Sinnack Spontan wie das Leben

Brot und Brötchen zum Aufbacken profitieren vom Convenience-Trend. Bei Sinnack Backspezialitäten muss jetzt sogar angebaut werden. Vor allem Dinkel-Produkte sind gefragt.

Donnerstag, 11. August 2016 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Spontan wie das Leben
Bildquelle: Sinnack Backspezialitäten

Verpackung auf, Produkt entnehmen, rein in den heißen Ofen damit – und gut 10 Minuten später stehen frische, duftende Brötchen, Baguettes oder Ciabatta auf dem Tisch: Der Kunde liebt es praktisch, neudeutsch convenient. Zu diesem Lebensgefühl passen die Aufbackprodukte von Sinnack Backspezialitäten in Bocholt. Das schlägt sich auch im steigenden Umsatz nieder. Das mehr als 110 Jahre alte Familienunternehmen setzte im vergangenen Jahr etwa 198 Mio. Euro um, in diesem Jahr „planen wir mit etwas mehr als 200 Mio. Euro“, sagt Lena Sinnack, Mitglied der Geschäftsführung beim Handelsmarkenspezialisten.

„Weizenwampe“, „dumm wie Brot“: In den vergangenen Monaten haben Brot oder Brötchen allerdings nicht immer die beste Presse gehabt. Diverse Enthüllungsbücher ramponierten den Ruf des täglichen Brots. Bei Sinnack nimmt man dies gelassen – und profitiert unterm Strich sogar von der Diskussion. „Neben Weizen- und Mehrkornprodukten greifen die Konsumenten nun zu Dinkel“, sagt Verkaufsleiterin Liesel Schlüter, „auch wenn vielen gar nicht bewusst ist, dass Dinkel eigentlich eine Weizenart ist.“ Seit Einführung der Steinofen-Range 2012 und der Dinkel-Variante im Jahr 2014 stiegen die Absätze kontinuierlich, das Unternehmen stieß an seine Kapazitätsgrenzen. Um dieser Nachfrage nachzukommen, investierten die Bocholter im Werk in Gutenborn-Droßdorf (Sachsen-Anhalt) ca. 6 Mio. Euro in eine neue Steinofenlinie, auf der auch die Dinkel-Produkte gebacken werden. Das Mehl stammt von Vertragsbauern aus der Umgebung, wird nah am Werk vermahlen, um die Wege kurz zu halten. Mit der Entwicklung der Range sind die Bocholter nach eigenen Angaben mehr als zufrieden.

Fast 500 Mio. Euro setzt der Lebensmittel-Einzelhandel pro Jahr mit Aufbackprodukten aus dem SB-Regal um – Tendenz steigend. Der Einzug der Backstationen und deren zunehmendes Sortiment haben dieses Geschäft nicht negativ tangiert. „Die Aufbackware passt perfekt zu den veränderten Verzehrgewohnheiten“, sagt Schlüter. Die Menschen werden (notgedrungen) immer mobiler, müssen sich flexibleren Arbeitszeiten anpassen, die Haushalte werden kleiner: All das rücke die Vorteile der leicht zu bevorratenden, individuell portionierbaren und schnell zuzubereitenden Aufbackartikel in den Fokus der Verbraucher.

Und nicht nur die Aufbackartikel, wie Lena Sinnack betont. Tortilla-Wraps oder auch Toastbrötchen entwickelten sich sehr gut, unterstreicht die Tochter des Inhabers und Geschäftsführers Julius Peter Sinnack: Vor allem jüngere Leute griffen zu, schließlich ließe sich ohne viel Aufwand rasch eine Mahlzeit zubereiten. Die Toastbrötchen eigneten sich zudem bestens als Burger-Brötchen. „Die Spontaneität der Kunden hilft uns“, sagt Sinnack. Noch ist eine Rezeptdatenbank für solche schnell zuzubereitenden Gerichte ein Gedankenspiel – doch eins, dessen Umsetzung Lena Sinnack Spaß machen würde.

