Länderreport Baden-Württemberg Aus Tradition regional

Baden-Württemberg muss nicht erst auf den Nachhaltigkeitszug aufspringen. Das Ländle ist seit Jahren auf der Erfolgsspur mit Produkten aus der Heimat.

Donnerstag, 12. Januar 2012 - Länderreports
Elke Häberle
Artikelbild Aus Tradition regional
Bildquelle: VIS

„Wir können alles. Außer hochdeutsch.“ Mit diesem gleichermaßen selbstbewussten wie auch ironischen Slogan warb Baden-Württemberg jahrelang für sich beziehungsweise sein „Ländle“. Die Botschaft dahinter ist klar: Die Bewohner des Bundeslandes im Südwesten sind stolz auf ihre Heimat.

Das ist nach wie vor so. Im selben Maße wie Umwelt- und Lebensmittelskandale die Welt erschüttern, desto mehr interessieren sich die Verbraucher für die Herkunft, Produktionsverfahren und die Inhalte ihrer Lebensmittel. Gut für Baden-Württemberg, denn die dortige Lebensmittelwirtschaft setzt seit jeher auf Regionalität, Vertrauen und Transparenz und nicht erst, seit Begriffe wie „Authentizität“ und „Nachhaltigkeit“ zu Wunderwaffen des Marketings geworden sind.

Unternehmen aus Baden-Württemberg:

Dass es sich hierbei nicht nur um ein bloßes Lippenbekenntnis beziehungsweise eine Werbekampagne handelt, wird an einer Vielzahl von Beispielen sichtbar – unter anderem bei dem Projekt „Württemberger Lamm“. Bereits 2003, also vor fast zehn Jahren und damit weit vor dem aktuellen Regio-Boom, wurde dieses Markenfleischprogramm von der Lammfleisch-Erzeugergemeinschaft Baden-Württemberg mit Unterstützung des Ministeriums Ländlicher Raum ins Leben gerufen. In der Edeka Südwestfleisch konnte ein passender Partner für die Vermarktung gewonnen werden. Das gemeinsame Ziel: den Kunden in den Edeka-Märkten ein breites Angebot an einheimischem Lammfleisch zu bieten und sie von den vielfältigen geschmacklichen und wirtschaftlichen Vorzügen des Fleisches gegenüber (neuseeländischer) Importware zu überzeugen. So ist das Fleisch des Markenproduktes „Württemberger Lamm“ dank spezieller Vorgaben in der Tierzucht und Fütterung des Qualitätszeichens Baden-Wür ttemberg besonders zart und saftig und der Geschmack eigenständig und würzig. Schließlich werden nur junge Lämmer mit einer besonders kontrollierten Fleischqualität in das Programm einbezogen. Für Lämmer, die diese Erzeugerkriterien erfüllen, erhalten die beteiligten Landwirte einen Aufschlag von 10 Cent pro Kilogramm Lebendgewicht. Ein weiterer Pluspunkt: Die Transportwege für Württemberger Lamm sind mit maximal vier Stunden besonders kurz.


Außer der Unterstützung der Landwirte leistet die Vermarktungsinitiative auch einen Beitrag zur Landschaftspflege. Denn Wanderschafe beziehungsweise die im Programm erfassten Mutterschafe werden grundsätzlich zum Erhalt der Kulturlandschaft, wie beispielsweise Wacholderheiden, eingesetzt. Somit hat dieses Programm auch eine ökologische Komponente.

Lohn des gemeinsamen Engagements: Im Februar 2011 verlieh die LEBENSMITTEL PRAXIS der Kooperation den „Marketingpreis 2011“. Auch die Politik schätzt den Einsatz für das Württemberger Lamm. Das damals noch nicht grün-rot-regierte baden-württembergische Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz zeichnete den Edeka Südwest-Geschäftsführer Jürgen Mäder Ende 2010 für seine Verdienste um die regionale Landwirtschaft mit der Staatsmedaille in Gold aus.

In der Kommunikationsstrategie haben die Schafe auch im Jahr 2012 ihren festen Platz. Hauptaufgabe bleibt, den Absatz weiter anzukurbeln, die Verbraucher von der gleichbleibend hohen Qualität zu überzeugen und den verbleibenden Skeptikern ihre althergebrachten Vorbehalte gegen heimisches Lamm und Schaf zu nehmen (Stichwort „Hammelgeschmack“). Entsprechend wurden sämtliche Vertriebsmitarbeiter der Edeka Südwest Fleisch während acht Terminen rund um das Thema „Lamm und Zicklein“ geschult. Die Landfrauen der Gemeinschaftswerbung Württemberg haben nach entsprechenden Schulungen ebenfalls bei mehr als 70 Einsätzen vor Ort in den Märkten die Verbraucher über die geschmacklichen Besonderheiten, unterschiedlichen Zubereitungsmöglichkeiten und natürlich auch über die Umwelt-Aspekte im Sinne von „Landschaft und Qualität“ informiert.

