Wein Preis und Leistung

Französische Weine gelten als hochpreisig und begehrt bei richtigen Kennern. Überraschend, dass sie ein Discounter wieder in das Bewusstsein der Otto-Normalverbraucher bringt.

Freitag, 30. Oktober 2015 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Preis und Leistung

Französische Weine haben es in den vergangenen Jahren auf dem deutschen Markt nicht immer leicht gehabt. Der Ruf beispielsweise von Bordeaux gilt bei der Masse an Verbrauchern als angestaubt, die Weine als abgehoben im Vergleich zu den Erzeugnissen junger Winzer aus Deutschland oder Spanien. Auch der gestiegene Preis von französischem Wein führt zu einer Kaufzurückhaltung. Denn noch immer gilt: Der Preis ist den Deutschen beim Lebensmittel-Einkauf wichtig. Das scheint selbst für die kaufkräftige Klientel zu gelten: „Es ist ein deutlicher Imageverlust bei französischen Weinen wahrzunehmen. Nachdem die Prestigegüter wie Mouton Rothschild, Margaux und Co. jedes Jahr die Preise kräftig ansteigen ließen, sind unsere Weinkunden nicht mehr bereit, diese Mondpreise von nicht selten 1.000 Euro für eine 0,75-l-Flasche zu zahlen“, sagt beispielsweise Tilo Lehmann, der als Marktleiter von Karstadt Perfetto in Wiesbaden tendenziell eine wohlhabendere Käuferschicht anspricht als der durchschnittliche Supermarkt. Aber nicht nur im oberen Preissegment beziehungsweise dem Fach- und Feinkosthandel reagieren die Kunden zurückhaltend : So beobachten die Marktforscher von Nielsen in allen Vertriebsschienen des Lebensmittel-Einzelhandels einen Absatzrückgang (Halbjahresvergleich 2015/2014).

Dass ausgerechnet ein preisgetriebener Discounter der Kategorie wertmäßig auf die Sprünge geholfen hat, überrascht in diesem Kontext also ziemlich. Genau ein Jahr ist es her, dass Lidl mit einer Bordeaux-Offensive Aufsehen erregte. Besonders die Menge und Bandbreite der Qualitäten konnte sich sehen lassen: Insgesamt 100 verschiedene Weine vom Preiseinstieg bis zum teuren Grand-Cru-Gewächs wurden deutschlandweit in den Märkten angeboten. Dazu kamen zusätzlich 500 Weine aus insgesamt zehn Anbauregionen im Online-Shop. Auch heute noch spielen französische Tropfen bei dem Discounter der Schwarz-Gruppe eine zentrale Rolle. „Im Rahmen unserer Aktionswochen werden regelmäßig diverse Weine angeboten und auch einzelne Aktionen wie die ‚Französische Weinwoche‘ durchgeführt. Durch dieses umfangreiche Fest-, Aktions- und Online-Angebot wollen wir neue Kundengruppen ansprechen, aber auch den ambitionierten Weinliebhaber von uns überzeugen“, sagt Isabel Lehmann, Sprecherin von Lidl. Aktuell liegt darüber hinaus das Magazin „ Wild und Wein “ in den Märkten aus. Beworben werden neben italienischen Klassikern wie Barolo auch französische Grand Crus wie ein Château Guirad für 39,99 Euro und ein Château d’Yquem für stolze 349 Euro.

Rückblinkend kann man heute sagen, dass der „Lidl-Effekt“ eine deutlich positive Auswirkung auf das Geschäft mit französischem Wein hatte. So konnte die gebeutelte Kategorie durch den Vormarsch des Discounters insgesamt wertmäßig zulegen , obwohl die Tropfen beim Umsatz in allen anderen Vertriebsschienen verloren haben (siehe Halbjahresvergleich auf Seite 74). „Die Lidl-Offensive hatte eine sehr positive Auswirkung, besonders in der Preiskategorie zwischen 3 und 15 Euro. Wichtig ist auch, dass Lidl durch die Werbemaßnahmen wieder die Aufmerksamkeit auf Bordeaux-Weine gelenkt hat“, sagt François Jumeau, Marketing Director des Conseil Interprofessionnel des Vins de Bordeaux (CIVB). Profitiert hat also, für einen Discounter überraschend genug, das mittlere Preissegment. Tilo Lehmann von Karstadt Perfetto sieht das Engagement seiner Wettbewerber gelassen: „Der Discount ist im Moment noch keine ernst zu nehmende ‚Bedrohung‘ für unser Wein-Kernsortiment. Gegenüber Lidl und Aldi haben wir einen entscheidenden Vorteil: Unsere Weinfachberater und Sommeliers“, sagt der Marktleiter.


