Currywurst King of Pott und Berliner Chillup

Die Currywurst ist deutsches Kulturgut und auch heute noch ein Klassiker, an dem sich Hersteller und Händler abarbeiten. Die Avantgarde von einst, die Vorbereiter im LEH, könnten bald alt aussehen.

Freitag, 30. Januar 2015 - Sortimente
Christina Steinheuer
Artikelbild King of Pott und Berliner Chillup
Bildquelle: Shutterstock

Der Elvis unter den Currywürsten im LEH war viele Jahre der Curry-King von Meica – doch the one and only King hat Konkurrenz bekommen. Scharf und schärfer, so wie die verschiedenen Stärken der kultigen Currysauce, hat sich auch der Wettbewerb intensiviert. In die deutschen Currywurst-Charts sind namhafte Hersteller wie Rügenwalder, Remagen oder Müller’s Hausmacher Wurst eingestiegen. Mal wird mit TV-Werbung angegriffen, mal durch innovative Konzepte. So versuchte ein Mittelständler, den Klassiker aufs Brot zu bringen, als Belag. Doch der Currywurst-Lyoner scheiterte. Auch Nudeln gefüllt mit Currywurst waren dem Durchschnittsdeutschen zu viel Zukunftsmusik.

Der Klassiker an sich bleibt hingegen seit Jahren ein Evergreen: So stellt der rheinische Fleischwarenanbieter GS Schmitz seine Currywurst, einen traditionellen Artikel vom Niederrhein, bereits seit rund 30 Jahren her. Dem Klassiker hat die Weiterentwicklung zum Convenience-Artikel „Currywurst mit Sauce“ starken Auftrieb verliehen. Der Vergleich der Jahre 2004 und 2014 ergibt eine Umsatzsteigerung von 195 Prozent, bilanziert Außendienstler Herbert Baum: „Im Vergleich zu unserem restlichen Grillwurst-Sortiment rangiert die Currywurst auf Platz 1.“

Seit 13 Jahren ist die Firma Remagen aus der Nähe von Köln mit ihrer Currywurst am Markt. Da die Currywurst zu den drei beliebtesten Fastfood-Artikeln in Deutschland zählt, sieht man noch weiteres Potenzial, zumal der Currywurst-Anteil vom Gesamtsortiment des Unternehmens erst ca. 3 Prozent ausmacht. 2014 verkaufte Remagen von „Hardy’s Currywurst“ (220-g-Schale) ca. 61.000 kg. Der Absatz des Kombikartons Currywurst/Schaschlik lag bei ca. 87.000 kg. Für Großverbraucher wie Stadien und Caterer produziert das Unternehmen zusätzlich Currywurst in Sauce in einer 4-kg-Lakomatschale. Während im Norden eher rote Currywurst gegessen werde, bevorzugen Konsumenten im Süden und Westen der Republik eher weiße Currybratwurst.

In Wolfsburg können Konsumenten im Einzelhandel „Heaven and Hell“ kaufen, ein Currywurst-Fertigprodukt mit der Aufschrift „Volkswagen Originalteil“ auf der Verpackung. Der Autohersteller betreibt eine eigene Fleischerei (30 Mitarbeiter), die 2014 7,8 Mio. Stück Wurstwaren (+ 10 Prozent im Vergleich zu 2013) hergestellt hat. Auf die Currywurst entfiel mit 6,3 Mio. Stück das Gros der Produktion, so VW-Gastronomiechef Martin Cordes. Nicht nur VW drängt in den LEH, immer mehr verschmelzen die Bereiche Gastronomie, Großverbraucher und Handel. Das bedeutet zwar mehr Konkurrenz, aber auch, von den Erfahrungen anderer profitieren zu können.

Dass die Currywurst trotz (oder vielleicht auch wegen) der vielen vegetarischen und veganen Fleischersatz-Produkte, die derzeit auf den Markt drängen, und trotz der Gesundheits- und Nachhaltigkeitswelle eine fleischrosige Zukunft hat, daran zweifeln Marktbeobachter nicht. Jeder Trend hat seinen Gegentrend, und das Gewohnheitstier Mensch ändert sein Ess- und Konsumverhalten wider alle Bekundungen tatsächlich nur sehr zögerlich.

Was durch den Kopf geht, muss noch lange nicht im Magen ankommen. Seit Jahren ändert sich z. B. an den Lieblingsessen der Deutschen in der Betriebsgastronomie so gut wie nichts: Das Catering-Unternehmen Compass Group, mit mehr als 70 Mio. servierten Essen pro Jahr kein kleiner Anbieter, hat Ende 2014 die Nachfrage seiner Gäste im Jahresverlauf ausgewertet: Nach Spitzenreiter „Schnitzel mit Pommes“ folgt auf Platz zwei die Currywurst. Während exotische Gerichte und Salat-Variationen an wärmeren Tagen stark nachgefragt werden, greifen die Restaurantbesucher an kälteren Tagen lieber zu deftigen, heißen Gerichten. Fleisch- und Wurstgerichte sowie Pasta sind hingegen ganzjährig gern gewählte Favoriten.

Berlin: 1959 ließ Herta Heuwer ihre Currywurst Chillup patentieren. 2009 öffnete in Mitte Deutschlands erstes Currywurstmuseum. 63 Mio. Currywürste essen die Berliner angeblich jährlich, 800 Mio. sollen es in Deutschland insgesamt sein.