Fakten zum Unternehmen

Sinnack Backspezialitäten produziert in Deutschland an den Standorten Bocholt und Droßdorf Aufbackwaren (Baguettes und Brötchen als Trockenware, gekühlt und tiefgekühlt) sowie Tortillas. Die Aufbackprodukte sind unter Schutzatmosphäre verpackt und haben eine Restlaufzeit von 42 Tagen. Die Bocholter backen Eigenmarken- Produkte für den Handel, aber auch unter der eigenen Marke Sinnack. Mehr als 500 Mitarbeiter produzieren an insgesamt 28 Backstraßen täglich umdie 450 t Backwaren. Der Export-Anteil liegt bei 25 Prozent. Sinnack-Produkte gibt es in 21 Ländern. Sie gehen vor allem nach Skandinavien, Benelux, Österreich und Frankreich – dort ist laut Verkaufsleiterin Liesel Schlüter das Aufbacken von Brot gelernt. Inhaber und Geschäftsführer ist Julius Peter Sinnack. Tochter Lena ist bereits Mitglied der Geschäftsführung und übernimmt sukzessive mehrVerantwortung.


In den vergangenen Monaten kam den Bocholtern die Wirtschaftslage in Deutschland zupass: Die Verbraucher gönnen sich wieder etwas, sind bereit, auch etwas mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Die Gesellschaft für Konsumforschung spricht von einer zunehmenden Qualitätsorientierung. Ist die Börse besser gefüllt, greifen Endverbraucher auch mal zur Marke – oder zur Premium-Eigenmarke des Handels. „Für uns ist diese Entwicklung ein Segen“, sagt Verkaufsleiterin Schlüter. Neben den Baguettes im 6er-Pack zum Preiseinstieg packen Verbraucher nun auch die margenträchtigeren Kaiser-, Dinkel- oder die Steinofen-Brötchen in den Einkaufswagen. Doch selbst bei dieser Entwicklung bleiben die Bocholter bodenständig und realistisch. „Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen“, sagt Lena Sinnack, „denn dieses Verbraucherverhalten kann sich ja auch schnell wieder ändern.“ Ein durchdachtes Portfolio mit Produkten von Preiseinstieg bis Premium ist die solide, stabile wirtschaftliche Perspektive für das Familienunternehmen. „Beste Qualität in ausreichender Quantität anbieten“: Der Handelsmarkenproduzent will seinen Kunden „Masse und Klasse“ bieten, wie Schlüter es formuliert: „Wir sind kein Nischenlieferant.“ Geliefert wird über Zentrallager, vier Key-Account-Manager betreuen die Kunden im Handel.

Umfangreiche interne Kontrollen stellen die Qualität der Produkte sicher. Neben den eigenen Verkostungen – unter anderem wöchentlich bei Sitzungen der Führungsrunde – geben externe Verkostungen mit Laien unmittelbares Feedback. Seit 20 Jahren vertrauen die Bocholter zudem auf die Expertise der FH Münster, wo Produkte verzehrt und neutral bewertet werden.

Um die vom Handel gebrauchten Stückzahlen liefern zu können, stehen für dieses Jahr Investitionen in Höhe von rund 12 Mio. Euro an. Unter anderem ist der Bau einer neuen Produktionshalle vorgesehen, in der Platz für neue Backstraßen entsteht. Bis dort die ersten Produkte aus dem Ofen kommen und ausgeliefert werden, wird es wohl 2017 werden. Und sollte sich das Unternehmen weiter so gut entwickeln, dann bietet der Standort weitere Möglichkeiten zur Expansion. Zu klein: Am Standort Bocholt entsteht derzeit eine neue Produktionshalle. Am Stück Etwa 400 t Backwaren produziert Sinnack Backwaren täglich an 28 Backstraßen. Im Unternehmen sind insgesamt 500 Mitarbeiter beschäftigt.

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Bild öffnen Etwa 400 t Backwaren produziert Sinnack Backwaren täglich an 28 Backstraßen. Im Unternehmen sind insgesamt 500 Mitarbeiter beschäftigt.
Bild öffnen Wir liefern dem Handel Masse und Klasse.<br />
Liesel Schlüter, Verkaufsleiterin Sinnack Backspezialitäten
Bild öffnen Lena Sinnack, Mitglied der Geschäftsführung
Bild öffnen Zu klein: Am Standort Bocholt entsteht derzeit eine neue Produktionshalle.