Tabak Die Ruhe vor dem Sturm?

Bei den Tabakkonzernen laufen die Vorbereitungen für die Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie auf Hochtouren.

Freitag, 12. Dezember 2014 - Sortimente
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Die Ruhe vor dem Sturm?
„Der Markt additivfreier Tabakwaren wird weiter wachsen,
zumal es sich um ein relativ junges Segment handelt.“
Patrick Engels, Geschäftsführender Gesellschafter,
Pöschl Tabak.
Bildquelle: Shutterstock

Die Katze ist (weitgehend) aus dem Sack: Bis Mai 2016 muss die Tabak-Produktrichtlinie (TPD) in der EU umgesetzt sein. Zwar sieht die Industrie noch Diskussionsbedarf, insbesondere was die Finanzierbarkeit der Vorgaben angeht, an den grundlegenden Entscheidungen aus Brüssel gibt es indes wenig zu rütteln. Zu den wichtigsten Neuerungen zählt die Pflicht, dass alle Zigaretten- und Feinschnittpackungen einen kombinierten Warnhinweis (Bild und Text) tragen müssen, der 65 Prozent der Vorder- und Rückseite der Packung einnimmt. Diese in den Medien häufig als „Schockfotos“ bezeichneten Darstellungen, sollen beispielsweise Raucherlungen oder vergammelte Zähne zeigen. Die abschreckende Wirkung solcher Bilder ist jedoch umstritten. Der Deutsche Zigarettenverband (DZV) kritisiert beispielsweise, dass in Ländern mit vergleichbaren Regelungen wie Australien und Kanada noch kein überzeugend belegter Wirkungszusammenhang zwischen dem Packungsdesign und verändertem Ko nsumentenverhalten existiert. Dementsprechend allergisch reagiert die Tabak-Branche auf die unschönen Abbildungen. „Diese Schockbilder in der jetzt vorgesehenen Größe werden nicht nur die legalen Produkte, sondern auch die Kunden, egal ob Raucher oder Nichtraucher, sowie die Mitarbeiter diskriminieren, weil sie sich dann statt in einem breit sortierten, genussorientierten Tabakwaren-Geschäft in einem Grusel-Kabinett befinden werden“, trommelt beispielsweise Rainer v. Bötticher, Präsident des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE).

Die Bilder könnten auch auf die Lebensmittel-Einzelhändler abschreckend wirken. Niemand möchte schließlich seine Kassenzone mit den Abbildungen von Raucherlungen schmücken. Die Industrie sieht hier bei der Zusammenarbeit mit dem Handel aber keine Probleme und gibt sich betont selbstbewusst. Reemtsma, Tochter von Imperial-Tobacco und mit Marken wie Gauloises und JPS Nummer zwei auf dem Deutschen Markt, betont die Bedeutung der Warengruppe: „Dem Handel ist die hohe Umsatzbedeutung der Warenkategorie bewusst und hier werden auf allen Ebenen Vorkehrungen getroffen, um den Umsatz zu halten. Wir arbeiten eng mit dem Handel zusammen, um auch nach Inkrafttreten der Richtlinie eine für alle Seiten weiterhin zufriedenstellende Lösung zu finden“, erklärt Reemtsma-Sprecherin Svea Milena Schröder. Auch Petra Wagner, Director Marketing & Sales bei Heintz van Landewyck , glaubt nicht daran, dass Zigaretten und Feinschnitt künftig von den Händlern versteckt werden:„Eine im Vergleich zu heute abweichende Art der Produktdarstellung bzw. Platzierung im Regal ist relativ leicht vorstell- und umsetzbar, um mit den Schockbildern nicht ein ‚Horrorkabinett‘ präsentieren zu müssen.“

