Retaildesign Hier ist die Ware der Star

Materialien und Auftritt müssen zur Marke des Kunden passen, zu seinen Produkten: Dafür baut Retaildesignerin Heike Brandt auf fundierte Vorarbeit und weniger auf die derzeit angesagten Trends.

Montag, 18. August 2014 - Sortimente
Susanne Klopsch
Artikelbild Hier ist die Ware der Star
Sauber: getrennt Die klassischen Schachbrettfliesen
in ungewöhnlichem Dekor trennen den Gastraum vom Verkaufsraum, ohne dem hellen Eichenholz den Auftritt zu nehmen.
Bildquelle: Christian Vorhofer

Lösungen von der Stange gibt es bei Retaildesignerin Heike Brandt nicht. Egal für welches Produkt oder Unternehmen. „Wir wollen die Marke des Kunden stärke, das heißt, Materialien und Auftritt müssen zum Kunden und seinen Produkten passen“, sagt die 45-jährige Berlinerin, „die Ästhetik entwickeln wir aus den Eckdaten und Vorstellungen des Kunden.“ Was nicht authentisch sei, das überzeuge nachher auch nicht. Da hilft es schon, wenn der Kunde seinen eigenen Stil kennt und seine Kunden: Warum kommt der Kunde zu mir, was soll er bei mir finden? Gute, detaillierte Planung ist vonnöten, bis ein Retailkonzept umgesetzt wird. Das könne dann schon mehrere Monate in Anspruch nehmen, doch diese Vorbereitung zahle sich für das Unternehmen aus, sagt Brandt.

Wie sie vorgeht, das beschreibt Heike Brandt anhand der Arbeit ihres Berliner Büros für den Bäcker Ruetz im österreichischen Tirol. In ausführlichen Gesprächen und Analysen gingen sie und ihr Team zum Start des Projekts den Bedürfnissen und Wünschen ihres Kunden auf den Grund. In der neuen Filiale in der Maximilianstraße in Innsbruck sollten die Verbundenheit und Verankerung des Unternehmens mit und in der Region zum Ausdruck kommen – die traditionsreiche Brotkompetenz des Bäckers für den Kunden sichtbar werden. Nach der Umgestaltung und Erweiterung der Verkaufs- und Gasträume (insgesamt etwa 200 qm) vermittelt eine moderne Hüttenästhetik nun Offenheit und viel Natürlichkeit: Dielenfußboden, Wandverkleidung und Bestuhlung des Cafés sind aus hellem Eichenholz. Eine optische Trennung zum Verkaufsraum wird durch die klassischen Schachbrettfliesen in grau und weiß mit einem ungewöhnlichen Muster erreicht.

Große Schautafeln, Fotos und typische Handwerkszeuge des Bäckers sind nicht nur reine Dekoration: Sie geben Auskunft über die handwerkliche Herstellung und Qualität der Produkte. Der Kunde sieht, wo und wie gebacken wird: Er kann in die hinter dem Verkaufstresen liegende Backstube schauen. Gratis gibt es dazu noch den appetitanregenden Duft, der beim Backen in die Verkaufsräume zieht. Der Verkaufstresen selbst ist mit hellem Eichenholz verkleidet, wirkt ruhig und aufgeräumt. „Die Möbel nehmen sich insgesamt zurück“, beschreibt Brandt, „das Produkt muss im Mittelpunkt stehen.“ Dazu gehöre es auch, dem Unternehmen zu vermitteln, dass es durchaus sinnvoll sein kann, mit reduziertem Warendruck zu arbeiten. „Ordnung und visuelle Ruhe erleichtern nicht nur dem Kunden die Auswahl, sie unterstützen auch die Wertigkeit der Produkte. Dazu passt eine unstrukturierte und zu volle Auslage nicht“, sagt die Designerin. Wertig und köstlich sind die Stichworte.


Dem Kunden ein echtes Erlebnis bieten: Das hatte sich der Auftraggeber Agrarmarketing Tirol für die Neugestaltung der Alpbachtaler Heumilchkäserei als Ziel gesetzt. Dazu musste ein Anbau aus den 70er-Jahren weichen. Stattdessen zieht nun eine optisch klare Fassade aus regionalem Lärchenholz und viel Glas in den Laden, bietet quasi schon von außen den Blick hinter die Kulissen. Eine moderne Optik, die jedoch ihre Herkunft Alpenraum nicht verleugnet.

