Spirituosen Nährwertangaben Flucht nach vorn

Diageo bringt für sein Schwergewicht Johnnie Walker eine Nährwerttabelle auf das Etikett. Eine Maßnahme, die Signalwirkung haben könnte. Brüssel macht entsprechenden Druck auf die Industrie.

Mittwoch, 09. November 2016 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Flucht nach vorn

Es ist ein alter Streitpunkt : Die Nährwertangaben bei alkoholischen Getränken. Generell müssen bei den meisten Lebensmitteln in der EU entsprechende Angaben (Salz, Fett, Brennwert etc.) auf der Packung gemacht werden. Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol sind aber ausgenommen. Im vergangenen Jahr forderte die EU-Kommission in einer unverbindlichen Resolution, dass die Inhaltsstoffe jetzt genauer ausgewiesen werden sollten. Zudem solle es verbindliche Warnhinweise für Alkohol am Steuer und für schwangere Frauen geben. Der Grund: Nach Angaben der EU-Kommission sind Schäden durch Alkohol für 7 Prozent aller frühzeitigen und krankheitsbedingten Todesfälle in der Europäischen Union verantwortlich. Doch wie so oft mahlen die Mühlen in Brüssel sehr langsam, so dass die Forderung noch zu keinen verbindlichen Ergebnissen geführt hat.

Nun prescht der britische Spirituosenkonzern Diageo vor. Das Unternehmen wird seine Flaschenetiketten und Verpackungen künftig mit Informationen zu Alkoholgehalt und Nährwerten pro üblicher Portion (30 ml) ergänzen. Johnnie Walker ist dabei die erste der globalen Diageo-Marken, die mit der neuen Kennzeichnung versehen wird. Der Verbraucher erfährt durch die leicht verständliche Tabelle, dass eine Flasche Johnnie Walker aus 25 Portionen à 30 ml besteht. Jede Portion enthält 10 g Alkohol und 67 kcal. Ivan Menezes, Vorstandschef von Diageo, sagt hierzu: „Wir glauben, dass jeder die bestmöglichen Informationen zur Verfügung haben sollte, um eine bewusste Entscheidung darüber treffen zu können, was er oder sie trinkt: Dies schließt auch Portionsangaben zu Alkoholgehalt und Nährwerten ein.“ Johnnie Walker sei eine der größten globalen Marken von Diageo, was bedeute, dass diese neue Kennzeichnung Millionen von Menschen mit eindeutigen Informationen zum Inhalt ihrer Gläser versorgen wird.

Wie sieht die Kennzeichnung aus?

Neben der klassischen Nährwerttabelle auf der Umverpackung der Flasche (Salz, Fett, Zucker etc.), findet sich diese vereinfachte Darstellung direkt auf der Flasche. Die wichtigsten Informationen sind der Brennwert (67 kcal) und die Alkoholmenge (10 g) gemessen an 30 ml. Der Kalorien-gehalt je 100 ml ist angegeben, die Menge an Alkohol in Bezug auf diese Menge jedoch nicht. Neben den Symbolen, die die Gefahren von Alkohol am Steuer und während der Schwangerschaft ausdrücken, gibt es einen Hinweis auf das Diageo- Online-Portal drinkiq.com.

Trotz dieses Vorstoßes glauben Marktbeobachter nicht, dass die Aktion Signalwirkung haben wird. „Die Bereitschaft zu einer Nähwerttabelle nach dem Muster der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) auf den Produkten stufe ich als nicht sehr hoch ein. Auch Diageo geht einen Sonderweg, da das Unternehmen die Nähwertangaben auf eine Portionsgröße von 30 ml bezieht“, sagt Rechtsanwalt Martin Kieffer, der sich auf Lebensmittelrecht spezialisiert hat.

Die LMIV sieht vor, dass die Pflichtangaben sich ausweislich stets an 100 g oder 100 ml des Lebensmittels zu orientieren haben, der Brennwert ist demnach also an 100 g/100 ml des Erzeugnisses zu bemessen. Für das aktuelle Beispiel Johnnie Walker hieße das also, dass diese Portion bereits mehr als 30 g Alkohol enthalte und damit schon über dem Wert liegt, den die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung als risikoarm einschätzt (24 g am Tag für erwachsene Männer). Allerdings sei laut Kieffer vorstellbar, dass einzelne Unternehmen zu einer abgestuften Kommunikation bereit wären, sei es, dass nur die Brennwerte angegeben werden oder die Kommunikation über ergänzende Instrumente wie das Internet erfolgen, denn der Platz auf dem Etikett ist begrenzt.

Im Frühherbst beginnt die Produktion der neuen Flaschenetiketten für Johnnie Walker Red Label, dem weltweit meistgekauften Scotch Whisky, sowie dessen weltweiter Versand in verschiedene Märkte, darunter auch Deutschland und Österreich. Bis Ende des Jahres sollen bis zu 30 Mio. neu etikettierte Flaschen der Marke in den Regalen stehen. Auf jeder Flasche und jeder Verpackung finden die Kunden nun neben den Responsible-Drinking-Symbolen klare Angaben zum Alkoholgehalt und zum Nährwert pro Getränk. Insgesamt werden jährlich circa 115 Mio. Flaschen Johnnie Walker Red Label produziert und weltweit ausgeliefert.


