faire Milch Verkaufsschlager Fairness?

Nach einer für Milcherzeuger schweren Zeit lässt sich eine gute Entwicklung für „faire Milch" beobachten. Verbraucher wollen die Bauern über den Preis unterstützen.

Donnerstag, 18. November 2010 - Molkereiprodukte
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Verkaufsschlager Fairness?
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Die schwierige Lage der Milchbauern im vergangenen Jahr hat bei Verbrauchern zu einer höheren Bereitschaft geführt, mehr Geld für Milch auszugeben, solange damit Milcherzeuger unterstützt werden. Nach Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erhöhte sich die Käuferreichweite von Januar bis September 2010 von 4,7 Prozent (Vorjahreszeitraum) auf 8,3 Prozent. „Damit haben in diesem Jahr rund 3,3 Mio. Haushalte faire Milch gekauft, wobei jeder zweiter Käufer wiederholt zur teureren Milch greift", erläutert Regine Deiseroth von der GfK. Das Segment entwickelt sich zwar von einer kleinen Basis, jedoch ist mit dem wertmäßigen (+ 135,4 Prozent) und mengenmäßigen (+119 Prozent) Anstieg ein Trend im Markt zu erkennen. Aber wie wird „faire Milch" eigentlich definiert?

„Wir bei der GfK haben bei unserem Panel Private Labels und Marken herangezogen, bei denen durch den Produktnamen erkennbar ist, dass es sich um ein faires Erzeugnis handelt. Diese Produkte zeichnen sich durch höhere Regalpreise aus", sagt Deiseroth. Das Versprechen: Die Mehrkosten gegenüber herkömmlicher Milch kommen den Bauern zugute. Beispiele neben einer Reihe Handelsmarken sind die „Bauernmilch" der Oberland eG, „Bubi – Die faire Milch" von der Molkerei Wiesehoff und „Die Faire Milch" von der Milchvermarktung Süddeutschland GmbH (MVS).

Bauern vermarkten Milch selber
Das besondere Konzept hinter „Die faire Milch" von der MVS ist, dass sie von den Bauern selbst vermarktet wird. Die MVS ist eine Tochtergesellschaft vom Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). MVS-Geschäftsführer Jakob Niedermaier ist mit der Entwicklung der Milch zufrieden. Waren zur offiziellen Markteinführung am 20. Januar 2009 noch kritische Stimmen zu hören (vor allem vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise wurde bezweifelt, ob Verbraucher bereit sind, den hohen Preis von 0,99 Cent pro Packung auszugeben), ist mittlerweile deutlich geworden: Das Konzept funktioniert. Ursprünglich sei man von einer Jahresmenge von 16. Mio. kg Milch ausgegangen. Aktuell liegt diese bei 66. Mio kg. Tendenz steigend. Erst kürzlich hat die Rewe das Angebot in NRW ausgeweitet. „Unsere ersten Erfahrungen aus den drei anderen Bundesländern sind durchweg positiv", sagt Joachim Ax, Regionsleiter der Rewe Region West, über die Listung. Mittlerweile wird die Milch bundesweit in rund 2.000 Rewe-Märkten verkauft. „Die faire Milch von MVS hat sich bisher sehr positiv entwickelt und liegt im Segment H-Milch sowohl in der Hersteller- als auch Markenbetrachtung unter den Top 15", sagt auch Victoria Groß vom Marktforschungsinstitut Symphony IRI Group. Besonders freut sich Niedermaier (MVS), wenn selbstständige Edeka-Händler die faire Milch von der MVS verkaufen wollen, schließlich habe Edeka ja die eigene Marke „Edeka Fair!" im Sortiment.

Handel macht bisher gute Erfahrungen
Die Rewe Dortmund Großhandel eG hat im September 2009 mit der regionalen Marke Bubi eine faire Milch in das Sortiment übernommen (65 Cent pro l). Das Handelsunternehmen zieht ein durchweg positives Fazit. „Ehrlich gesagt, hätten wir zu Beginn im September 2009 nicht gedacht, dass die Kunden die faire Milch von Bubi so gut annehmen würden, das war ein echtes Experiment", sagt Rudolf Helgers, Mitglied im Vorstand. „Faire Milch macht bereits einen Anteil zwischen 40 und 50 Prozent am gesamten Frischmilchabsatz im Einstiegsbereich aus", erläutert Hans-Peter Bierwirth, Prokurist der Bubi Frischdienst eG. In den Filialen der Rewe Dortmund werden jährlich bis zu 25 Mio. l Frischmilch verkauft. Bis jetzt wurden dank des Preisaufschlags von 10 Cent schon mehr als 1 Mio. Euro zusätzlich eingenommen. Dies bedeuten zusätzlichen Einnahmen von rund 6.000 Euro pro Milchbauer.

