Prowein „Der Handel hat erstmal genug“

Was Wein angeht, ist der Handel derzeit gut bedient, die Regale randvoll gefüllt. Innovationen müssen ihrem Namen gerecht werden, sonst haben sie keine Chance. Positiv: Der Verbraucher gibt mehr Geld aus, und der LEH spielt beim Wertwachstum eine wichtige Rolle.

Mittwoch, 24. April 2019 - Wein, Sekt, Champagner
Tobias Dünnebacke
Artikelbild „Der Handel hat erstmal genug“
Bildquelle: Messe Düsseldorf

„Der Handel hat genug Flaschen im Regal stehen“, sagt Alexander Rittlinger, Chef von Reh Kendermann, auf die Frage, warum die Kellerei in diesem Jahr keine Neuheiten auf der Prowein vorstellt. Die Fachmesse in Düsseldorf ist der in Europa wichtigste Branchentreff und der Termin der perfekte Zeitpunkt, um die Einkäufer frühzeitig vor dem Saisongeschäft für eine Listung zu begeistern. Doch Rittlinger, der mit Marken wie Val Duna, Kendermanns oder Lindeman`s vom Markengeschäft lebt, will sich in diesem Jahr zurückhalten. „Wir kriegen das deutliche Signal, dass der Handel im Moment keine Neuheiten braucht. Im Gegenteil: Der Trend geht eher in Richtung Sortiments-Reduzierung.“ Die Zurückhaltung dürfte dem in der Menge rückläufigen Weinmarkt geschuldet sein. Laut Monika Reule vom Deutschen Weininstitut (DWI) ist durch die schlechte Ernte in 2017 schlicht weniger Wein aus Ländern wie Deutschland, Spanien oder Italien verfügbar. Hinzu kommt: Genau wie in anderen alkoholhaltigen Getränke-Gruppen ist auch beim Wein zu erkennen, dass die Verbraucher bewusster, sprich: weniger konsumieren. „Der Trend wird sich darum auch weiter fortsetzen, auch wenn die Ernte 2018 europaweit besser war. Aber wenn ein Markt stagniert oder gar rückläufig ist, kann der eine nur wachsen, wenn er dem anderen etwas wegnimmt“, sagt Rittlinger.

Der Preis ist heiss
Positiv aus Sicht von Handel und Erzeuger ist die Preisentwicklung zu werten. So haben Anpassungen dazu geführt, dass man mit Wein wieder mehr Geld verdienen kann. Die GfK konnte für 2018 einen Durchschnittspreis von 3,09 Euro pro im Lebensmittel-Einzelhandel gekauften Liter Wein ermitteln. Das sind immerhin 17 Cent mehr als im Jahr davor. Für deutschen Wein werden im Schnitt sogar 24 Cent mehr bezahlt (3,39 Euro je Liter). Das sind in so einem harten Wettbewerb keine Peanuts mehr. „Im Moment gibt es die Bereitschaft des Handels, sich nach oben zu bewegen“, weiß Marian Kopp von den Lauffener Weingärtnern.

"Man kann im Moment nur wachsen, wenn man einem anderen etwas wegnimmt."
Alexander Rittlinger, Reh Kendermann

Wein wird im Supermarkt gekauft
Mit Handel ist hier in erster Linie der Lebensmittel-Einzelhandel gemeint, die mit knapp 80 Prozent Marktanteil mit Abstand wichtigste Vertriebsschiene. „Es sind insbesondere die selbstständigen Edekaner und Rewianer, die wir hier erreichen wollen“, erklärt Kopp, der bei der Prowein mit seinen Neuheiten vergleichsweise hochpreisige Weine an den Händler bringen möchte. Nationale Listungen seien aber heutzutage selten, sodass der Distributionsaufbau hin zu einem zufriedenstellenden Niveau einer Sisyphusarbeit gleicht. Rittlinger bestätigt: „Es wird immer schwieriger, eine neue Marke flächendeckend in die Regale zu bekommen.“ Positiv bewertet der Kellerei-Chef exklusive Kooperationen wie die Neuseeländische Weinmarke „Island Bay“, die ausschließlich über die Rewe distribuiert wird. „Da erreichen wir ganz andere Mengen, als wenn wir lediglich unsere bestehenden Linien erweitern, und diese dann an alle Händler verkaufen wollen."