Drei Fragen an Martin Kieffer: Vielfältige Interessen beim Thema Kennzeichnung

Warum sind Getränke mit mehr als 1,2 Volumenprozent Alkohol von der Nährwertkennzeichnung ausgenommen?
Martin Kieffer: Das Thema Nährwertkennzeichnung für alkoholische Getränke wird zusammen mit der Verpflichtung zur Angabe eines Zutatenverzeichnisses gesehen. Letzteres ist seit Jahren umstritten, da insbesondere die Weinund Spirituosenbranche immer dafür plädierte, ihre Anliegen über die für sie vorgesehenen Produktverordnungen zu regeln. In dieses Thema spielen dann natürlich auch Zuständigkeitsfragen hinein, zumal Wein und Spirituosen einen engen Bezug zum Agrarsektor haben. Es stellt sich natürlich die Frage, ob Genussmittel des nichttäglichen Bedarfs einer umfassenden Nähwerttabelle bedürfen oder man die Informa-tionen nicht besser auf wenige, für den Verbraucher entscheidende Parameter herunterbricht wie zum Beispiel den Energiegehalt. Wichtig ist auch, auf welche Größe sich die Nährwertkennzeichnung beziehen sollte, auf 100 ml oder besser auf eine für die Branche individuelle Portionsgröße. Zusätzlich argumentiert die Weinbranche, dass der verwaltungsmäßige Aufwand einer Nährwertkennzeichnung bei einem Agrarprodukt mit jährlich wechselnden Eigenschaften immens sei, was insbesondere für kleinere und mittelgroße Winzer ein Problem darstellt. Angesichts dieser vielfältigen Fragestellungen einigtensich die Mitgliedsstaaten darauf, dass die EU-Kommission erstmals einen Bericht zu dem Thema vorlegt, der allerdings noch aussteht.

Warum mahlen die Mühlen der EU hier so langsam?
Das Thema wird in seiner ganzen Komplexität politisch kommuniziert, nicht nur über wirtschaftliche Interessensgruppen, sondern auch durch Politiker vor Ort in den Mitgliedsstaaten. Angesichts der engen Verwurzelung der Branchen mit dem Agrarsektor, der strukturellen Besonderheiten kleinerer Unternehmen insbesondere im Weinbereich und der Forderung, dass die verschiedenen Branchen nicht gegenseitig benachteiligt werden dürfen – schließlich geht es in der Lebensmittelinformations- Verordnung (LMIV) um alkoholhaltige Getränke im Allgemeinen – sind die Entscheidungsprozesse sehr langwierig. Zumal es nicht nur um das „ob“, sondern auch das „wie“ geht. Dies betrifft auch Im Frühherbst beginnt die Produktion der neuen Flaschenetiketten für Johnnie Walker Red Label, dem weltweit meistgekauften Scotch Whisky, sowie dessen weltweiter Versand in verschiedene Märkte, darunter auch Deutschland und Österreich. Bis Ende des Jahres sollen bis zu 30 Mio. neu etikettierte Flaschen der Marke in den Regalen stehen. Auf jeder Flasche und jeder Verpackung finden die Kunden nun neben den Responsible-Drinking-Symbolen klare Angaben zum Alkoholgehalt und zum Nährwert pro Getränk. Insgesamt werden jährlich circa 115 Mio. Flaschen Johnnie Walker Red Label produziert und weltweit ausgeliefert. gehalt je 100 ml ist angegeben, die Menge an Alkohol in Bezug auf diese Menge jedoch nicht. Neben den Symbolen, die die Gefahren von Alkohol am Steuer und während der Schwangerschaft ausdrücken, gibt es einen Hinweis auf das Diageo- Online-Portaldrinkiq.com. die Kommunikationsprozesse innerhalb der Europäischen Kommission, wo die Vorstellungen zwischen den Generaldirektionen durchaus voneinander abweichen können. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Thema der „Alkoholkennzeichnung“ auch noch eine Reihe anderer Facetten in sich birgt. Ich erinnere nur an die höchst umstrittene Forderung um die Einführung von Warnhinweisen.

Welche Regelungen gibt es denn heute für die Kennzeichnung bei Spirituosen?
Die Pflichtangaben für Spirituosen ergeben sich wie bei allen anderen Lebensmitteln aus der LMIV. Allerdings sind alkoholhaltige Getränke von der Angabe eines Zutatenverzeichnisses und einer Nähwertkennzeichnung noch befreit. Bier unterliegt national der Verpflichtung zur Angabe eines Zutatenverzeichnisses. Auch ein Mindesthaltbarkeitsdatum ist nicht erforderlich für Getränke von 10 und mehr Volumenprozent.

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