praxis 3/2018). Dabei geht es immer um den Spagat zwischen Gesundheit, technologischer Machbarkeit und Geschmack. Die Branche hat in den vergangenen zwei bis drei Jahren den Salzgehalt in Brot und Brötchen sukzessive gesenkt, wie eine LP-Umfrage Anfang des Jahres bei Herstellern und Handel zeigte.

„Verschiedene Mitgliedsfirmen sind Pioniere, denn sie erforschen und entwickeln seit Jahren unterschiedliche Wege zur Salzreduktion in Brot- und Backwaren“, sagt denn auch die Präsidentin des Verband deutscher Großbäckereien, Ulrike Detmers, „Produkte des täglichen Verzehrs liegen bei 1 bis 1,4 Gramm Salz pro 100 Gramm.“ Der VDG begrüße pragmatische Ernährungsdiskurse, da diese ein Vehikel zur Förderung eines kritischen Verbraucherbewusstseins seien. „Last but not least geht’s auch darum, gesundheitsbezogene Eigenverantwortung immer wieder quasi zu erotisieren, damit die Kosten für Gesundheit bezahlbar bleiben“, sagt die Verbandspräsidentin.

Als Erfolg ist es in jedem Fall zu bewerten, dass es Ministerin Klöckner gelungen ist, das Bäckerhandwerk mit ins Boot zu holen. Dessen abwehrende Haltung hatte für Unruhe gesorgt, Branchenvertreter hatten in der LP Anfang des Jahres von ungleichen Wettbewerbsbedingungen gesprochen, wenn Handwerksbäcker außen vor blieben bei der Reduktionsstrategie.

Eines hat sich aber nicht geändert, egal ob das Projekt nun den Namen Reduktion oder Innovation trägt: die Freiwilligkeit. Für Lena Sinnack, Mitglied der Geschäftsleitung bei Sinnack Backspezialitäten, bleibt das der große Knackpunkt der Regelung: „Wir befürworten gesetzliche Vorgaben, die für alle gelten. Nur so lässt sich das Ziel, den Salzkonsum in der Gesellschaft zu reduzieren, auch erreichen. Wer sich derzeit nicht an die freiwilligen Vorgaben hält, hat momentan einen klaren Wettbewerbsvorteil. Darum sind wir nicht von freiwilligen Regelungen überzeugt.“

Mestemacher-Gesellschafterin und Markenverantwortliche Ulrike Detmers sieht diese Herausforderung schon fast sportlich: „Viel interessanter sind doch die Wettbewerbsvorteile, die Pioniere einsacken können. Die Big 5 der Handelskonzerne sind doch bereits weiter als die Regierung und die EU.“ Und in der Tat: Neben den Großbäckern haben sich auch Rewe, Aldi, Lidl schon seit geraumer Zeit mit dem Thema Salzreduktion beschäftigt. Wobei der Ansatz des Handels für seine Eigenmarken nicht nur Salz umfasst, sondern daneben die Reduktion von Fett und Zucker in ein ganzheitlich orientiertes Konzept eingeflossen sind. Mitte Juni stellte die Edeka nun auch ihr Konzept vor: Bis zu 30 Prozent haben die Genossen nach eigenen Angaben bereits den Salzgehalt in mehr als 150 Produkten reduziert. Im Blick seien aber auch die Energiedichte eines Produkts, die Zusammensetzung der Fette, der Gehalt von Kohlenhydraten sowie Zusatzstoffen. Fachkundiges Personal vor allem in Frischeabteilungen, 2.000 speziell geschulte Ernährungsberater, eine Informations-Offensive in den Social-Media-Kanälen: Der Kunde soll sich bei Edeka über gesunde Ernährung auf allen Ebenen informieren können.

Mitte Juli präsentierte Kaufland sein Ziel: durchschnittlich 20 Prozent weniger Zucker, Salz und Fett bei rund 300 Eigenmarkenartikeln bis zum Jahr 2021. „Dabei betrachten wir die Inhaltsstoffe im Dreiklang und legen den Fokus, wo immer möglich, auf eine gesamtheitliche Reduktion“, sagte Stefan Bachmann, Leiter Kaufland-Marken-International. „Für uns erfolgt das als Reinreduktion, den Einsatz von Ersatzstoffen schließen wir konsequent aus.“

Um wie viel Prozent kann das Salz im Brot reduziert werden, ohne dass die Konsumenten dies monierten? Im Rahmen einer Studie ging die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) unter anderem dieser Frage nach (siehe auch LP-Heft 3/2018). Und siehe da: Ein Toastbrot mit zehn Prozent weniger Salz schmeckte im Test und gefiel auch von der Konsistenz. Wie sich im Produktionsprozess erfolgreich Salz reduzieren lässt, wurde ebenfalls erkundet. Dabei zeigte sich: Es gibt durchaus Technologien, die bei Marktteilnehmern nicht so bekannt sind (siehe auch: www.dlg.org/studie_salz_zucker_fett).

Bei der ganzen Diskussion darf eines nicht vergessen werden: Neben texturbildenden Eigenschaften sorgt Salz für Geschmack im Brot. „Ein vollständiger Verzicht ist also nicht möglich“, sagt etwa Hans N. J. Matthijsse, CEO der Lieken AG. Geschmacklich kann sicher einiges durch eine veränderte und ausgefeilte Teigführung aufgefangen werden, „da diese Geschmacksnuancen herausarbeitet, die eine Salzreduktion zulassen“, wie Christina Köstler betont, Marketingleiterin bei Delifrance Deutschland. Für Karina Alikhan, Marketingleiterin Harry-Brot, „sind die Grenzen da gesetzt, wo der Verbraucher unsere Produkte als fade empfindet, gegebenenfalls mit gesalzener Butter nachsteuert oder die Produkte im schlimmsten Fall ganz ablehnt.“ Die auf lange Sicht angelegte Vorsorgemaßnahme der Bundesregierung sei dem Verbraucher nur schwer zu vermitteln, wenn bereits heute für ihn der Geschmack leide. Alikhan bringt zudem einen anderen Aspekt für die Großbäcker zur Sprache: „Für die Lebensmittelbranche wäre es sicher hilfreich, wenn der gesetzliche Rahmen für verkaufsfördernde Produkt- und Gesundheitsauslobungen nicht an die Vorgaben der Health-Claims-Verordnung gebunden bliebe.“ Nach der derzeitigen Gesetzeslage ist eine Auslobung nur möglich, wenn etwa die Salzreduktion gegenüber einem vergleichbaren Produkt mindestens 25 Prozent ausmacht.

Schon Anfang des Jahres hatte sich daher die Rewe-Group in ihrem „Strategiepapier Zucker-, Salzreduktion in Eigenmarken“ stark gemacht für eine Anpassung des Europäischen Kennzeichnungsrechts: „Es spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, unsere Kunden auch schon über 10 oder 20 Prozent weniger Zucker zu informieren“ – erlaubt ist dies erst ab einer Reduktion von 30 Prozent. Es gibt also eine Menge Themen, über die Ministerin Julia Klöckner mit der Branche diskutieren kann beim nächsten Arbeitstreffen.

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