Interview mit Jan Roelofs Suche nach höheren Zielen

Gut für Kühe, Landwirte und Umwelt: Nach diesem Prinzip wirtschaftet Käse-Spezialist Beemster – Cono Kaasmakers. Jan Roelofs, Vertriebschef für Deutschland, spricht im Interview über neue Herausforderungen.

Donnerstag, 13. September 2018 - Molkereiprodukte
Bettina Röttig
Artikelbild Suche nach höheren Zielen
Bildquelle: Beemster

Weidegang und Wasserbetten für die Beemster-Kühe und die CO2-neutrale Käse-Erzeugung in der selbst ernannten „grünsten Käserei der Welt“: Tierwohl und Nachhaltigkeit werden bei der nordholländischen Molkereigenossenschaft Beemster – Cono Kaasmakers groß geschrieben. Kern des Engagements: das erste geschlossene Nachhaltigkeits-Management-System für Milchhöfe und Molkerei, ursprünglich von Ben&Jerrys und der Universität Wageningen entwickelt und seit 2008 von Beemster umgesetzt. Was das Unternehmen bisher erreicht hat und welche neuen Ziele sich die Molkerei sucht, erklärt Jan Roelofs, Managing Director Deutschland und International.

Beemster – Cono Kaasmakers feiert in diesem Jahr 10 Jahre „Caring Dairy“. War die Implementierung des Nachhaltigkeits-Programms zugleich auch der Startschuss für das Nachhaltigkeits-Engagement der Genossenschaft?
Jan Roelofs: Nein, wir haben uns schon viel früher auf den Weg gemacht. 2002 waren wir die europaweit erste Molkerei, die eine Weideprämie eingeführt hat. Damals hatte keine NGO das Thema Weidegang überhaupt auf dem Schirm. Damals schaute schon die gesamte Branche auf unsere kleine Molkerei-Genossenschaft. Die Implementierung von Caring Dairy war für uns jedoch ein wesentlicher Meilenstein, den man feiern sollte. Wir waren 2008 weltweit das erste Molkereiunternehmen, das damit ein geschlossenes Nachhaltigkeits-Management-System auf seinen Milchhöfen eingeführt hat. Seitdem sind wir eine Lokomotive der Nachhaltigkeit für die europäische Milchindustrie und haben dazu beigetragen, Tierwohl voranzutreiben. Den von uns entwickelten Kuh-Kompass beispielsweise haben wir 2012 für die Branche freigegeben, um Standards in der Tierhaltung zu erhöhen.

460

Bauernhöfe mit durchschnittlich 100 Kühen pro Hof gehören zur Molkereigenossenschaft Beemster - Cono Kaasmakers.

Welche messbaren Verbesserungen haben Sie bisher erreicht?
Beemster-Käse wird zu 100 Prozent aus Weidemilch hergestellt. Das Besondere: Cono-Milchkühe stehen im Schnitt an 180 Tagen im Jahr auf der Weide, rund 10 Stunden täglich – es sei denn, es ist für die Tiere viel zu heiß wie in diesem Rekordsommer. Sehr stolz sind wir auch darauf, dass der Antibiotika-Einsatz unserer Höfe weit unter dem Landesdurchschnitt liegt – ganz klar ein Verdienst des Caring-Dairy-Systems. Über dieses werden nicht nur unzählige Parameter rund um die Tiergesundheit protokolliert, es fördert proaktives Handeln der Landwirte zur Gesunderhaltung der Milchkühe. Dass wir hierdurch weniger Antibiotika einsetzen müssen, können wir seit Jahren klar belegen. Ein weiterer großer Schritt für uns: In unserer grünen Käserei sparen wir im Vergleich zur alten Käserei 75 Prozent Wasser und 25 Prozent Energie.

