„Landbauern Schwein“ Mit Ganztiervermarktung auf Erfolgskurs

Fleisch der Marke „Landbauern Schwein“ ist bei der Rewe Südwest gefragt. Für den höheren Aufwand erhalten die Bauern rund 50 Euro je Tier zusätzlich. Lob von der Jury gibt es für die faire Zusammenarbeit und die Ganztiervermarktung.

Dienstag, 27. September 2022 - Fleisch, Wurst, Geflügel
Marcus Arden
Artikelbild Mit Ganztiervermarktung auf Erfolgskurs
Bildquelle: top agrar

Im Frühjahr 2020 startete die Rewe Südwest ihr Projekt „Landbauern Schwein“ in 13 süddeutschen Märkten mit Bedientheken und mit ca. 50 Schweinen pro Woche. Gut zwei Jahre später findet man das Fleisch aus der Haltungsform 3 in 60 Märkten mit Bedientheken und 75 baden-württembergischen Rewe- und Nahkauf-Märkten als SB-Ware im Kühlregal. Und künftig sollen alle neu eröffneten sowie umgebauten Märkte Fleisch der Marke Landbauern Schwein verkaufen.

Wöchentlich werden rund 200 Tiere vermarktet. „Tierwohl-Fleisch bleibt im Süden gefragt. Selbst die Coronakrise und die hohe Inflation sorgen trotz des um 3 bis 4 Euro je Kilogramm höheren Verkaufspreises nur für kleine Absatzdellen“, betont Rudolf Müller, Category-Manager Metzgerei bei Rewe Südwest.

Keine Billigangebote
Der Erfolg des Programms basiert laut Müller auf verschiedenen Aspekten. „Wir werben zum Beispiel sehr stark mit Regionalität, Aufzucht und Mast erfolgen ausschließlich in Baden-Württemberg. Die Ferkel stammen ebenfalls aus dem Ländle beziehungsweise den angrenzenden Bundesländern. Weil wir kurze Transportwege haben, wird die Klimabilanz besser“, erklärt Müller. Der Metzgerschlachthof in Göppingen schlachtet alle Schweine, die Stuttgarter Metzgereigenossenschaft (Mega) fungiert als Zerlege- und Verarbeitungsbetrieb.

Ein No-Go ist das Verramschen von Landbauern-Fleisch. „Aktionsware gibt es nicht. Landbauern-Fleisch ist ein hochwertiges Produkt, dessen Stellenwert wir nicht durch Billigangebote unterlaufen“, stellt Müller klar. Damit der Absatz trotz des höheren Preises weiter steigt, setzt die Rewe Südwest auf geschultes Personal hinter den Bedientheken. „Wir bleiben keinem Kunden eine Antwort schuldig“, betont Müller.

Für Marktinhaber mit Fleisch aus dem Landbauern-Programm gehören Vor-Ort-Besuche bei Schweinehaltern und den Schlachtbetrieben zum Pflichtprogramm. „Dank der Schulungen hat unser Verkaufspersonal alle Infos, um selbst kritische Kundenfragen zufriedenstellend beantworten zu können. Außerdem fällt das aktive Verkaufen leichter, wenn die Thekenmannschaft gute Argumente an der Hand hat“, so Müller. Ein Ausrufezeichen setzt die Rewe Südwest mit der Ganztiervermarktung. Das hat auch die Jury überzeugt. „Beim Landbauern Schwein wird die Vermarktung des gesamten Tierkörpers gelebt und konsequent vorangetrieben. Nur so können wir langfristig eine nachhaltige Schweinefleischproduktion in Deutschland aufbauen“, betont Jurymitglied Dr. Albert Hortmann-Scholten von der LWK Niedersachsen. „From nose to tail“ ist und bleibt aber eine Herausforderung. „Entscheidend ist, wie man die weniger gefragten Teile verarbeitet“, berichtet Samuel Rüger, Vorstand der Mega. Beim Landbauern-Projekt gibt es verschiedene Wurst- und Dosenwurstprodukte, in denen Schulter, Leber, Speck, Schwarte, Bauch, Blut, Fleischbrühe und vieles mehr verarbeitet werden. Mehr Geschmack liefern Duroc-Eber, da sie einen höheren intramuskulären Fettanteil vererben. „Fett ist ein wichtiger Geschmacksträger“, erklärt Rüger. Vor der Schlachtung und Verarbeitung kommen die Tiere zur Ruhe. Sie werden circa 24 Stunden vor der Schlachtung am Schlachthof angeliefert und können sich vom Transport erholen. Das senkt das Stresslevel und verbessert die Fleischqualität. Damit der Schlachtkörper keimfrei wird, werden die hängenden Tierkörper mit 180  °C heißem Wasserdampf besprüht. Das sei viel hygienischer als das Eintauchen der Schlachtkörper in Brühbecken, erklärt Samuel Rüger.

Das Projekt

LP und top agrar haben gemeinsam das Siegel-Projekt „Faire Partner – Bauer / Händler / Hersteller“ ins Leben gerufen. Für die Aktion „Faire Partner“ wurden in drei Kategorien Konzepte für partnerschaftliche Zusammenarbeit von Landwirten und ihren Abnehmern gesucht:

1. Alternative Konzepte
2. Molkereiprodukte
3. Fleisch und Fleischwaren

Eine Jury aus Landwirten, Herstellern, Händlern und Wissenschaftlern hat die Konzepte bewertet und ausgezeichnet.

Und wie zufrieden sind die Landwirte, die Tiere ins Landbauern-Programm liefern? Sind sie Partner auf Augenhöhe, die einen fairen Preis bekommen, ein Mitspracherecht haben usw.? „Ganz klar ja“, lässt Schweinemästerin Annika Thier aus Rosenberg-Bronnacker keine Zweifel zu. „Wir erhalten einen Qualitätsaufschlag, den ITW-Bonus sowie Etikettiermasken-Zuschläge für Magerfleischanteile und sind auch abgesichert, sollte die Notierung unter die Schwelle von 1,40 Euro fallen. Insgesamt bekommen wir rund 50 Euro mehr für ein Landbauern Schwein im Vergleich zu einem konventionell gemästeten Tier“, so Thier. Das Geld reicht aus, um die höheren Kosten für Stroheinsatz, Beschäftigungs- material, 40 Prozent mehr Platz, Außenklimareiz, GVO-freies Futter abzudecken, berichtet die Landwirtin. Der Bonus ist variabel. Wenn es für den Bauern wirtschaftlich nicht mehr passt, werden die Boni angepasst. Die Verträge laufen über drei Jahre. „Damit bin ich zufrieden. Die Rahmenbedingungen ändern sich derzeit so schnell, da machen noch längere Verträge keinen Sinn“, erklärt Annika Thier.

Wie es in Zukunft weitergeht, dazu haben alle Projektpartner eine klare Meinung: In zehn Jahren soll in den Bedientheken der Rewe Südwest kein konventionelles Schweinefleisch mehr liegen und die Umsätze sowie die Zahl der teilnehmenden Landwirte sollen kontinuierlich steigen. „Wir wollen trotz Corona und Inflationsangst Verträge mit weiteren Schweinehaltern abschließen. Denn wir glauben, dass der Rohstoff Schwein künftig knapp wird. Die Politik sollte den Landwirten endlich eine sichere Zukunftsperspektive aufzeigen“, so Rudolf Müller.