Wein Ein gutes Weinjahr?

Bessere Ernte, aber schwacher Export: Die Tanks der Kellereien sind bis zum Rand gefüllt. Wie wird diese Entwicklung den heimischen Markt verändern?

Freitag, 11. März 2016 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Ein gutes Weinjahr?

„Vor dem Hintergrund einer weiter alternden Gesellschaft, einer Zuwanderung mit überwiegend nicht Wein-affinen Verbrauchern und einer nur noch moderaten Zunahme der Einpersonenhaushalte ist im Weinmarkt mengenmäßig Null-Wachstum angesagt“, fasst André Weltz, Geschäftsführer der Kellerei F. W. Langguth Erben, die aktuelle Lage in Deutschland zusammen. Auch die Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) dürften Winzer und Handel wenig freuen: Die Nürnberger Marktforscher stellten für das Jahr 2014 einen Rückgang der Käuferhaushalte in Deutschland auf nur noch 55,4 Prozent fest (in 2008 waren es noch 61 Prozent). Die logische Konsequenz: Mit sinkenden Käuferzahlen kann es keine starken Impulse mehr bei der Einkaufsmenge geben. Auch für Weinerzeugnisse aus Deutschland, die sich in den vergangenen Jahren wertmäßig gut behaupten konnten, wird es schwierig werden, Mengenwachstum zu generieren. Der Grund: Das für viele Kellereien nicht unwichtige Auslandsgeschäft schw ächelt. Die offizielle Exportstatistik für das Jahr 2014 zeigt einen Rückgang der Weinausfuhren um ganze 10 Prozent. „Wir knabbern immer noch an den Auswirkungen der kleinen Weinernten 2010, 2012 und 2013, die dazu führten, dass die Weinexporteure mit ihren deutschen Weinen teilweise und in einzelnen Märkten nicht mehr lieferfähig waren. Hinzu kommt, dass das Auslandsgeschäft derzeit unter der schwachen Nachfrage der Schwellenländer leidet“, erklärt Albrecht Ehses, Geschäftsführer des Bereichs International und Wein der Industrie- und Handelskammer in Trier. Besonders stark würden sich die Wirtschaftssanktionen gegen Russland auswirken. Laut Statistik ist beispielsweise Russland in nur fünf Jahren von Platz 4 der Mengenstatistik auf Rang 12 abgerutscht. Matthias Willkomm, Geschäftsführer von Peter Mertes, der größten Kellerei Deutschlands, weist noch auf ein weiteres Problem hin: „Eine Herausforderung für das Exportgeschäft von deutschen Weinen ist aktuell auch der US-amerikanische M arkt. Hier entstehen zurzeit Rebflächen, auf denen typisch deutsche Sorten wie Riesling angebaut werden.“ Solche Entwicklungen bereiten den Kellereien zunehmend Bauchschmerzen, denn das Auslandsgeschäft ist ein wichtiges Standbein: Bei Peter Mertes macht der Export rund 35 Prozent des Gesamtgeschäftes aus. Auch F. W. Langguth Erben ist im Ausland aktiv, beispielsweise mit der Marke Blue Nun. Die Exportmenge an deutschen Erzeugnissen lag 2014 bei 1,2 Mio hl. Allerdings steigt laut Ehses von der IHK Trier seit Jahren der Anteil der Re-Exporte. Dabei handelt es sich um Wein aus dem Ausland, der importiert, in den großen Kellereien abgefüllt und anschließend wieder grenzüberschreitend vermarktet wird. Auch mit diesem Geschäft wollen die Kellereien natürlich Geld verdienen. In der Menge kommt der deutsche Weinexport somit in Summe auf mehr als 3 Mio. hl. Zum Vergleich: Die bundesweite Ernte in 2014 betrug 9,2 Mio. hl.

Im Ausland werden gezielt höherpreisige Weine vermarktet
Die Bedeutung deutscher Weine soll trotz der Mengenverluste weiter ausgebaut werden: So erklärt Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI), dass deutscher Wein im Ausland zukünftig noch stärker in den mittleren und höheren Preissegmenten positioniert werden soll, um die Wertschöpfung der Produzenten zu erhöhen. Es gibt bereits Erfolge, „allerdings konnten die Exportzuwächse von höherpreisigen Weinen die Absatzverluste im Basisbereich nicht kompensieren, was 2015 im Vergleich zum Vorjahr zu einem Minus von 5 Prozent im Wert und von 12 Prozent in der Menge führte“, sagt Büscher.