Sie arbeiten Ihre Kriterien rund um Tierwohl stetig weiter aus. Worauf legen Sie hierzu aktuell einen Fokus?
Wir haben gesehen, dass zum Beispiel Bürsten einen sehr positiven Effekt auf das Tierwohl haben. Auf den Betrieben laufen diese mindestens 20 Stunden pro Tag, die Tiere genießen die Massage und Fellpflege. Weniger Parasiten im Fell bedeutet natürlich auch eine bessere Gesundheit. Seit diesem Jahr ist der Einsatz von Bürsten daher für alle Betriebe Pflicht. Weiche Liegeflächen sind zudem Teil unseres Tierwohl-Programms. Ab 2018 gilt die Vorgabe „100 Prozent weiche Liegeflächen und 100 Prozent Stallbesetzung“, also steht nun jedem Tier rund um die Uhr ein eigener weicher Liegeplatz zur Verfügung. Darüber hinaus ist eine regelmäßige Klauenpflege seit diesem Jahr eine feste Routine und wird auch im Kuh-Kompass dokumentiert.


Wo lagen in den vergangenen Jahren die größten Herausforderungen?
Eine stetige Herausforderung besteht darin, dass die Tierwohl- und Nachhaltigkeitsthemen, die zum Beispiel der deutsche oder holländische Handel fordert, nicht unbedingt deckungsgleich sind mit den Aspekten, die ein Landwirt als am wichtigsten erachtet. Die Aufgabe unseres Managements ist es, hier die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

Bitte geben Sie ein Beispiel.
Nach wichtigen Tierwohl-Maßnahmen befragt, nennen Landwirte zum Beispiel die Klauenpflege – kein Aspekt, der sich als Verkaufsargument eignet.

Ein neuer Schwerpunkt, sicherlich auf Initiative des Handels hin, ist die Umstellung auf „ohne Gentechnik“ – im Grunde einige Jahre später als Ihre Wettbewerber. Warum erst jetzt?
Intern haben wir seit 2016 über eine VLOG-Zertifizierung diskutiert, seit Juni 2017 haben fünf Landwirte die Umstellung für uns getestet. Während der deutsche Markt das Kriterium fordert, ist „ohne Gentechnik“ in Holland noch kein Thema. Es war schwierig, unseren Bauern die Notwendigkeit einer Umstellung zu vermitteln. Viele Wettbewerber haben nur einen kleinen Anteil ihrer Milch zertifizieren lassen. Wir wollten aber alle Cono-Höfe im Boot haben. Zum einen, weil getrennte Milchströme zusätzliche Transporte bedeuten, was unserer Nachhaltigkeitsstrategie zuwider läuft. Zum anderen, weil wir meinen, dass ein solches Thema erst glaubwürdig ist, wenn es zu 100 Prozent gelebt wird, und dass eine Entscheidung unumkehrbar ist, wenn sie zu 100 Prozent getroffen wurde. Das haben wir geschafft.

Wie schnell erfolgt die Umstellung?
Aktuell sind 25 von 460 Höfen in der Umstellungsphase. Die weitere Umstellung folgt einem Vier-Phasen-Plan. Dabei gehen wir geografisch vor, um die Logistik, sprich Milchabholung, effizient zu gestalten, bis schließlich alle Höfe auf Gentechnikfreiheit umgestellt sind und alles über die gesamte Kette nach VLOG-Standard zertifiziert ist. Dies schaffen wir bis 2020.

Wie honorieren Sie den Mehraufwand?
Wir zahlen hierfür 1 Cent pro Kilogramm Milch zusätzlich zu unseren fairen Milchpreisen und Aufschlägen für Weidegang und Caring Dairy.

