Milchprodukte Neue Vielfalt im Kühlregal

Nach einem schwachen Jahr hat sich das Geschäft mit Molkereiprodukten wieder erholt. Besonders bei der Weißen Linie ist die Industrie innovativ.

Montag, 30. August 2010 - Molkereiprodukte
Tobias Dünnebacke

Was den Erlös mit Molkereiprodukten der Weißen Linie angeht, können Handel und Industrie mit dem vergangenen Jahr nicht zufrieden sein: Nach Zahlen der Marktforscher von IRI Information Resources, bei denen der gesamte deutsche Lebensmittel-Einzelhandel (über 200 qm) berücksichtigt wird, mussten hohe Umsatzeinbrüche verkraftet werden. Konnten die Händler 2008 noch mehr als 8,8 Mrd. Euro mit Butter, Joghurt, Quark und Co. umsetzen, waren es 2009 nur noch rund 8 Mrd. Euro. Schuld daran war nicht Kaufzurückhaltung. Auf die Margen negativ ausgewirkt hat sich vielmehr der teils drastische Preisverfall bei Milch. Der Umsatz im LEH fiel von rund 2,4 Mrd. auf 1,9 Mrd. Euro. Der Durchschnittspreis für Produkte aus der Mopro-Kategorie fiel von 1,43 auf 1,28 Euro je kg. Zum Leidwesen von Handel und Industrie haben diese Preise nicht zu einem steigenden Absatz geführt.

Die deutsche Milchindustrie machte 2009 nach Angaben des Milchindustrieverbandes (MIV) einen Umsatz von 18,2 Mrd. Euro und verzeichnete damit einen Rückgang von 18,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit Herbst 2009 habe sich die Lage am deutschen Milchmarkt allerdings wieder stabilisiert, was einen optimistischen Ausblick für das laufende Jahr erlaube. Die Gründe sind im besseren Absatz im Ausland zu suchen. Der schwache Euro beflügelt die Exportbemühungen der deutschen Molkereien bei Käse, Milchpulver und Butter.

Limitierte Editionen sorgen für Vielfalt


Der Regalplatz für Molkereiprodukte im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel ist hart umkämpft. Mit Innovationen, überarbeiteten Markenauftritten und aufmerksamkeitsstarken Aktionen versuchen Markenhersteller, sich gegen die große Konkurrenz durchzusetzen. Stellt sich eine Idee als erfolgreich heraus, dauert es nur wenige Wochen, bis verblüffend ähnliche Erzeugnisse bei Discountern auftauchen. „Das Rad dreht sich immer schneller“, findet auch Lars Rehmann, Senior Product Manager bei der Rotkäppchen Peter Jülich GmbH: „Generell werden aus meiner Sicht die Lebenszyklen der Produkte immer kürzer, da die Innovationen, Relaunches und die schnelle Kopie von 'erfolgreichen' Produkten in den letzten Jahren rasant zugenommen haben.“ Auch Jens Fischer, Marketingleiter der Privatmolkerei Bauer, ist der Meinung, dass „innerhalb der Weißen Linie mit neuen Fruchtkombinationen und Fettanteilen viele neue Ideen auf dem Markt kommen, die aber auch schnell wieder verschwinden.“ Trotzdem: „Eine Produktkategorie voranzutreiben, war und ist weiterhin die Domäne der Marken“, glaubt Matthias Brune, Marketing Director Arla Foods.

Ein Positiv-Beispiel ist der Exquisa-Frischkäse in Scheiben. 2005 im Markt eingeführt, umfasst das Sortiment mittlerweile fünf verschiedene Sorten. Um den Verbrauchern neue Produkte schmackhaft zu machen, setzen die Hersteller mittlerweile auf limitierte Editionen, wie beispielsweise beim Produktkonzept „Milram Unser Quark des Jahres“ von Nordmilch. „Produkte unter diesem Dach sind nur für ein Jahr erhältlich und sollen dem Verbraucher exklusive Geschmacks-Kreationen und besonders ausgewählte Zutaten bieten“, erklärt Martin Ehrhardt, Leitung Marketing Nordmilch. Den Anfang machte im März 2010 die Sorte Milram Drei-Pfeffer-Quark. Eine ähnliche Strategie verfolgt Arla mit dem Konzept „Arla Buko des Jahres“. Die Idee: Eine „flexible Trendorientierung ohne permanente Ausweitung des Sortiments“, erklärt Brune. Ein Innovationsrhythmus von ein bis zwei neuen Sorten pro Jahr soll das Sortiment aktuell halten und dem Verbraucher die gewünschte Vielfalt bieten. Der aktuelle Buko setzt auf die Kombination von Radieschen mit Schnittlauch. Die Familien-Molkerei Ehrmann hat gleich die Verbraucher den neuen „Almighurt des Jahres“ mittels einer Abstimmung kreieren lassen. Das Ergebnis: Die zwei neuen Sorten Mango-Ananas-Kokos und Himbeer-Orange-Granatapfel. 