Bei Real ist ebenfalls faire Milch im Angebot. Das SB-Warenhaus Unternehmen arbeitet seit Anfang 2009 mit der in Oberbayern ansässige Milchprodukte Oberland eG zusammen. Die Produktlinie „Bauernmilch" umfasst neben Frisch- und H-Milch auch Butter, Joghurt, Sahne, Quark und Crème Fraiche. „Wir sind zufrieden mit der Entwicklung von Bauernmilch", sagt Markus Jablonski, Sprecher der Real SB Warenhaus GmbH. Hinter Bauernmilch stehe eine neue Konzeption der partnerschaftlichen, stufenübergreifenden Zusammenarbeit: „Entscheidend ist für die Genossenschaft und die Bauern, dass sie mit Real einen neuen Absatzkanal haben und somit dauerhaft eine bestimmte Erlöshöhe für die beteiligten Landwirte garantiert werden kann. Die Verbraucher können darauf vertrauen, dass die Produkte ausschließlich von regional erzeugenden Milchbauern in Deutschland stammen."

Für Jablonski ist faire Milch aber nach wie vor ein Nischen-Segment: „Die Bauernmilch richtet sich nicht an die breite Masse der Kunden. Sie ist vielmehr ein Produkt für Kunden, denen die Förderung der heimischen Bauern ein besonderes Anliegen ist und die auch bereit sind, dafür etwas mehr Geld auszugeben."

Auch der Discount hat das Thema für sich entdeckt. Netto hat die Eigenmarke „Ein Herz für Erzeuger" gelistet und Lidl hat Anfang des Jahres in Bayern „Ein gutes Stück Heimat" in die Regale gebracht. Auch die Zwischenbilanz des Hard-Discounters fällt positiv aus: „Der erfolgreiche Verkauf ermöglicht es schon im 1. Halbjahr 2010, dass die teilnehmenden bayerischen Bauern Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt 1,19 Mio. Euro erhalten", heißt es aus dem Unternehmen. Die Mehreinnahmen werden an die teilnehmenden bayerischen Bauern für die gelieferte Milchmenge von ca. 7,8 Mio. l, die im ersten Halbjahr 2010 in die Produktion für „Ein gutes Stück Heimat" floss, ausbezahlt.

Die Milchwerke Berchtesgadener Land Chiemgau eG verzichtet bisher noch auf eine explizite Fairness-Kennzeichnung. Trotzdem ist der Trend auch hier ein Thema: „Es gibt Verbraucher die wollen wissen, woher die Milch kommt, sprich wo und wie die Bauern dort wirtschaften und ob sie von ihrer Molkerei auch fair für ihre werktags wie sonntags geleistete Arbeit entlohnt werden. Dann sind sie bereit, einen höheren Milchpreis für diese Leistung zu bezahlen", sagt Marketingleiterin Barbara Steiner-Hainz.

Der mündige Verbraucher wolle Produkte, auf denen die beschriebenen Produktleistungen nicht nur auf der Packung zu lesen sind, sondern glaubwürdig nachvollzogen werden können. Dies sei bei Berchtesgadener Land der Fall, schließlich sei bekannt, dass die Genossenschaftsmolkerei einen überdurchschnittlichen Milchpreis auszahlt. Zudem könne der Verbraucher über den Identitätsstempel genau herausfinden woher die Milch stammt.

Kann „faire Milch" den Bauern wirklich helfen?
Fragen an Dr. Michael Lohse, Sprecher des Deutschen Bauernverbands.

Wie sieht die aktuelle Situation der Milchbauern aus?
Derzeit wird den Bauern für 1 l Milch durchschnittlich 32 Cent gezahlt. Damit liegen wir etwa 10 Cent über dem Schnitt des Jahres 2009.

Können faire Milchprodukte Erzeugern helfen?
Ja, aber man muss genau darauf achten, ob die Versprechen eingehalten werden. Die Bauern erhalten nicht für jeden angelieferten
Liter die Mehrbeträge, sondern nur für solche, die in „faire Milch" fließen. Daher ist es wichtig, die Verarbeitungsschiene zu erweitern, beispielsweise für Butter oder Sahne.

Welche Forderungen stellen Sie an den Handel?
Faire Milch muss vom Handel nachhaltig beworben werden. Produkte im Preiseinstieg sollten zurückgefahren werden. Langfristig kann faire Milch in diesem preisaggressiven Umfeld nicht bestehen.

{tab=Neue Produkte}
Warm und Cremig Bruschetta
Buko
Arla

Quarkcreme mit Joghurt
Quarkcreme
Heideblume Molkerei Elsdorf-Rotenburg

Emmentaler Käsetaler
Kleine Käsemahlzeit
Hochland

Laktosefreier Joghurt Pfirsich-Maracuja
MinusL
Omira

Saisongenuss Winterapfel
Rahmjoghurt Wintersorten
Molkerei Weihenstephan