Dennoch ist die TPD natürlich das beherrschende Thema in der vom illegalen Handel und Steuererhöhungen gebeutelten Industrie. Neben den Schock-Bildern sind Einschränkungen bei der Produktbeschreibung, das Verbot spezifischer Aromen (bspw. Menthol) sowie die verpflichtende Einrichtung eines umfassenden Systems zur Rückverfolgbarkeit jedes einzelnen Tabakproduktes Teil der Regulierung aus Brüssel. Patrick Engels, Geschäftsführender Gesellschafter von Pöschl Tabak auch Vorsitzender des Verbandes der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR) sieht bei der Umsetzung vor allem ein zeitliches Problem und stellt klare Forderungen an Brüssel und Berlin: „Dieses System wird technisch, wenn überhaupt, nicht innerhalb der vorgegebenen engen Zeitfristen umsetzbar sein. Die Fristen müssen daher definitiv verlängert werden. Darüber hinaus ist eine schnelle Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht unbedingt notwendig, um für Rechtssicherheit und weitere Planbarkeit zu sorgen. Andernfalls ist die Industrie nicht in der Lage, die Produktion fristgerecht an die neuen Vorgaben anzupassen.“

Auch Hajo Fischer, General Manager von Heintz van Landewyck , findet zu der Richtlinie klare Worte: „Für die Unternehmen ist die EU-Tabakproduktrichtlinie ein überbürokratisierter Supergau. Besonders die klein- und mittelständisch geprägten Unternehmen werden technisch, administrativ und finanziell vor existenzbedrohende Hürden gestellt.“

Wettbewerber Philip Morris teilt diese Einschätzung und sieht die Zulieferbetriebe in Gefahr. „Unternehmen unserer Größenordnung verfügen über eine bessere Infrastruktur und mehr Ressourcen, um ihre Kosten und die Komplexität zu bewältigen.“, heißt es in einer Stellungnahme des Marlboro-Herstellers. Es seien aber insbesondere die mittelständischen Hersteller, Material- und Packungslieferer, Tabakpflanzer und Mitarbeiter, die am meisten unter dem Einfluss leiden würden. Es sei Aufgabe der Politik, die Umsetzung in nationales Gesetz bis zum 20. Mai 2016 so zu gestalten, dass die Kosten für die Branche nicht noch weiter explodieren würden.

Am meisten fürchten die Hersteller, neben offensichtlichen Zusatzkosten für neue Verpackungsdesigns, die gesetzliche Verpflichtung für ein Rückverfolgungssystem , mit dessen Hilfe der illegale Handel in der EU eingedämmt werden soll. Hierbei würden nach Angaben des DZV hohe Kosten durch die Anschaffung von Soft- und Hardwarelösungen für die gesamte Lieferkette und bürokratische Belastungen durch die Verwaltung von hunderten Milliarden Datensätzen pro Jahr entstehen. Der effektiven Eindämmung des Schwarzhandels, dem eigentlichen Ziel der Rückverfolgbarkeit, wird hingegen wenig Chancen eingeräumt, denn: Über die neu zu schaffende Big Data-Plattform können nur alle legal hergestellten und gehandelten Packungen erfasst werden. „Das beabsichtigte Tracking & Tracing System für Tabakerzeugnisse setzt schlichtweg an der falschen Stelle an, nämlich ausschließlich an legal tätigen und den Behörden der jeweiligen Mitgliedstaaten bereits bekannten Hersteller- und Handelsbetrieben“, kritisiert beispielsweise der Bundesverband Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller .


Obwohl die Packungen erst zum Mai 2016 umgestellt sein müssen, laufen die Vorbereitungen der Konzerne schon jetzt auf Hochtouren, denn die Vorgabe aus Brüssel hat nicht nur für die Produktion und den Vertrieb weit reichende Konsequenzen, sondern auch für das Marketing. „Die Herausforderung besteht für uns darin, trotz der deutlich kleineren, frei gestaltbaren Fläche die typischen Gestaltungselemente und Markenwerte unseres Portfolios präsent zu halten“, erklärt Reemtsma-Sprecherin Schröder. Diese relative nüchterne Darstellung sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr die TPD an die Grenzen dessen geht, was die Unternehmen für legal halten. „Bei aller Normalität, mit der wir an diese Aufgabe herangehen, bleibt festzuhalten, dass diese neue Form der Regulierung einen drastischen Eingriff in die freie Produktgestaltung darstellt und der schrittweise Versuch zur Enteignung unserer Eigentums- und Markenrechte ist“,sagt Schr? ?der.

