Wein Verschenktes Potenzial - Verschenktes Potenzial: Teil 3

Nie wurde im LEH so viel Wein verkauft wie heute. Allerdings schaffen es viele Händler nicht, diesen Boom für ihre Wertschöpfung zu nutzen. Unübersichtliche Sortimente und nicht ausreichend geschultes Personal hemmen den Absatz hochpreisiger Erzeugnisse.

Montag, 13. März 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Verschenktes Potenzial - Verschenktes Potenzial: Teil 3
Mit diesem Store präsentiert sich Aldi Süd während der Pro Wein in Düsseldorf.
Bildquelle: Carsten Hoppen/ Weinakademie Berlin

Inhaltsübersicht

Interview mit Michael W. Pleitgen: Wein ist „People Business“

Die Lebensmittel Praxis sprach mit dem Weinfachmann Michael W. Pleitgen darüber, wo es bei der Weinvermarktung im Lebensmittel-Einzelhandel noch hakt.

Ihrer Überzeugung nach ist das Wein-Sortiment im LEH oft zu aufgebläht. Woran liegt das?
Michael Pleitgen : Das ist häufig dann der Fall, wenn das Weinsortiment nur unter dem Gesichtspunkt Werbekostenzuschüsse (WKZ) angegangen wird. In anderen Segmenten ist es ähnlich: Wenn ich in einem Supermarkt in Berlin Ost 32 verschiedene Senfsorten finde, weiß ich: Hier haben WKZ eine entscheidende Rolle gespielt und nicht die Kunden. Beim Wein weiß man heute: Wenn Sortimente zu groß sind, gibt es eine Rückentwicklung.

Gibt es noch weitere Gründe für überfüllte Weinregale?
Es ist wichtig, wen man mit dem Einkauf betreut. Hat man beispielsweise einen absoluten Fachmann, einen Sommelier, der sich den ganzen Tag mit nichts beschäftigt außer dem letzten Weintrend, dann geht unter Umständen das Gefühl für das verloren, was wirklich Erfolg bringt. Wenn ich in einem kleinen Markt ein ganzes Regal mit verstaubten Öko-Weinflaschen sehe, dann weiß ich: Das war eine Überreaktion.

Sie bezeichnen den Verkauf von Wein als „People Business“. Was meinen Sie damit?
Wir sind 80 Prozent unserer Zeit im Supermarkt mit dem Suchen beschäftigt. Der wichtigste Schritt ist zunächst, das Finden zu erleichtern. Dazu braucht man einen Abteilungsverantwortlichen, der sich auskennt. Übernimmt das ein Kollege aus der Obst und Gemüseabteilung, wird das Potenzial sicherlich nicht ausgeschöpft.

Als nächster Schritt, sollte sich der Mitarbeiter natürlich mit dem Sortiment auskennen. Hier liegt die größte Herausforderung, denn der Handel hat bekanntlich ein Problem damit, qualifiziertes Personal zu bekommen. Wie wollen Sie jemanden, der vor drei Monaten aus dem Kosovo gekommen ist, zu einem Experten in Sachen Wein machen? Manche Azubis trinken auch keinen Alkohol.

Portrait

Michael W. Pleitgen war u.a. Vorstandsassistent beim Badischen Winzerkeller,Mitglied im GL-Kreis Jacques‘ Wein-Depot, GF Viniversitaet GmbH und ist Gründer und Inhaber der Weinakademie in Berlin.

Was raten Sie Händlern, um ab fachlich interessierte Mitarbeiter zu kommen?
Der Handel muss an dem Thema dran bleiben und die Sache auch selbst in die Hand nehmen. Metro setzt beispielsweise auf den internationalen Standard Wine & Spirit Education Trust. Ich selbst habe mit der Edeka Südwest an dem Programm „Fachkraft Wein“ mitgearbeitet, das den Teilnehmern das Niveau eines Berufsanfängers im Weinhandel garantiert. Heute hat mindestens ein Mitarbeiter in einem Laden der Edeka Südwest an dem Programm teilgenommen. Meiner festen Überzeugung nach lohnt sich die Investitionen in die Mitarbeiter, wobei es auch wichtig ist, den Menschen Verantwortung zu übergeben.

Bleibt das Problem, dass immer weniger Menschen im Handel arbeiten wollen.
Ich empfehle Händlern, einen Blick in die Gastronomie zu werfen. Manche Kräfte dort wären froh, nicht mehr mit diesen Arbeitszeiten leben zu müssen. Weinberater aus Fleisch und Blut lohnen sich in größeren Märkten. Aus unserer Erfahrung genügt dann auch eine Anwesenheit am PoS zu den wirklichen Stoßzeiten.

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Bild öffnen Michael Pleitgen berät Lebensmittel- Einzelhändler bei der Ausbildung des Personals.

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