Wird sich die Entwicklung auf die Preise im Inland auswirken?
Eine gute Weinernte und rückläufiger Export bedeuten mehr Menge für den heimischen Markt. Das Marktgeschehen hänge international und global zusammen, ist Ehses überzeugt. Schwierigkeiten in der Auslandsvermarktung würden sich somit auch auf die Inlandsvermarktung und deren Preisgestaltung auswirken. Den Schluss, dass sich der Exportrückgang negativ auf die Endverbraucherpreise auswirken müsste, wollen aber viele Marktbeobachter so nicht ziehen. Ernst Büscher vom DWI glaubt bspw. nicht an einen großen Mengendruck: „In absoluten Zahlen ist die exportierte Weinmenge 2015 um rund 140.000 hl zurückgegangen. Beim Produktionsvolumen von etwa 9 Mio. hl in Deutschland, macht diese Menge nur 1,5 Prozent aus. Von daher dürften sich die Auswirkungen auf den Handel im Inland und die Preisstruktur in Grenzen halten.“ Eine ähnliche Auffassung vertritt Albrecht Ehses von der IHK: Die Preisrange sei sehr weit, und nach wie vor gebe es einen Großteil günstiger Wein e. Daneben erzielten bekannte Winzernamen in der Spitze höchste Preise. „Der Durchschnittspreis ist erfreulicherweise auch im Marktsegment des Handels bis hin zu den Discountern schrittweise gestiegen, Eckpreise haben sich nach oben bewegt, aber dies alles geschieht in engem Wettbewerb der Akteure und unter genauer Beobachtung der Reaktionen der Konsumenten“, sagt Ehses. Nach Einschätzung von André Weltz ist allerdings eine Wertsteigerung eher unwahrscheinlich. „Eine Preiserhöhung auf breiter Front ist bisher nicht eingetreten. Schuld daran haben die rückläufigen Exporte, die einer Verknappung des Angebots entgegenwirken“, so der Langguth-Erben-Geschäftsführer.

Sollte diese Einschätzung so stimmen, wäre eine Erfolgsstory zunächst gestoppt, denn seit einigen Jahren gibt es eine kontinuierliche Steigerung der Durchschnittspreise für Wein allgemein und für deutsche Weine im Besonderen. So sind laut Büscher vom DWI im vergangenen Jahr die Preise für Weine aus den deutschen Anbaugebieten im LEH durchschnittlich erneut um 12 Cent auf 3,23 Euro pro l gestiegen. Matthias Willkomm von Peter Mertes formuliert für 2016 eine aus Verbrauchersicht einfache und optimistische Botschaft: Es werde „gute Qualitäten zu einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis“ geben.

Engagement des HAndels zahlt sich aus
Wie auch immer sich die Absatzschwierigkeiten auf den Exportmärkten auswirken werden, auf dem heimischen Markt kann vor allem der Lebensmittel-Einzelhandel punkten. Seien es die Discounter, die mit Ladenbau-Maßnahmen oder exklusiven Sortimenten (etwa die Bordeaux-Offensive bei Lidl) punkten, oder der klassische Lebensmittel-Einzelhandel, der dem Einkaufstrend folgend in den vergangenen Jahren sein Sortiment an regionalen und höherwertigeren Weinen insbesondere aus den deutschen Anbaugebieten ausgebaut hat. Laut DWI konnten die Supermärkte (unter 5.000 qm) im Absatz und Umsatz mit deutschen Weinen zuletzt um jeweils 5 Prozent zulegen. Dadurch sei der Marktanteil der Supermärkte am Verkauf heimischer Weine seit 2012 von 10 auf 14 Prozent gestiegen.

bei den Kellereien ist eine Konsolidierung zu beobachten
Auf Seiten der Kellereien ist, wie in anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie, zudem eine kontinuierliche Konzentration zu beobachten. So ist die Anzahl der Kellereien in den letzten 20 Jahren erheblich kleiner geworden. „Die großen Betriebe sind weiter gewachsen und haben massiv investiert, manche mittelgroße Unternehmen sind verschwunden oder sind übernommen worden“, sagt Ehses von der IHK Trier. Dass allerdings diese Konsolidierung zu einer Abnahme an Vielfalt im Weinmarkt führen könnte, glaubt niemand: „Neue Vertriebswege und -formen wie Onlinehandel oder Pop-up-Kulturen sorgen für starke Ausdifferenzierungen der Angebote. Verbraucher brauchen sich um eine Uniformierung nicht zu sorgen“, erklärt Weltz von F. W. Langguth Erben. Willkomm von Peter Mertes ergänzt, dass gerade das Angebot der Weinkellereien besonders vielfältig sei. „Wir verfügen über ein breit gefächertes Sortiment an Rebsorten aus Deutschlands gängigen Anbaugebieten, aus dessen Vielfalt sich unsere Handelspartner bedienen können. Auf der begrenzten Weinregalfläche im Lebensmittel-Einzelhandel haben aber nur solche Produkte Platz, die die Verbrauchernachfrage zielgenau bedienen“, meint er.

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