Gefragt nach aktuellen Trends, erklärt Tilo Lehmann, dass in seinem Markt derzeit eher junge, unkomplizierte Weine von französischen Newcomern gefragt seien. Auch hätten die Kunden den Fokus auf die französischen Weißweine gelegt. So würden sowohl günstige Weiße aus dem Beaujolais gekauft als auch hochwertige Chablis und Sancerre. „Verkaufsschlager sind bei uns rebenreine Weine aus der Malbec-Traube, die dort Auxerois genannt wird“, erklärt er. Auch Weine aus dem Südwesten Frankreichs seien derzeit angesagt. Insbesondere könnten die Erzeugnisse aus Chaors punkten. Die tiefroten, dunklen Weine würden vor allem wegen ihres perfekten Preis-Genuss-Verhältnisses gekauft.

Apropos Preis : Bei diesem Thema scheiden sich die Geister. Französische Weine gelten generell als teuer, und die Preise sind laut Nielsen-Expertin Christiane Stuck sogar noch weiter gestiegen. Besonders Rotwein habe mit 19 Cent je 0,75-l-Flasche einen großen Sprung gemacht. Weißwein und Rosé verteuerten sich um 14 Cent, beziehungsweise 7 Cent. Insgesamt hat das der Kategorie wertmäßig geholfen. So ging der Absatz von französischem Wein laut Nielsen im Halbjahresvergleich 2015/2014 zwar um 3,3 Mio. auf rund 91 Mio. 0,75-l-Flaschen zurück. Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum aber um rund 9. Mio. Euro (die Zahlen gelten für den deutschen LEH und die Drogeriemärkte, jeweils 1. Halbjahr 2015/2014).

Stimmt also das Image der teuren Tropfen aus Frankreich? Der Bordeaux-Verband sieht das für die Erzeugnisse der vom ihm vertretenden Winzer naturgemäß etwas differenzierter: „Die Preis-Situation gestaltet sich als sehr gesund: Das Einstiegs-Level unter 2 Euro ist fast vom Markt verschwunden, wohingegen die mittlere Preisklasse zwischen 3 und 9 Euro nun 59 Prozent unserer Verkäufe nach Deutschland ausmacht“, erklärt Jumeau vom CIVB, der mit dieser Aussage klar dem Image des französischen Weins widerspricht, er sei zu teuer. Bordeaux kommt bei der Weinausfuhr nach Deutschland eine Schlüsselrolle zu: Laut CIVB wurden von Juni 2014 bis Juni 2015 36,6 Mio. Bordeaux-Flaschen nach Deutschland verkauft. Absatzmäßig ist die Bundesrepublik neben China der zweitwichtigste Markt für die Weingüter aus dem noch vor Languedoc-Roussillon und der Champagne wichtigsten Anbaugebiet aus Frankreich.

Wie es bei den Deutschen um den französischen Wein bestellt ist, verrät auch ein Blick in die Importstatistik des statistischen Bundesamtes: So belegte Frankreich 2013 hinter Italien (902 Mio. Euro), aber mit weitem Abstand vor Spanien (380. Mio. Euro) den zweiten Platz, was die Umsätze betrifft (653 Mio. Euro). Bei der Menge liegen die französischen Weine aber weit abgeschlagen hinter den italienischen Erzeugnissen. Mehr Klasse, weniger Masse, scheint also das Credo der deutschen Verbraucher beim französischen Wein zu sein.

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