Weiter wird in „Diese Woche“, den wöchentlichen Handzetteln der Edeka, getrommelt, und auch 2012 werden Verzehranlässe jenseits von Ostern beworben und initiiert. Während der sommerlichen Grillsaison werden beispielsweise Koteletts oder Rücken entsprechend in Szene gesetzt und im Winter entsprechend eher Bratenstücke wie Keulen. „Das Württemberger Lamm passt hervorragend in das nun auch politisch grüne Baden-Württemberg“, resümiert Dr. Brigitta Hüttche, Geschäftsführerin der MBW Marketinggesellschaft in Stuttgart.

Kulinarische Botschafter

Eine weitere Kostprobe beziehungsweise ein weiterer Beweis für ihre regionale Verankerung und Verbundenheit liefern die Anbieter im Ländle mit ihrem breiten Angebot an geschützten Produkten. Denn was wäre der Schwarzwald ohne seinen Schinken oder das Allgäu ohne seinen Bergkäse? Solche wie auch andere kulinarische Botschafter, die aus Tradition untrennbar mit einer bestimmten Region verknüpft sind, dürfen sich die EU-Gütesiegel „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A) und „geschützte Ursprungsbezeichnung“ (g.U.) ans Revers heften. Mit diesen Verordnungen schützt die EU regionale Lebensmittel oder Agrarerzeugnisse europaweit vor Nachahmung und Missbrauch. Darüber hinaus bieten diese Schutzlabel den Verbrauchern eine Orientierungshilfe beim Einkauf.

Dem jüngsten baden-württembergischen Mitglied in diesem Elite-Club, den „Schwäbischen Spätzle“, wird entgegengefiebert. Just im Januar 2012 wird das Okay aus Brüssel und damit die Eintragung erwartet. Markus Tress, Inhaber der Franz Tress GmbH, der das Projekt beziehungsweise die Antragstellung begleitet hat, freut sich: „Da die Schwäbischen Spätzle als kulturelle Eigenheit weit über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannt sind, sind wir sehr stolz, nun auch den offiziellen Nachweis der ausgezeichneten Qualität eines einzigartigen Produktes zu erhalten.“ In Zeiten, in denen regionale Lebensmittel immer mehr an Bedeutung gewinnen würden, könne sich der Verbraucher in Zukunft sicher sein, beste Qualität aus Schwaben gemäß den traditionell schwäbischen Verfahren zu bekommen.


Immerhin produzieren einige Unternehmen der Schutzgemeinschaft seit mehr als 40 Jahren Spätzle nach überlieferter Art. Für Tress ist die Auszeichnung daher auch eine Bestätigung „unseres langjährigen Einsatzes im Hinblick auf die Erhaltung und Pflege traditioneller Lebensmittel“. Nach erfolgreicher Anerkennung durch die EU-Kommission wird das „wunderbare“ Produkt nun auch im internationalen Vergleich geschützt und könne entsprechend vermarktet werden.

Beispielsweise in Form eines Stammplatzes in der Genießer-Galerie des Verbraucherportals „Schmeck den Süden Baden-Württemberg“. Hier werden alle baden-württembergischen Produkte, die einen geografischen Schutz der EU erhalten, öffentlichkeitswirksam und feierlich dargestellt. Brigitta Hüttche erklärt: „Für jedes Produkt wird eigens eine Tafel mit Text und Bild entwickelt. Die Galerie bietet einen optisch ansprechenden Überblick über die heimische Produktvielfalt und wird außer auf ,Schmeck den Süden Baden-Württemberg’ unter anderem auf Messen präsentiert.“ Auch wenn die „Wir können Alles“-Kampagne nicht mehr – beziehungsweise überwiegend in den Ost-Ländern zur Werbung von Fachkräften – läuft: Baden-Württemberg bleibt auf der Erfolgsspur.

Geschützte Spezialitäten
Die Zeichen der EU, ihre Bedeutung und welche schwäbischen Spezialitäten geschützt sind.
Geschützte geografische Angabe (g.g.A.) 
Produkte, die als geschützte geografische Angabe im EU-Register eingetragen sind, zeigen zum einen bereits im Namen eine enge Verbindung zur Region. Das Agrarerzeugnis oder Lebensmittel muss in dem Herkunftsgebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt werden. Beispiele: Schwäbische Maultaschen, Schwarzwälder Schinken, Schwäbisch Hällisches Qualitätsschweinefleisch, Schwäbische Spätzle, Tomaten/ Gurken/ Blattsalate/ Feldsalate von der Insel Reichenau, Schwarzwald-Forelle, Tettnanger Hopfen, Ensinger Mineralwasser, Göppinger Mineralwasser 
Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)
Einen noch engeren Bezug zur Region haben Produkte, die als geschützte Ursprungsbezeichnung im EU-Register eingetragen sind. Sie müssen sowohl im Herstellungsgebiet erzeugt als auch hergestellt und verarbeitet worden sein.
Beispiele: Allgäuer Bergkäse, Allgäuer Emmentaler
Garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.) 
Produkte, die als garantiert traditionelle Spezialität bei der EU registriert sind, werden nicht wegen ihres Bezugs zur Region, sondern wegen bestimmter Merkmale geschützt. Entweder werden sie aus traditionellen Rohstoffen hergestellt oder sind nach einem traditionellen Verfahren hergestellt und/oder verarbeitet worden.  Für Deutschland gibt es bislang noch kein eingetragenes Produkt.  Beispiele: Serrano Schinken, Mozzarella, Geuze-Bier

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