Ziegenkäse Von wegen bockig

Ziegenkäse ist gefragt, sein muffiges Image hat er längst abgelegt. Daher bieten Hersteller und Handel dem Kunden immer neue Geschmacksvarianten, etwa mit Bärlauch, Chili oder Thymian, mild, jung, gereift oder pur. Denn Produkte aus Ziegenmilch gelten als besonders bekömmlich.

Donnerstag, 08. März 2018 - Molkereiprodukte
Sabine Wygas
Artikelbild Von wegen bockig

Der Grund: Das Eiweiß in der Ziegenmilch ist anders zusammengesetzt als das in Kuhmilch, ideal für Kuhmilchallergiker, betont der Ziegenzuchtverband Baden-Württemberg e.V. Der hohe Gehalt an konjugierter Linolsäure (zweifach ungesättigten Fettsäuren) hat laut Verband eine gesundheitsfördernde Wirkung. So werde zum Beispiel der Anteil des ungünstigen LDL-Cholesterins gesenkt, arteriosklerotische Ablagerungen vermindert, und Ziegenmilch werde auch eine krebshemmende Wirkung nachgesagt. Zudem enthalte sie weniger Fett und Eiweiß als Kuhmilch, dafür aber mehr Spurenelemente und Mineralstoffe. Die besonders weiche Gerinnung des Ziegenmilcheiweißes trage entscheidend zur besseren Verdaulichkeit bei.

Diese Bekömmlichkeit schätzen viele Kunden an Ziegenkäse, wie René Buijtenhuis, Marketing-Manager beim niederländischen Käsehersteller Vandersterre, bestätigt. „Und sie mögen besonders den frischen und leckeren Geschmack.“ Vandersterre führt unter der Marke „Landana“ nach eigenen Angaben mehr als 25 holländische Käsespezialitäten, darunter auch ein ausgedehntes Sortiment an Ziegenkäse, sowohl festen Schnitt- als auch einige Frischkäsevarianten. Innerhalb des Landana-Ziegenkäse-Sortiments gibt es laut Buijtenhuis „Renner“, zum Beispiel Ziegenkäse mild oder mit Koriander und Bockshornklee, Brennessel-Knoblauch oder auch spezielle Varianten wie Ziegenkäse mit Waldfrucht und – ganz neu – Ziegenkäse mit Trüffel.

Auch der niederländische Käsehersteller Cono Kaasmakers bietet unter der Marke „Beemster“ vier Monate gereiften Ziegenkäse an. Der Käse ist laktose- und glutenfrei und schmilzt beim Verzehr auf der Zunge, verspricht das Unternehmen.

Hierzulande trifft man häufig auch auf „Ziegengouda“. Doch dieser Name wird an vielen deutschen Theken nicht immer korrekt verwendet. Die Bezeichnung „Gouda”, nach der gleichnamigen Stadt im Westen der Niederlande, ist nicht geschützt, deswegen wird Gouda auch außerhalb der Niederlande hergestellt. Der Begriff „Gouda Holland“ ist eine EU-weit geschützte geographische Angabe, „Noord-Hollandse Gouda“, der in der Provinz Nord-Holland hergestellt wird, ist sogar eine geschützte Ursprungsbezeichnung.

Kennzeichnung von Ziegenkäse

Eine eindeutige Kennzeichnung von Ziegenkäse und Ziegenmilchprodukten ist für Kuhmilch- Allergiker sehr wichtig. Wird ein Käse als Ziegenkäse ausgezeichnet, muss er einen Ziegenmilchanteil von 100 Prozent haben. Überwiegt der Anteil der Ziegenmilch (also mehr als 50 Prozent), darf der Käse nur als Ziegenkäse bezeichnet werden mit einem deutlichen Zusatz „unter Verwendung von Kuhmilch“. Dabei sollte möglichst eine Prozentzahl angegeben sein. Eine ausschließliche Angabe der zugesetzten Kuhmilch im Zutatenverzeichnis ist nicht ausreichend. Alle diese Vorgaben gelten auch für Schafskäse. In den 1950er und 1960er Jahren bestand noch die Regelung, dass Ziegenkäse nur 15 Prozent Anteil an Ziegenmilch aufweisen muss. Heute gilt dies nur noch für den konventionell hergestellten „Altenburger Ziegenkäse“. Dieser Käse ist in der Europäischen Union unter diesem Namen als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen und darf mit entsprechendem Siegel ausgezeichnet werden. Die meisten Ziegenkäsesorten werden heute aber zu 100 Prozent aus Ziegenmilch hergestellt. Quelle: oeko landbau.de, Informationsportal der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung


Gouda oder nicht
Jedenfalls muss ein traditioneller, „echter“ Gouda bestimmte Kriterien erfüllen: Er kommt aus den Niederlanden, wird aus holländischer Milch (von Kühen) hergestellt und reift traditionell in der Rinde. Der Fettgehalt liegt bei 48 Prozent in der Trockenmasse. Je nach Reifedauer kommt der Gouda in drei verschiedenen Altersstufen in den Handel. Sobald der Käse Zutaten enthält, beispielsweise Chili oder Knoblauch, muss er als „Schnittkäse mit...“ deklariert werden. Das gilt auch für Erzeugnisse aus Ziegenmilch, die landläufig oft als „Ziegengouda“ bezeichnet werden.

Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat jetzt die erste umfassende Marktanalyse zu Schaf- und Ziegenmilch veröffentlicht. Demnach wurden im Referenzjahr 2014 (aktuellere Zahlen finden sich nicht) in Deutschland 24 Millionen Liter Ziegenmilch gemolken, fast die Hälfte stammt aus Biobetrieben, 67 Prozent der Milchziegenbetriebe sind biozertifiziert. Etwa 70 Prozent der in Deutschland gehaltenen Ziegen gehören der Rasse „Bunte deutsche Edelziege“ an, die sich durch Frühreife, Langlebigkeit, besondere Anpassungsfähigkeit und hohe Leistung auszeichnet (Quelle: oekolandbau.de). Sie kann demnach Spitzenleistungen von bis zu 2.000 Kilogramm Milch pro Jahr geben. Laut Bundesverband Deutscher Ziegenzüchter liegt die Durchschnittsmilchleistung deutscher Ziegenrassen zwischen 700 und 800 Liter pro Jahr.

„Ziegen werden zweimal am Tag gemolken, die Tiere geben im Schnitt nur zwischen 2 und 2,5 Liter Milch täglich, eine Kuh rund 25 Liter“, erklärt Jelena Froga, Käsesommelière bei Rewe Schäfer in Niederkassel, so erkläre sich, wieso Ziegenkäse teurer sei als der aus Kuhmilch. „Auch wir haben mittlerweile viele verschiedene Ziegenkäsesorten im Sortiment, vor allem an der Bedientheke, etwa Frischkäse, Käserolle, Ziegengouda-, -camembert, oder Ziegen-Valencay, ein mit Asche bestäubter Rohmilch-Käse mit leicht säuerlichem Geschmack.“ Der komme bei vielen Kunden gut an.

„Viele bevorzugen die milderen Sorten wie Sovrano oder Gouda oder die Ziegenkäserolle mit Honig.“ Auch bei Ziegenkäse gilt: Je jünger der Käse, desto zarter sind Aroma und Konsistenz. „Mich hat es überrascht, dass vor allem jüngere Leute Ziegenkäse kaufen, ich denke vor allem wegen der Verträglichkeit, denn viele Menschen haben ja eine Kuhmilcheiweißallergie, wollen aber auf Käse nicht verzichten“, so Froga. Jüngere Kunden setzten sich immer mehr mit Lebensmitteln und deren Zubereitung auseinander, da sie immer mehr kochen und sich bewusster ernähren. Die Verwendungsmöglichkeiten beim Ziegenkäse seien sehr vielfältig und etwa bei der mediterranen Küche einfach ein Muss.

„Wir stellen eine stetige Nachfrage nach diesen Produkten fest, sowohl im PrePack als auch an der Bedientheke, vom Frischkäse bis zu Hartkäse-Spezialitäten“, sagt Nadine Schneider, stellvertretende Pressesprecherin der Edeka Handelsgesellschaft Südwest.

„Ziegenkäse haben meist eine sehr cremige Konsistenz und sind durch kurzkettige Fettsäuren leicht verdaulich. Gerade an der Theke haben die Kunden die Möglichkeit, im Gespräch mit Fachpersonal ausgiebige Informationen über Preis und Geschmack zu erhalten“, so Schneider. Am häufigsten fragten die Kunden danach, wie intensiv der Geruch oder wie genau die Konsistenz des Käses ist.

„Einige Menschen haben immer noch das Vorurteil, dass der Käse bockig schmeckt, das ist aber schon längst nicht mehr so“, sagt Bärbel Voß, Verkaufstrainerin beim Hamburger Käselager und Käsesommelière. „Früher ließ man den Bock immer bei der Herde, auch beim Melken der Ziegen. Wenn die Milch dann nicht sofort verarbeitet wurde, hat sie diesen Geruch schnell angenommen.“ Heute halte sich der Bock nur bei der Herde auf, wenn es um die Begattung der Ziegen gehe, und die frisch gemolkene Milch werde sofort verarbeitet.

Geschmacklich setzen mittlerweile viele Ziegenkäseliebhaber nicht mehr auf das reine Naturprodukt, sondern fragen nach Veredelungen, etwa mit Blauschimmel, sogar Ziegenkäse mit Blattgold sei auf dem Markt. „Allerdings geht der durchschnittliche Verbraucher beim Preis nur bis zu einem gewissen Punkt, bis zu sieben oder acht Euro pro 100 Gramm, das sind schon Käsefachgeschäftspreise, im Supermarkt liegen die eher zwischen vier und fünf Euro“, sagt Voß. Die hochpreisigeren Varianten seien eher etwas für Fachgeschäfte.

Käseexpertin Voss empfiehlt ihren Kunden häufig den „Finnlappi“, ein Ziegenschnittkäse aus Finnland und zudem sehr mild, der aus pasteurisierter Ziegenmilch hergestellt werde. Die Käseexpertin hat ein besonderes Verhältnis zu Ziegen. „Ich hatte selbst mal welche“, sagt sie. „Es sind besondere Tiere, deren Futterauswahl sehr selektiv ist, vorgezogen werden die nährstoffreichsten Pflanzen. Und sie sind wahre Ausbruchskünstler, ein normaler Zaun reicht da nicht aus.“