Auch das Innere ist offen gestaltet mit einem L-förmigen großen Verkaufs- und Selbstbedienungstresen. Das Lärchenholz aus der Region findet sich auch im Inneren wieder. Die Rückwand hinter dem Tresen hat ein individuell gestaltbares, flexibles Loch- und Stecksystem. So können einzelne Regalelemente zügig angebracht oder entfernt werden. Der Boden aus poliertem, naturbelassenem Beton hält sich dezent im Hintergrund. Für die Region ist die Alpbachtaler Kuh identitätsstiftend: Ein lebensgroßes Modell der typischen Alpbachtaler Kuh auf dem Dach findet im Inneren in dem Gemälde der Künstlerin Daniela Friederike Lüers seine Entsprechung. Eine zweite Ausbaustufe, so Brandt, ist schon in Planung. Im Obergeschoss über dem Laden soll ein großzügiger Verkostungsbereich für Besuchergruppen mit einem erweiterten Blick von oben in die Manufaktur entstehen.

Über Trends bei der Gestaltung der Bereiche für Brot und Backwaren im LEH will sich Heike Brandt eigentlich gar nicht äußern, „das interessiert uns nur bedingt“. Farbe und Materialien sollen sich schließlich aus der Marke herausentwickeln. Allerdings beobachtet die Berlinerin eine generelle Tendenz hin zu natürlichen Materialien und Farben mit dem passenden Licht. Und hat dann doch noch ein paar generelle Tipps, die den Kunden von heute ansprechen.

Transparenz: Der Kunde darf ruhig sehen, wo und wie gebacken wird, wo und wie die frischen Sandwiches für die Auslage zubereitet werden.

Ruhe in der Auslage: Den Verkaufstresen nicht zu voll packen, zu hoher Warendruck wirkt im Bereich Brot und Backwaren nicht verkaufsfördernd. Der Kunde ist schnell überfordert von einer zu vollen und unruhigen Brot- und Kuchentheke. Brandt plädiert für Ordnung und visuelle Ruhe: „Geben Sie den Produkten ihren Raum zurück.“

Die Ware ist der Hingucker: „Möbel können assistieren, Ziel sollte es sein, die Waren wirken zu lassen“, sagt Brandt.

Studio Brandt

Die studierte Industriedesignerin Heike Brandt gründete 2009 die Agentur Studio Brandt in Berlin. Zuvor hatte sie zwölf Jahre in London als Designerin bei den international renommierten Agenturen JHP Design und Pentagram gearbeitet. Die 45-Jährige hat sich mit ihrem Unternehmen auf Markenarchitektur und Retaildesign spezialisiert. Die Konzeption von Bäckereien und Shops mit Produkten aus dem Bereich Food bezeichnet sie als „besondere Spezialität“ von Studio Brandt.

Brandt ist zudem Gastdozentin an der Universität Innsbruck, Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Handwerk: Traditionsbewusst und modern
präsentieren sich Verkaufs- und Gasträume der
Innsbrucker Bäckerei Ruetz nach dem Umbau.
Schautafeln und Fotos mit Werkzeugen des
Bäckers zeigen, dass Backen Handwerk ist.
Bild öffnen Sauber: getrennt Die klassischen Schachbrettfliesen
in ungewöhnlichem Dekor trennen den Gastraum vom Verkaufsraum, ohne dem hellen Eichenholz den Auftritt zu nehmen.
Bild öffnen Einblick: gewähren Großzügige Fenster ziehen den Blick
hinein in die Alpbachtaler Heumilchkäserei in Tirol.
Bild öffnen Durchblick: haben Im SB-Restaurant Salta im spanischen
Barcelona sieht der Kunde zu, wie aus den zuvor ausgewählten
Zutaten das Essen entsteht. Transparenz war für Heike Brandt
und ihr Team daher Richtschnur bei der Gestaltung der Räume.