Zu dem Ergebnis, dass in deutschen Kantinen Küchenklassiker das Rennen machen, kommt auch Menüanbieter Apetito. Demnach stellt die „Currywurst mit Pommes“ seit mehr als einem Jahrzehnt unangefochten das Lieblingsessen am Arbeitsplatz dar, so der Geschäftsführer von Apetito Catering, Jörg Rutschke. Drei bis fünf Euro mussten deutsche Arbeitnehmer laut Apetito im vergangenen Jahr für ihr Kantinen-Essen zahlen. Das Unternehmen bietet in Kantinen, Schulen, Kindergärten und Altenheimen täglich rund 1,3 Mio. Fertiggerichte an, rund die Hälfte davon in Deutschland.

Da die Currywurst kein margenschwacher Artikel ist, probieren sich auch stetig mehr Handelsunternehmen als Hersteller, angefangen bei großen Fleischwerken bis hin zur Dohle-Tochter Hit Frische oder dem inhabergeführten Lebensmittel- und Textilhaus Bungert in der Eifel. An den Bedientheken vieler Hit-Märkte war frische Currywurst ein Renner. Aktuell wird aber am Konzept gearbeitet, sodass „wir unsere Currywurst, so wie sie in der Vergangenheit hergestellt wurde, nicht mehr flächendeckend anbieten“, sagt Patrick Höhn, Geschäftsführer der Hit Frische. Zur Überarbeitung des Currywurst-Konzepts will er allerdings noch keine Details verraten.

Das Konzept von Bungert steht: Abteilungsleiter Thomas Richter und sein Team haben eine Currywurst für die Dose entwickelt, die Soße entstand in Zusammenarbeit mit dem Gewürzunternehmen Eppers. Gestartet ist die frisch gebratene Currywurst in der Bedientheke. Wöchentlich wurden zwischen 30 kg zu 99 Cent/100 g und 300 kg zu 79 Cent/100 g verkauft. Der gleiche Artikel im Becher in der SB-Theke angeboten, ließ vor allem Jugendliche zugreifen. Drei Monate Entwicklungszeit hat es gedauert, bis der Artikel zum Jahresende 2014 dosenfertig war. Von der Nähe zum Nürburgring und wegen der vielen Open-Air-Veranstaltungen in der Umgebung, von Campingplätzen und Convenience-Kunden erhoffen sich Richter und sein Team eine starke Nachfrage. Aktuell werden wöchentlich je nach Werbung zwischen 50 und 500 Dosen im Markt verkauft (zusätzlich 80 an der unternehmenseigenen Tankstelle), 30 bis 300 kg an der Bedientheke sowie 20 bis 80 kg im SB-Becher. Für Großabnehmer produziert Bungert seine Currywurst auch in 3-kg-Sterildärmen.

Nicht auf die Dose, sondern auf die „tischfeine Alternative“ Weck-Glas setzt die Mannschaft um Carsten Büld bei Müller’s Hausmacher Wurst in Ebstorf: Im April 2014 startete in den Kühlregalen des LEH die „Currywurst… in lecker“ (200 g Füllmenge) in den Varianten „Classic“ und „Extra scharf“. Die Saucen zur gegrillten Rostbratwurst hat TV-Metzgermeister Dirk Sternfeld kreiert. Sie sind ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe und Konservierungsstoffe mindestens acht Wochen lang haltbar. Zum Jahresende wurde der Artikel in ausgewählten Supermärkten als ungekühlte „Ein-Weck-Currywurst“ mit 150 Tagen Haltbarkeit getestet. Beide Artikel werden nun auch ungekühlt im Display mit 96 Gläsern angeboten. Die seit Jahresende geführten Kundengespräche führten zur Listung bei Kaufland (seit Mitte Januar 2015) und in Edeka-Regionen (ab Februar 2015), Listungen bei Globus bestanden bereits. Die Artikel werden zudem verstärkt im Gastronomie- und Food-Service-Bereich angeboten. Noch in diesem Jahr soll die Convenience-Range erweitert werden.

Im Mai 2014 brachte Rügenwalder seine Currywurst und seine Frikadellen in Currysauce auf den Markt. Halte die starke Nachfrage an, könne man sich vorstellen, weitere Snack-Artikel mit Currysauce zu entwickeln, heißt es aus Bad Zwischenahn. Das Absatzpotenzial läge bei 1.000 bis 1.500 t/Jahr für die Currywurst und bei 600 t/Jahr für die Frikadellen. Weitere Currywurst-Varianten seien vorstellbar, so Godo Röben, Marketing-Geschäftsleiter: „Denkbär sind auch Kooperationen mit Industriepartnern.“ Conveniente Verpackung, mikrowellentaugliche Schale in imbisstypischer Form, Currypulver im separaten Tütchen zum Nachschärfen, der beigelegte Holzpiekser, kurz Imbiss-Feeling, bietet nicht nur die Rügenwalder-Currywurst, sondern seit mehr als zehn Jahren der Curry-King von Meica. „Dass die Currywurst im LEH als Fertigprodukt funktioniert, ist unserem Curry-King zu verdanken“, heißt es aus dem Hause Meica. Der King hat 2001 ein neues Segment im LEH geschaffen, das er seither anführt und weiterentwickelt, denn jeder „Erste“ weiß, nichts ist so schnell weg wie der Vorsprung. Auf den Pionier (220 g) folgten 2009 die XXL-Version (400 g), 2011 die „100 % Geflügel“-Variante (220 g) und 2014 der Curry-King extra scharf (220 g). Der King ist auch längst tot, aber in scharfer Erinnerung: „Love me tender, love me sweet...“