Beemster-Käse ist aufgeladen durch den Aspekt Weidemilch, Tierwohl, jetzt kommt noch ohne Gentechnik dazu. Folgt dann irgendwann die Umstellung auf Bio oder ein Tierschutz-Label?
Es gibt bereits Beemster Bio: Fünf Höfe haben die Umstellung vollzogen, wollten aber zu unserer Freude gerne bei Cono bleiben. Wir streben aber nicht nach zig Siegeln und gehen lieber unseren eigenen Weg, anstatt nur auf alles zu reagieren. Das bedeutet, dass wir weiterhin Pionierarbeit leisten möchten in Sachen nachhaltiges Wirtschaften und Tierwohl. Unsere Maßnahmen müssen auf beide Bereiche einzahlen. Dabei fordern wir als Genossenschaft sehr viel von unseren Landwirten, das ist uns bewusst. Wichtig ist aber immer abzuschätzen, was ein Bauer emotional und rational, sprich: auch monetär, noch zusätzlich leisten kann – ein wahrer Drahtseilakt.

180 Tage

im Jahr stehen die Beemster- Kühe im Schnitt 10 Stunden auf der Weide. Für das Weidemilch- Siegel wird Weidegang lediglich pro Jahr für mindestens 120 Tage à 6 Stunden vorgeschrieben.

Wie gelingt es Ihnen, Ihre Landwirte mitzunehmen?
Im Grunde kommen viele Impulse für unsere Verbesserungsmaßnahmen von unseren Bauern, von der Basis. Näher an der Kuh ist schließlich keiner. Andere Themen stößt das Management an, beispielsweise wenn es um ein marktbedeutendes Thema wie die Gentechnikfreiheit geht. Die Entscheidungen werden aber immer vom obersten Gremium, unserem bäuerlichen Genossenschafts-Vorstand, getroffen. Er gibt den Weg für Cono klar vor. Dabei lassen wir den Landwirten jedoch Freiheiten. Diese Vorgehensweise ist im Caring-Dairy-System verankert. Jeder Betrieb wählt die für ihn zunächst wichtigsten Fokusthemen aus und geht den Weg mit uns Schritt für Schritt. Geht es um die Umsetzung einzelner Maßnahmen, unterstützen wir zum Beispiel durch Workshops auf den Höfen. Dabei berichten die Landwirte auch untereinander von ihren Erfahrungen – das nimmt Ängste und inspiriert. Natürlich honorieren wir den Mehraufwand auch. Seit 15 Jahren zahlen wir den höchsten Milchpreis in Holland.

Welche neuen Projekte und Herausforderungen wird Cono als nächste angehen?
Die optische Einpassung an die Landschaft ist eine der nächsten Pflichten. Zudem wird die Steigerung der Selbstversorgung mit Futter eine wachsende Bedeutung bekommen. In Holland gibt es seitens der Branchenorganisationen die Vision der „Grundgebundenheit“. Das Ziel ist im Grunde eine extensive Kreislaufwirtschaft mit einem hohen Grad an Selbstversorgung mit Futtermitteln. Sollte die Vision zur gesetzlichen Forderung werden, sind wir gut aufgestellt: Die maximale Besatzdichte von zwei Kühen pro Hektar Land erfüllen wir bereits, der Grad an Selbstversorgung mit Futtermitteln, in dem Fall Gras als Eiweißlieferant, ist bei Cono mit 70 Prozent bereits sehr hoch. Dennoch wird es sicher viel zu tun geben.

Vor wenigen Wochen wurde Monsanto wegen verschleierter Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat verurteilt. Wie gehen Sie mit dem Thema Totalherbizide um und wie ist die Sicht in Holland generell?
In Holland wird die Diskussion nicht so laut geführt wie in Deutschland. Noch nicht. Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit dem Thema und müssen hierzu eine Entscheidung treffen, die dann für alle 460 Milchlieferanten gilt. Ich bin mir sicher, dass höchstens ein sehr kleiner Teil unserer Landwirte Glyphosat überhaupt einsetzt. Bei einer Entscheidung für ein Verbot des Totalherbizids müssen wir jedoch für diese wenigen Alternativen nennen können, die wirkungsvoll aber weniger schädlich für Mensch und Umwelt sind.

Jan Roelofs, Managing Director Deutschland und International, Beemster - Cono- Kaasmakers.