In den Marketing-Abteilungen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um trotz der kleinen Fläche auf der Packung eine möglichst effektive Gestaltung zu kreieren. „Eine mögliche Richtung für einen leichten Wiedererkennungseffekt ist die strikte Beschränkung auf wenige Kern-Elemente“, erklärt Petra Wagner von Heintz van Landewyck.„Weniger ist mehr“ scheint also das Credo, das sich derzeit bei vielen Verpackungsrelaunches bemerkbar macht. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die „neue“ Marlboro Gold. Ähnlich wie schon bei der roten Marlboro, setzt Philip Morris auf ein minimalistisches Design, das rein optisch nur noch aus dem charakteristischen Dach besteht.

Ungeachtet der politischen Rangeleien stellt der Tabakmarkt natürlich nach wie vor ein Milliardengeschäft dar. Die Fabrikzigarette verliert zwar, hauptsächlich aufgrund der sukzessiven Steuererhöhung, immer deutlicher und kam 2013 auf einen Absatz von nur rund 80 Mrd. Zigaretten (zum Vergleich: 2002 wurden noch 145 Mrd. Zigaretten konsumiert). Wachsende Segmente wie beispielsweise Feinschnitt ermöglichen es den Konzernen aber noch ihre Umsätze stabil zu halten oder sogar zu steigern.

Ein klarer Trend im Markt sind nach wie vor Tabakwaren ohne Aromastoffe , die mittlerweile von allen Herstellern in mehr oder weniger großem Umfang angeboten werden.Dabei ist in diesem Segment auch eine Dynamik bei den neuen Produktvarianten zu beobachten. Neu sind beispielsweise Zigaretten mit „Geschmacksdifferenzierung“ wie Lucky Strike Straight Dark oder Bright (British American Tobacco, BAT) mit zusätzlichem Virginia- oder Burley-Tabak. Die Idee dahinter: Die Varianten sollen demonstrieren, wie unterschiedlich Zigaretten ohne Zusätze schmecken können, ausschließlich durch die Auswahl unterschiedlicher Tabake aus bestimmten Anbaugebieten. „Straight Dark bietet mit dunklem Tabak aus dem Norden Kolumbiens einen würzig-kräftigen Geschmack, der helle Tabak der Straight Bright aus dem Süden Brasiliens steht für einen sonnig-aromatischen Full Flavour Geschmack“, heißt es bei BAT.

Der zweite große Trend sind nach wie vor Großpackungen . Sie werden in den verschiedensten Varianten sowohl im Bereich Zigarette als auch bei Feinschnitt immer stärker nachgefragt. Vor allem preissensible Raucher profitieren gne vom Preisvorteil. Deshalb spielen die großen Formate vor allem im Value-for-Money Segment eine Rolle.

Der dritte, den Markt bewegende Trend, sind die Volumentabake . Das Wachstum im Segment Feinschnitt beispielsweise geht laut Philip Morris in erster Linie auf die steigende Nachfrage von Volumentabaken zurück. Mit dem Chesterfield Volume Tobacco Red Giga Beutel möchte der Marktführer ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Aus 182 g Volume Tobacco Red können laut Hersteller bis zu 400 Zigaretten hergestellt werden.

Die Regelungen im Überblick

Die wichtigsten Punkte der Tabakprodukt-Richtlinie auf einen Blick.

Bei der Kennzeichnung werden Elemente und Merkmale verboten, die sich etwa auf Aromastoffe, Geschmack oder die Produktqualität („ohne Zusatzstoffe“) beziehen.

Alle Zigaretten- und Feinschnittpackungen werden einen kombinierten Warnhinweis (bestehend aus einem Bild und einem Text) auf 65 Prozent der beiden Hauptdarstellungsflächen der Packung tragen.

Zigaretten und Feinschnitttabak mit einem vom Tabak unterscheidbaren Aroma werden verboten. Menthol-Zigaretten gehören der Vergangenheit an.

Durch ein Rückverfolgungssystem soll der illegale Handel mit Tabakprodukten in der EU eingedämmt werden.

Die EU-Kommission kann die Regelungen durch Verordnungen ergänzen bzw. anpassen ohne das EU-Parlament und die Regierungen konsultieren zu müssen ( delegierte Rechtsakte ).

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unserer Eigentums- und Markenrechte.“
Reemtsma-Sprecherin Svea Milena Schröder