Vegan/Vegetarisch Das zweite Standbein

Pflanzliche Milch- und Käse-Alternativen sind mittlerweile viel mehr als nur Ersatzprodukte. Unter den Lieferanten tummeln sich große Molkereien, die sich auf diesem Gebiet ein zweites Standbein aufbauen.

Mittwoch, 08. Juli 2020 - Molkereiprodukte
Heidrum Mittler
Artikelbild Das zweite Standbein
Bildquelle: Heidrun Mittler

Wachstumsraten, von denen man schwindlig wird: Die Warengruppe der vegetarischen und veganen Milchalternativen entwickelt sich in rasantem Tempo. Sowohl die Alternativen der Weißen als auch der Gelben Linie haben in den letzten beiden Jahren zugelegt. Legt man aktuelle Nielsen-Zahlen zugrunde, betrug das Wachstum im vergangenen Jahr 22 (weiß) beziehungsweise 23 Prozent (gelb). Im laufenden Jahr beflügelt die Corona-Pandemie die Entwicklung. Bis zur Kalenderwoche 22, also Ende Mai, stehen Raten von 42 (weiß) und 37 Prozent (gelb) in den Büchern. Natürlich auf viel kleinerer Basis als bei vergleichbaren Milchfrischprodukten.

Große Firmen unterwegs
Was das Marktgeschehen beeinflusst? Ganz klar spiegeln sich hier die Aktivitäten der Marktteilnehmer wider. Die Alternativen sind eine Spielwiese für große Player – und zwar interessanterweise größtenteils aus der klassischen Milchwirtschaft.

Ganz offensichtlich schätzen sie die Chancen für die Konkurrenz-Produkte der Kuhmilch so hoch ein, dass sie kräftig in den Markt investieren. Nur einige Beispiele:
Danone führt gerade eine pflanzenbasierte Variante für seine Actimel-Linie ein. Die Drinks mit speziellen Bakterienkulturen und Vitaminen sollen das Immunsystem unterstützen – ein Benefit, der in Corona-Zeiten noch stärker als üblich im Fokus der Verbraucher steht. Die vegane Range basiert auf Mandelbasis. Sie folgt übrigens der Activia-Range, die bereits pflanzenbasiert im Sortiment ist.

Alpro – ein Unternehmen, das den Markt maßgeblich aufgebaut hat – hat seine Zielgruppe gerade um Kinder erweitert und führt entsprechende Soja-Quarkalternativen ein. Am Portfolio allein der Alpro-Drinks wird deutlich, welche Rohstoffe anstelle von Kuhmilch häufig zum Einsatz kommen: die schon erwähnten Grundstoffe:

Vielfalt bei Brotaufstrichen
Hochland: Große Molkereien nutzen ihre Erfahrung und Vertriebsstrukturen, um Käse-Alternativen nach vorn zu bringen. So steht hinter Simply V – nach eigener Angabe die Nummer eins im Segment Käse-Alternativen mit einem Marktanteil von knapp 80 Prozent – die Hochland-Gruppe. Über die Tochter E.V.A. mit Sitz in Oberreute vermarktet man seit fünf Jahren vegane Produkte zum Streichen oder als Scheiben sowie in geriebener Form.

Karwendel mit Sitz im Allgäu ist ebenfalls alternativ unterwegs. Die Marke Noa setzt auf eigenständige Produkte zum Streichen und Dippen, und zwar auf der Basis von Hülsenfrüchten. Dabei bringt man Trendprodukte wie Kichererbsen, Linsen und Avocado in den Becher. Der Anbieter betont, dass die Erzeugnisse ohne Einsatz von Gentechnik hergestellt werden.

Für Wilmersburger ist die Beschreibung „frei von“ ebenfalls wichtig. Das 2011 gegründete Unternehmen – das nach eigener Auskunft von Beginn an jedes Jahr schwarze Zahlen geschrieben hat – legt Wert auf den Fakt: Alle Produkte sind frei von Gentechnik, Soja, Gluten und Laktose (was zu erwarten ist, da Laktose der Milchzucker ist).

Das Hamburger Käselager (HKL) engagiert sich als ausgewiesener Spezialist für Käse schon seit Jahren im pflanzlichen Segment. Die Produktlinie heißt „Bedda“ und will „die Welt ein bisschen besser machen“, weshalb es heißt: „make a bedda world“ . Ein lustiges Wortspiel, zudem betont man, dass Verbraucher bei den Alternativen zu Frischkäse, Feta, Scheiben und Schmelzkäse auf nichts verzichten müssen, vor allem nicht auf Geschmack.

Bei der PHW-Gruppe handelt es sich zwar nicht um einen traditionellen Milchverarbeiter. Wohl aber um den größten deutschen Produzenten und Vermarkter von Geflügelprodukten (Marke Wiesenhof). Die Gruppe beschäftigt sich intensiv mit alternativen Proteinen, so vertreibt man in Deutschland etwa den Beyond Burger. Auf der Anuga 2019 hat PHW den ersten veganen Mozzarella auf Mandelbasis vorgestellt. Seit Juni wird „Mondarella“ über „Al-mond Dairy“ vertrieben. Der neue Vertriebspartner sieht sich selbst als „ein visionäres italienisch-deutsches Start-up“. Es wurde gegründet von Piero Brunetti, der das Mozzarella-Pendant laut eigener Aussage erfunden hat. Das Produkt ist bei Lidl und Kaufland gelistet. Brunetti zu den Anforderungen an Veggie-Produkte: Sie sollten der Umwelt guttun und gesund, aber auch „ehrlich, transparent und vor allem köstlich“ sein.