Interview mit Katya Witham Öfter mal was Neues

Brote aus anderen Ländern, Superfoods, Mehrwert Gesundheit: Katya Witham, Marktforscherin bei Mintel, über Probleme und Lösungen für das erfolgreiche SB-Regal.

Donnerstag, 16. Februar 2017 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Öfter mal was Neues
Bildquelle: Carsten Hoppen

Verpackte Brot- und Backwaren haben ein Imageproblem. Gleichzeitig sind Müsli & Co. starke Konkurrenz zum Frühstücksbrötchen. Katya Witham, Senior Analyst Food & Drinks bei Mintel in London, über das steigende Interesse an Qualität, Superfoods und Street Trends.

Katya Witham

Witham ist seit 2014 Senior Food & Drink Analyst bei den britischen Meinungsforschern Mintel in London. Sie arbeitete zuvor u. a. bei Metro Group.

Wie hat sich der Markt für verpackte Brot- und Backwaren in Deutschland entwickelt?
Katya Witham: Auch wenn der deutsche Markt für verpackte Brot- und Backwaren neben dem britischen zu den größten in Westeuropa gehört, ist die jährliche Wachstumsrate des Umsatzes zwischen 2012 und 2016 mit minus 0,5 Prozent rückläufig. Nach unseren Schätzungen ist der Verbrauch der im Lebensmittelhandel verkauften verpackten Brot- und Backwaren von 13,6 kg pro Person im Jahr 2012 auf 12 kg im Jahr 2016 gesunken. Wir gehen davon aus, dass der deutsche Markt für verpackte Brot- und Backwaren bis zum Jahr 2020 sowohl bei Umsatz als auch Absatz zwischen 0,6 und 3,5 Prozent jährlich schrumpfen wird.

Was ist für diese Entwicklung verantwortlich?
Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Die Konsumenten greifen verstärkt zu handwerklich hergestellten Bäckereiprodukten von höherer Qualität sowie praktischen Convenience-Alternativen. Daneben wird verpacktes Brot oft nicht als gesund oder frisch wahrgenommen. Jeder Zweite, der 2016 hierzulande Brot gekauft hat, hält das Brot aus der Bäckerei für gesünder als das verpackte Brot aus dem Supermarkt. Mehr als ein Viertel der Konsumenten befürchtet, dass das verpackte Brot nicht lange genug frisch bleibt.

Wie können Hersteller gegenhalten?
Mehr als die Hälfte der von uns befragten Brot-Konsumenten sagte, dass sie es vermeiden, immer dieselben, langweiligen Geschmacksrichtungen zu essen. Fast 30 Prozent der 25- bis 34-Jährigen bemängeln, dass das derzeitige Angebot nicht für den Unterwegsverzehr geeignet ist. Das zeigt, wie wichtig Abwechslung und Convenience sind, um einen Kaufimpuls auszulösen. Das gilt vor allem für die Millenniums-Generation. Die Industrie profitiert vom wachsenden Interesse der Verbraucher an neuen Produkt-Varianten und von der Einführung neuartiger Produkte. Das gestiegene Interesse an Qualität und handwerklicher Herstellung ist ein guter Ansatz für die Hersteller, um mehr Premium-Varianten und Spezialitäten in den Markt zu bringen und diesem zu mehr Wachstum zu verhelfen.

Können Sie Beispiele nennen?
Brot und Backwaren-Spezialitäten aus anderen Ländern stoßen bei Konsumenten ebenso auf großes Interesse wie der Wunsch nach Abwechslung. Das Interesse an gesunden und praktischen Produkten – selbstverständlich ohne Abstriche beim Geschmack – macht Verbraucher offen für kreative, neue Brot-Alternativen. Fast zwei Drittel der erwachsenen Konsumenten in Deutschland würden gerne mehr Brot- und Backwaren aus anderen Ländern und Kulturen im Angebot sehen. Es lohnt sich auch, Trends beim Streetfood im Auge zu behalten. Fladenbrote, Tortillas und schwedisches Softbröd sind ebenfalls interessante Produkte, da sie als gesund wahrgenommen werden.

Sind Superfoods weiter angesagt, oder ebbt diese Welle aus Ihrer Sicht langsam ab?
In Deutschland ist das Interesse an gesunden Brot- und Backwaren groß, die etwa Superfood, „Supersaaten“ enthalten oder als eiweißreich ausgelobt sind. Besonders ausgeprägt ist dieses Interesse bei der Generation der 16- bis 34-Jährigen, den Millennials. Urgetreidesorten wie Einkorn oder Dinkel, Quinoa, Chia oder Amaranth lassen sich gut in die Rezepte integrieren. Die schmackhaften, vielseitigen und nährstoffreichen Saaten und Getreide positionieren das Endprodukt als „gesund“ und nahrhaft: Diese Zutaten werden als vollwertig und sehr natürlich wahrgenommen. Außerdem beeinflussen sie Geschmack und Textur eines Produktes positiv. Und auch der in Deutschland starke Trend zu „frei von“-Produkten hält das Interesse an Chia, Amaranth und Co. weiter hoch: Fast ein Viertel der Deutschen würde gerne Produkte mit weniger Weizen oder ohne Gluten ausprobieren. Weizenfreie Rezepturen sind vor allem bei den jungen Konsumenten von 16 bis 34 Jahren angesagt.

Welche Entwicklung gibt es bei den Vertriebswegen?
Geht es um das frische tägliche Brot, dann sind und bleiben die örtlichen Bäckereien in Deutschland die erste Adresse für viele Konsumenten (55 Prozent). Mehr als 40 Prozent suchen eine Filiale einer Bäckerei-Kette auf. Immerhin 48 Prozent der von uns Befragten decken ihren Bedarf in den Backstationen bzw. Bäckereien des Lebensmittel-Einzelhandels. Hier spiegelt sich der Wunsch nach frischen Produkten und mehr Convenience wider.

Und wie sieht es bei den verpackten Brot- und Backwaren aus?
Ein mit 42 Prozent beachtlicher Anteil der Käufer steuert das Regal beim Discounter an, etwa Aldi oder Lidl. 33 Prozent der Befragten nennen Verbrauchermarkt oder SB-Warenhaus als bevorzugte Einkaufsstätte für verpacktes Brot. Deutsche Konsumenten sind beim Einkaufen als ausgeprägte Sparfüchse bekannt. Das gilt auch für nachwachsende Generationen. 2016 gaben 60 Prozent der 16- bis 24-Jährigen an, verpacktes Brot beim Discounter zu kaufen. Und fast jeder Zweite kaufte dort auch seine Backwaren.