"Es gibt jetzt die Bereitschaft des Handels, sich nach oben zu bewegen."
Marian Kopp, Lauffener Weingärtner

Deutscher Wein kann seine Marktposition halten
Dabei sind die Zeiten gerade für die deutschen Winzer alles andere als schlecht. Nach Zahlen der GfK können die heimischen Kellereien ihre Anteile auf dem hiesigen Markt zwar nicht erhöhen, aber zumindest stabil halten. 51 Prozent des hierzulande erwirtschafteten Umsatzes werden mit deutschen Weinen erzielt (Absatz: 45 Prozent). Mit 12, 16 und 8 Prozent folgen Erzeugnisse aus Frankreich, Italien und Spanien. Beim deutschen Wein gibt es zudem seit Jahren eine deutliche Entwicklung zugunsten von Weißwein, wohingegen die Roten kontinuierlich verlieren. Der allgemeine Trend wurde laut Monika Reule vom DWI durch den heißen Sommer in 2018 noch verstärkt. Darüber hinaus ist eine Entwicklung hin zu trockenem Rebensaft zu beobachten.
Ungeachtet der Popularität in den hiesigen Breitengraden nutzte das von Reule geführte Deutsche Weininstitut die diesjährige Prowein aber auch wieder, um die Qualität der hiesigen Winzer jenseits der deutschen Grenzen zu bewerben. Neu in diesem Jahr: der Fokus auf Sekt. „Wir wollen das Fachpublikum von der Konkurrenzfähigkeit unserer Sekte überzeugen, die oftmals immer noch unterschätzt werden“, so Reule. Deutschland ist mit einem Absatzvolumen von rund 275 Millionen Litern und einem Pro-Kopf-Verbrauch von 3,3 Litern im Jahr der größte Schaumweinmarkt der Welt. Das DWI legte dabei ein besonderes Augenmerk auf die hochwertigen Winzersekte.

"Viele müssen bei Bordeaux mal wieder einen Reality Check machen. Es gibt eine neue Generation."
Christine Berthold, CIVB

Bordeaux will einen Imagewandel
Dass die Konkurrenz nicht schläft und insbesondere die deutsche Weinwirtschaft in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht hat, will Christine Berthold nicht bestreiten. Sie ist seit Ende 2018 die Marketing-Chefin des Verbandes der Bordeaux Weine (Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux, CIVB). Imagearbeit ist für die weltweit bekannteste Weinregion und das größte zusammen hängende AOC-Gebiet wichtig. In Deutschland verlieren die Weine Marktanteile. Kompliziert, antiquiert, teuer sind die gängigen Klischees. Berthold hält dagegen: „Es gibt eine neue Generation Winzer, die oftmals im Ausland war, in der Neuen Welt, aber auch in Geisenheim beispielsweise. Die bringen neue Ideen mit und experimentieren. In Bordeaux herrscht eine ähnliche Lebendigkeit wie hier in Deutschland.“ Zum Thema Preis gibt Berthold zu bedenken, dass Bordeaux-Weine gar nicht so teuer seien. „Aber es stimmt: Die Winzer haben entschieden, dass sie unter zwei Euro nicht produzieren können, wenn man ein gewisses Qualitätslevel halten möchte.“ Man sehe die besondere Stärke bei einem Niveau von 3 bis 29 Euro. Dass Bordeaux-Weine noch immer angesagt sind, zeigten die randvoll gefüllten Sensorik-Seminare am Stand des CIVB. Und unter dem Motto „Clink Different“ arbeiten DWI und CIVB sogar zusammen, um deutsche und französische Weine in den USA zu bewerben. Diese Kooperation, die es so noch nie gegeben hat, wird von der EU mit knapp zehn Millionen Euro Budget gefördert.