Etablierte Trends und neue Ideen


Regionalität und Clean Labelling bleiben wichtige Trends im Mopro-Regal. „Für Verbraucher ist die Herkunft ein wichtiges Kriterium bei der Kaufentscheidung, denn regionale Produkte garantieren Frische, Qualität und Geschmack“, glaubt Ehrhardt. Auch Rehmann ist überzeugt: „Es findet aktuell eine Rückbesinnung der Konsumenten in Deutschland auf regionale Nahrungsmittel statt.“ Die Rotkäppchen Peter Jülich GmbH wird diesem Trend gerecht mit der Traditionsmarke „Rügener Badejungen“ und insbesondere mit dem Produkt „Der Grüne Altenburger Ziegenkäse“, eine von der EU geschützte Ursprungsmarke aus dem Altenburger Land. Bei Arla setzt man vor allem auf Clean Labelling. „Der Trend zu natürlichen Produkten ohne jegliche Zusatz- und Farbstoffe gewinnt aus Sicht des Verbrauchers immer mehr an Bedeutung“, ist Brune überzeugt. Dieser Entwicklung trägt Arla beispielsweise mit dem Hart- und Schnittkäse-Sortiment Rechnung: Ab Juni 2010 enthalten alle SB-Scheiben nur noch natürliche Zutaten. Im Rahmen dieser Produktionsumstellung wird bei der Herstellung aller Arla SB-Käsesorten nicht nur auf Natriumnitrat, sondern konsequent auch auf Farbstoffe und Geschmacksverstärker verzichtet. Auch Convenience bleibt im Trend wie beispielsweise bei Goldsteig. Die Mozzarella Bambinis sind extra für die Zubereitung von Salaten vorbereitet.

Die Gelbe Linie entwickelt sich stabil


Im Gegensatz zur Weißen Linie hat sich das Käse-Segment verhältnismäßig stabil entwickelt. Als Segen für die Milchindustrie erwies sich der Export: Trotz Wirtschaftskrise exportierte die deutsche Milchwirtschaft nach Angaben des MIV 2009 mehr Milchprodukte als 2008. Der EU-Binnenmarkt erwies sich als großer Absatzmarkt für die deutschen Molkereien. 970.000 t, das sind mehr als 40 Prozent der hergestellten 2,18 Mio. t Käse (vor allem Schnittkäse und Pasta-Filata Käse), wurden exportiert. Im heimischen LEH ging der Preis von 6,71 auf 6,45 Euro je kg zurück. Der Umsatz fiel von 4,85 Mrd. auf 4,72 Mrd. Euro. Am beliebtesten sind bei den Deutschen nach wie vor Hart-/Schnittkäse, gefolgt von Frisch- und Weichkäse.

Das ehemalige Nischensegment Ziegenkäse gewinnt an Bedeutung. Das unterstreicht auch Nils Nöppert, Zentraleinkäufer Gelbe Linie bei der Dohle Handelsgruppe. Die verschiedenen Geschmacksvarianten seien mittlerweile fast so vielfältig wie bei Käse aus Kuhmilch. Auch bei der gelben Linie spielt Regionalität eine wichtige Rolle. Der bayerische Hersteller Alpenhain beispielsweise bringt seinen Brotzeitkäse Obazda (100 Prozent mild-reifer Camembert) mit einem Schuss Münchner Bier in die Märkte und will damit in ganz Deutschland das Gefühl von frischer Bergluft, Alpenpanorama und bayerischer Lebensfreude vermitteln. Pünktlich zum Start in die Biergartensaison präsentiert Bauer mit dem Biergartenkäse eine weitere Variante des bekannten Knirps.

WM-Fieber auch im Mopro-Regal


Fußball-Fieber im Kühlregal: Die Molkerei Weihenstephan konzipierte die neuen Frucht Buttermilchsorten Brombeere-Kirsche-Banane und Guave-Kiwi-Traube in den Landesfarben von Deutschland und Südafrika. Ehrmann bringt wieder Almighurt Biss-Kick in die Regale. Nach der erfolgreichen Erstauflage im Jahr 2006 rollen von April bis Anfang Juli 2010 wieder die Biss-Kick Kugeln in den Sorten Classic und Erdbeer. Gleich vier neue Sorten Fruchtjoghurt bringt die Molkerei Breisgaumilch auf den Markt. Marula Creme, Dattel-Feige, der Klassiker Mango und die Komposition aus Rotbusch und Blutorange sollen diesen Sommer für südafrikanisches Flair im Supermarkt sorgen.
Lars Rehmann, Rotkäppchen Matthias Brune, Arla Foods

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