Getränke-Dose Totgesagte leben länger

Die Dose ist zurück. Und mit ihr die alte Diskussion um Vor- und Nachteile von Einweg-Gebinden. Die LP lud zum konstruktiven Gespräch nach Berlin.

Mittwoch, 25. August 2010 - Sortimente
Tobias Dünnebacke
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Die von Seiten der Politik und Umweltschützern viel gescholtene Dose erlebt im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel derzeit ein Comeback. Herr Hinkel, was entgegnen Sie denjenigen, die diese Entwicklung in ökologischer Hinsicht mit Argwohn betrachten?

Wolfgang Hinkel: Die Getränkedose hat sich von 1995 bis 2009 erheblich verbessert was die Ökologie angeht. Erreicht wurde das mit der Steigerung der Recyclingrate auf 95 Prozent sowie mit weiteren Gewichtreduzierungen in einer Größenordnung von 33 Prozent. Die Getränkedosenhersteller haben hier ihre Hausaufgaben gemacht, denn mit diesen beiden Maßnahmen sparen wir den Einsatz von Primärmaterial und tragen zur Verbesserung des Klimawandels bei.

Herr Stadler, Sie sind Präsident der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg) und verantworten bei Coca-Cola die Position Direktor Umwelt Europa und Direktor Technik Deutschland. Auch Coca-Cola setzt seit diesem Jahr wieder verstärkt auf die Dose. Ist der Präsident der wafg ein Einweglobbyist?

Klaus Peter Stadler: Die wafg und ihr Präsident sehen sich als Anwälte für die diskriminierungsfreie Verwendung von Verpackungen im Markt. Egal ob Glas, Dose, PET: Alle Gebinde leisten – je nach Situation – ihre Dienste und haben ihre Daseinsberechtigung in der Konsumentenwelt. Letztlich entscheidet der Verbraucher. Und was Coca-Cola betrifft: Dies ist ein Unternehmen, dessen Mehrweganteil über 70 Prozent liegt. Es ist enttäuschend, wenn dieses Faktum schlicht ignoriert wird.

Der Handel selbst kann nicht als Vorreiter für ein bestimmtes Gebinde gesehen werden. Wie aber ist das Dosen-Comeback, trotz der hohen Bepfandung, zu erklären?

Kai Falk: Die Dose kommt wieder, weil der Verbraucher das so will. Ohne Mehrweg zu diskreditieren: Aus unserer Sicht wird die politische Diskussion viel zu materialbezogen geführt. Dabei ist doch klar: Es gibt nicht das gute oder das schlechte Gebinde. Der Handel orientiert sich an den Bedürfnissen der Verbraucher und der wünscht sich flexible Lösungen. Im Convenience-Bereich, also beim Unterwegskonsum macht Einweg Sinn. Auf der anderen Seite hat Glas-Mehrweg bei den regionalen Bierbrauern nach wie vor eine starke Position. Letztendlich wird immer der Verbraucher entscheiden und wie es aussieht will er die Dose zurück.

Tobias Tuchlenski: Außer im Bierbereich wird Mehrweg immer mehr aus den Regalen verschwinden. Für den Handel ist es ein enormer logistischer Aufwand zwei Systeme zu fahren. Die Umstellung nur auf Einweg macht aus Sicht des Handels Sinn.

Sieben Jahre nach der Einführung des Pflichtpfandes auf Einweggetränkeverpackungen. Was ist Ihr Resümee?

Tuchlenski: Wir haben heute deutlich mehr Einweg im Markt als noch vor der Pfand-Novellierung. Damit ist das politische Vorhaben im Bezug auf die Mehrweg-Stabilisierung gescheitert.

Hinkel: Die Entwicklung der fallenden Mehrwegquote ist die logische Folge des Pflichtpfandes. Dem Handel wurden durch das Rücknahmesystem enorme Investitionen aufgezwungen. Damit sich diese Ausgaben auch rechnen, müssen jetzt viele bepfandete Einweggebinde durch die Automaten zurückgenommen werden. Das ist reine Betriebswirtschaft.

Falk: Der Handel hat Situation exzellent aufgegriffen und die zwei Systeme etabliert. Dass sich Einweg immer stärker durchsetzt ist wegen der sich wandelnden Konsumentenbedürfnisse und dem einfacheren Handling keine Überraschung.

Umweltschützer fordern eine Lenkungsabgabe auf Einweggetränke zusätzlich zum Einwegpfand. Was halten Sie von solchen politischen Maßnahmen?

Hinkel: Es gibt aus meiner Sicht keine Berechtigung, Mehrweg zwanghaft zu schützen. Selbst die Autoren der vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen Bifa-Studie kommen zu diesem Schluss. Kein Gebinde ist per se gut oder schlecht, es kommt immer auf den Einsatz an.

Stadler: Solche einseitigen Lenkungsinstrumente machen keinen Sinn und sie funktionieren nicht. Aber es gibt ein Thema, dem viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte: Das im Kreislaufwirtschaftsgesetz verankerte effiziente Ressourcenmanagement. Gemeinsam mit der Politik müssen wir die Komplexitäten der Kreislaufwirtschaft angehen und mehr Ressourceneffizienz schaffen – das gibt zum Beispiel auch mehr Unabhängigkeit vom Rohöl.

