Salzgehalt Eine Prise weniger - Eine Prise weniger: Teil 3

Es geht um den Spagat zwischen Gesundheit, technologischer Machbarkeit und Geschmack. Es geht um Bevormundung, die Furcht vor dem Einheitsbrot und um Tradition. Die Rede ist vom Brot, das zuviel Salz enthalten soll. Sagt zumindest Minister Schmidt und fordert die Branche auf, die Rezepturen zu überarbeiten.

Montag, 19. Februar 2018 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Eine Prise weniger - Eine Prise weniger: Teil 3
Weizenbrötchen sind die Renner nicht nur in der Vorkassenzone. Sie haben von Natur aus einen höheren Salzanteil als etwa Vollkornbrot.
Bildquelle: Getty Images, Insa Hagemann, Carsten Hoppen, Lieken, Harry-Brot, Sinnack

Einen internen Zielwert von 1,3 Gramm Salz pro 100 Gamm Brot haben sich Aldi Süd sowie Aldi Nord vorgegeben. „Diese Werte haben wir auch in den Anforderungen an unsere Lieferanten festgehalten“, heißt es bei Aldi Nord. Reduktionen wurden auch hier sukzessive und behutsam umgesetzt. Beide Unternehmen informieren ihre Kunden mit Blick auf nachhaltigen sowie bewussten und gesunden Konsum über die veränderten Rezepturen online und in den jeweiligen Kundenmagazinen.

„Veränderungen sind nur sehr sensibel und zusammen mit der gesamten Branche inklusive Bäckerhandwerk möglich.”
Karina Alikhan, Leiterin Marketing, Harry-Brot

Noch in der Erprobungsphase befindet sich nach eigener Aussage Kaufland. Wie bei allen anderen von der LP befragten Unternehmen setzen die Neckarsulmer auf eine reine Reduktion des Salzgehalts, ohne Einsatz von Austauschstoffen. Die Kunden sollen zur Markteinführung der salzreduzierten Produkte mit Marketingaktionen informiert werden.

Frühstückscerealien, Ketchup oder die Steinofenpizzen: Bei der Edeka wurden unter anderem bei diesen Eigenmarkenprodukten der Salzgehalt kontinuierlich reduziert. Gleiches gilt nach Auskunft der Hamburger für die 2er-, 4er- und 6er-Brötchen-Packungen sowie für Sandwich-Weizen und -Vollkorn aus der Gut-&-Günstig-Linie.

In rund 270 Filialen werden die Produkte der Backstube Wünsche verkauft, eine hundertprozentige Tochter der Edeka Südbayern. „Wir legen großen Wert darauf, unseren Kunden qualitativ hochwertige Produkte zu bieten, die eine salzbewusste Ernährung möglich machen und gleichzeitig besten Geschmack bieten“, sagt Geschäftsführer Norbert Alberti.

Bei der Weiterentwicklung der Rezepte helfen auch eine veränderte Teigführung und Teigruhe dabei, Aromen und Geschmack der Brote und Brötchen zu verfeinern. „Derzeit gibt es leider noch keine Alternative, die Salz vollumfänglich ersetzen könnte.“

„Wer sich nicht an freiwillige Vorgaben hält, hat zurzeit einen klaren Wettbewerbsvorteil. Wir würden gesetzliche Vorgaben begrüßen.”
Lena Sinnack, Mitglied der Geschäftsleitung Sinnack Backspezialitäten

Im Großen und Ganzen haben die Unternehmen also bislang eine individuelle und auf ihre Sortimente und Kundschaft abgestimmte Strategie zur Salzreduktion gefahren. Mit einer breit angelegten Studie stellt die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) das Thema auf eine wissenschaftliche Basis (ein Interview mit Simone Schiller, DLG-Geschäftsführerin Fachzentrum Lebensmittel lesen Sie auf S. 54). So testeten Konsumenten salz-, fett- beziehungsweise zuckerreduzierte Produkte. Und siehe da: Ein Toastbrot mit 10 Prozent weniger Salz schmeckte und gefiel von der Konsistenz. Wie sich im Produktionsprozess erfolgreich Salz reduzieren lässt, wurde ebenfalls erkundet. Dabei zeigte sich: Es gibt durchaus Technologien, die bei Marktteilnehmern nicht so bekannt sind (mehr zur Studie unter www.dlg.org/studie_salz_zucker_fett).

Unterm Strich sind Großbäckereien und der backende Einzelhandel der Initiative von Bundesernährungsminister Christian Schmidt schon mindestens einen Schritt voraus. Doch es gibt zumindest einen Knackpunkt: die Freiwilligkeit, die im Programm festgeschrieben ist. Lena Sinnack, Mitglied der Geschäftsleitung bei Sinnack Backspezialitäten, bringt es auf den Punkt: „Wer sich nicht an die freiwilligen Vorgaben hält, der hat zurzeit einen klaren Wettbewerbsvorteil.“ Durch das Salz könnten sich die anderen Geschmacksträger des Produktes besser ausbilden und daher werden diese von Verbrauchern viel stärker wahrgenommen. „Gesetzliche Vorgaben, die für alle gelten, würden wir deshalb begrüßen“, so das Fazit Sinnacks. Ähnlich sieht dies Karina Alikhan von Harry-Brot: Dies sei einfach gerechter. Aus ihrer Sicht sollte die Branche beim Thema Salzreduktion gemeinsam eine Lösung finden. Gemeinsam ist auch das Stichwort für Hans N. J. Matthijsse von Lieken: „Es sind alle Akteure in der Lebensmittelbranche gefordert ... ebenso wie alle Bäckereien – einschließlich dem Handwerk, das einer Salzreduzierung bislang eher zurückhaltend gegenübersteht.“

Kennzeichnung neuer Rezepturen

In der Kommuniktion einer Salzreduktion bindet die Healt- Claims-Verordnung den Unternehmen die Hände: Eine Auslobung wäre danach nur möglich, wenn die Reduktion gegenüber einem vergleichbaren Produkt mindestens 25 Prozent ausmacht. Ohne gravierende geschmackliche Einbußen wäre dies nicht zu realisieren. Den Kunden bleibt da nur der Blick auf die gesetzlich vorgeschriebene Nähwertkennzeichnung auf der Packung. Die Rewe-Group macht sich daher in ihrem „Strategiepapier Zucker, Salz“ stark für eine Anpassung des Europäischen Kennzeichnungsrechts: „Es spricht aus unserer Sicht nichts dagegen, unsere Kunden auch schon über 10 oder 20 Prozent weniger Zucker zu informieren“ - erlaubt ist dies erst ab einer Reduktion von 30 Prozent.

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