CO2-Fußabdruck Pilotprojekt Klima-Milchfarm

Für Nestlé spielt Milch eine große Rolle – sowohl unternehmerisch als auch für das Ziel der Klimaneutralität. Um den CO2-Fußabdruck zu verringern, forscht man auf der ersten deutschen Klima-Milchfarm.

Montag, 26. September 2022 - Molkereiprodukte
Markus Wörmann
Artikelbild Pilotprojekt Klima-Milchfarm
Bildquelle: Nestlé

Großer Bahnhof im beschaulichen Mörshausen, einem kleinen Dorf in Nordhessen: Nestlé, die Molkerei Hochwald und die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) hatten Mitte September auf den Hof von Landwirt Mario Frese eingeladen, um ihr gemeinsames Projekt, die erste Klima-Milchfarm in Deutschland nämlich, vorzustellen.

Das Engagement von Nestlé dient nicht allein der Image-Politur. „Milch ist einer unserer wichtigsten Rohstoffe. Gleichzeitig verursacht dieser Rohstoff die meisten Treibhausgase in unserer Lieferkette. Hier können wir also viel bewegen“, erklärt Corinna Weinmiller, Nachhaltigkeitsmanagerin Nestlé Deutschland. Etwa 70 bis 80 Prozent der 2 Millionen Tonnen CO2e-Emissionen von Nestlé bringen die Rohstoffe als Rucksack bereits mit. Davon wiederum entfallen 40 Prozent auf die Milch. Deshalb spielt gerade dieser Rohstoff auf Nestlés Weg zu Klimaneutralität 2050 eine entscheidende Rolle. „Wir sehen zwar gerade eine Verknappung und Verteuerung von Lebensmitteln“, sagt Marc Boersch, der Vorstandsvorsitzende von Nestlé Deutschland, „aber das ist erst eine sanfte Vorahnung dessen, was passiert, wenn wir die Klimaprobleme nicht in den Griff bekommen. Es kommt deshalb darauf an, was wir jetzt machen.“

Der Hof von Mario Frese ist eine von weltweit über 45 Pilotfarmen, die bei Nestlé entstehen sollen. Dabei ist sein Bauernhof mit 135 Kühen ein repräsentativer Betrieb einer familiären Landwirtschaft, wie man sie in ganz Deutschland findet. Kein ultramoderner Stall mit allerlei Hightech – bei Freses wird das Melkgeschirr immer noch per Hand angelegt und ist nicht durch Roboter automatisiert. Jeden zweiten Tag holt die Molkerei Hochwald die Milch ab. Mario Frese ist einer von rund 2.600 deutschen Landwirten, die Hochwald mit Milch beliefern. Die Molkereigenossenschaft wiederum versorgt Nestlé unter anderem mit Mozzarella-Käse für die Pizzen von Nestlé Wagner.

Reduzieren und Speichern
Auf dem Hof in Nordhessen wollen die Professoren Markus Frank und Stephan Schneider von der HfWU in den nächsten drei Jahren erforschen, wie ein Milcherzeuger die CO2-Äquivalente (CO2e) netto auf null senken kann. 1.359 Tonnen CO2e pro Jahr – so viele Emissionen entstehen derzeit jedes Jahr auf dem Hof Frese. Umgerechnet sind das 1,07 Kilo CO2e pro Kilogramm Milch. Nun sollen die Treibhausgase durch zahlreiche Maßnahmen in sechs Bereichen so weit wie möglich reduziert werden: etwa bei der Fütterung der Kühe, beim Futteranbau, bei der Tierhaltung, beim Ackerbau, dem Güllemanagement und der Energieerzeugung. Verbleibende Emissionen sollen gespeichert, das heißt durch natürliche Kohlenstoffspeicher auf dem Betrieb ausgeglichen werden, zum Beispiel durch die Anlage von Feldgehölzen.

Auch die Acker- und Grünflächen können CO2 speichern. Dies geschehe beispielsweise durch konservierende Bodenbewirtschaftung, mit der versucht wird, Humus zu erhalten. Anstelle von Mineraldünger werde möglichst organischer Dünger, also Gülle und Mist, genutzt. „Wir bauen zudem verstärkt Kleegras und ein Gemenge aus Mais und Stangenbohnen an. Zudem planen wir, 2023 in größerem Umfang Hülsenfrüchte wie Lupinen, Erbsen oder Ackerbohnen anzubauen. So verringern wir den Mineraldüngereinsatz aus energieintensiver Produktion“, erklärt Markus Frank, Professor für Pflanzengesundheitsmanagement an der HfWU. „Mithilfe digitaler Techniken können wir zudem für jede Teilfläche optimierte Mengen an Saatgut und Düngemittel bestimmen und ausbringen.“

Dass Nachhaltigkeit nicht zum Nulltarif zu bekommen ist, weiß auch Marc Boersch, denn Nestlé Deutschland investiert allein in diese erste Klima-Milchfarm einen sechsstelligen Betrag. Er sieht auch beim LEH dieselben Ziele und viele Gemeinsamkeiten in den Klimaschutzbemühungen. Molkereivertreter und anwesende Landwirte kritisierten dagegen, dass der Handel in der Vergangenheit nicht immer bereit war, deren Anstrengungen für Klima und Tierwohl zu vergüten.