Falk: Schon das Einwegpfand hat nicht das von der Politik gewünschte Resultat gebracht. Eine Lenkungsabgabe wird es noch weniger tun.

Ein Problem, das auch Umwelt- und Verbraucherschützer ansprechen. Sie fordern eine neue und einfachere Kennzeichnung und werden dabei von den Autoren der Bifa-Studie unterstützt.

Stadler: Ich habe meine Schwierigkeiten mit solchen Vorgaben an die Industrie. Bei kleinen Gebinden ist jetzt schon kein Platz mehr auf dem Etikett. Ich würde mir viel eher eine nüchterne Diskussion zwischen Handel, Industrie und Politik wünschen, wie man gemeinsam eine Kommunikation für eine verbesserte Wahrnehmung des bei Einweg praktisch durchgehend verwendeten DPG-Logos auflegen könnte.

Tuchlenski: Meiner Meinung nach achten die Verbraucher bei Getränken gar nicht so sehr auf das, was auf dem Etikett steht, bzw. es versteht keiner, welcher Artikel in Plastik mit 15 oder 25 Cent bepfandet wird. Die Aufschrift „Kein Pfand“ allerdings stellt einen Vorteil, ein Kaufargument dar. Alles andere spielt beim Kauf eine eher untergeordnete Rolle.

Herr Hinkel, Ihr Unternehmen arbeitet seit Jahren an Energiesparprogrammen, wie der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht offen legt. Wäre Ball Packaging ohne das Einwegpfand und das gestiegene Bewusstsein der Öffentlichkeit für ökologische Nachhaltigkeit heute an dem gleichen Punkt angekommen?

Hinkel: Ich gebe zu, vor 37 Jahren – solange produzieren wir schon Getränkedosen – hat man weniger über Nachhaltigkeit im ökologischen, als viel mehr im ökonomischen Sinne nachgedacht. Aber aufgrund der Tatsache, dass wir gezwungen waren, durch Kostenreduzierungen wettbewerbsfähig zu bleiben, haben wir gleichzeitig viel zum Nachhaltigkeitsthema beigetragen.

Bei Bier konnte sich die PET-Flasche nicht durchsetzen und die Mehrwegquote ist bis heute auf stabil hohem Niveau. Wird sich das nun ändern?

Tuchlenksi: Der Verbraucher hat Bier in der PET-Flasche nicht akzeptiert. Bei der Dose sehe ich mehr Potenzial. Sie ist beim Verbraucher beliebt. Es gibt außerdem logistische und ökobilanzielle Vorteile: Heute hat jede Brauerei ihre eigene Premium Flasche. Das erzeugt weite Wege und führt zu einem heillosen Durcheinander im Mehrweg-Pool, da die Flaschen zu jeder einzelnen Brauerei zurückgeführt werden müssen. Dieses Problem besteht bei der Dose nicht.

Hinkel: Wir sind keine Mehrweggegner und sehen für Mehrweg deshalb die Vorteile im regionalen Bereich. Bei weiten Entfernungen ist die Getränkedose aber das bessere Gebinde. Das ist auch eine Erkenntnis der ifeu-Studie vom Mai 2010. Denn es macht weder ökologisch noch ökonomisch Sinn, die leeren Flaschen und Kisten quer durch die Republik zu fahren.

Stadler: In den 1990er-Jahren gab es die einheitliche NRW-Flasche. Die konnte überall gewaschen und wiederbefüllt werden. Seit ein paar Jahren gibt es aber den Trend bei den großen Brauereien die Markenwertigkeit über eine Individualflasche auf das Gebinde zu übertragen. Bei kleineren Pools sinkt die Wiederbenutzungsrate – mit möglichen Folgen für die Ökobilanz.

Ein Problem, das auch bei Mineralwasser besteht?

Hinkel: Bestimmte Personen sprechen immer noch von 50 bis 60 Umläufen pro Glas-Mehrweg-Flasche. Aufgrund der immer mehr zunehmenden individuellen Kisten und Flaschen sind diese Umlaufzahlen nicht mehr aktuell und gehen völlig an der Realität vorbei.

Den Mehrwegbrunnen machen seit Jahren besonders die Discounter zu schaffen. Hier ist die Einwegentwicklung von der Absatzseite stark preisgetrieben.

Stadler: Es gibt offensichtlich so hohe Kapazitäten und einen solch starken Konkurrenzdruck, dass man sich preislich sehr weh tut. Dabei wäre es nicht ganz fair, die Preisdiskussion beim Wasser nur auf den Discount zu richten. Auch bei lokalen Brunnen gibt es ähnliche Auswüchse.

{tab=Konstruktives Gespräch}
(v.l.): Wolfgang Hinkel, Geschäftsführer Ball Packaging Europe Metall; Dr. Klaus Peter Stadler, Präsident der Wirtschaftsvereinigung alkoholfreie Getränke; Reiner Mihr, LP-Chefredakteur; Kai Falk, Pressesprecher Hauptverband des Deutschen Einzelhandels; Tobias Tuchlenski, Regionsmanager der Kaiser's Tengelmann GmbH.




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