Länderreport Mecklenburg-Vorpommern Essen Sie sich gesund

Mecklenburg-Vorpommern will Gesundheitsland Nummer eins werden in Deutschland. Ernährungs- und Gesundheitsbranche knüpfen schon mal neue Netzwerke.

Mittwoch, 04. Oktober 2017 - Länderreports
Susanne Klopsch
Artikelbild Essen Sie sich gesund
Bildquelle: Getty Images, AMV

„Deine Nahrungsmittel seien deine Heilmittel“, wusste schon der griechische Arzt Hippokrates von Kos (um 460 v. Chr.). Er gilt als Begründer der Medizinwissenschaften und ist der „Vater der Heilkunde“. Damit könnte Hippokrates für die von der EU geförderten Projekte zum Thema „Ernährung und Gesundheit“ Pate gestanden haben, die Agrarmarketing Mecklenburg-Vorpommern e. V. (AMV) im Rahmen der Vernetzung von Ernährungs-und Gesundheitswirtschaft im Bundesland umsetzt. Doch das war gar nicht notwendig.

Das Branchennetzwerk kennt den Einfluss der Ernährung – selbstverständlich neben sportlicher Aktivität, Sonnenlicht und einem ausgeglichenen Seelenleben – auf unser Wohlbefinden, unsere Fitness und unsere Gesundheit sehr gut. Allerdings kennen die Mitglieder auch die Fallstricke. Derzeit arbeitet AMV im Rahmen eines mit ERFE-Mitteln geförderten Dreijahresprojektes zur Vernetzung von Gesundheitswirtschaft und Ernährungswirtschaft an einem Branding. Ziel ist die Umsetzung eines einheitlichen Auftritts für die Vermarktung unter dem Dach des Landesmarketings. Unter dem Claim „Schmeck die Natur“ will sich die Ernährungswirtschaft des Landes künftig vermarkten. Eine bundesweite repräsentative Befragung hat ergeben, dass Lebensmittel aus Mecklenburg-Vorpommern (MV) in erster Linie mit der Natur des Landes in Verbindung gebracht und positiv aufgeladen werden.

Die Ernährungswirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns profitiert von der landwirtschaftlichen Prägung des Landes. Denn mehr als die Hälfte der Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Die Verarbeitung und Veredelung von Agrarerzeugnissen aus der Region ist ein Qualitätsmerkmal der Ernährungswirtschaft. Daraus ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte mit der Gesundheitswirtschaft. Diese ist ein wesentlicher Baustein zur Entwicklung des Landes zum Gesundheitsland Nummer eins in Deutschland. 2015 startete das mit ERFE-Mitteln geförderte Projekt „Dienstleistungen für die Koordinierung zur Stärkung regionaler Lebensmittel für eine Ernährung für die Gesundheit in Großversorgungseinrichtungen“ (Großversorgerprojekt). Dieses ermöglichte auf der einen Seite die Pflege einer Fachkunden-Datenbank der Gesundheitsbranche (Krankenhäuser, Reha-Kliniken, Pflegeeinrichtungen, aber auch Wellness-Einrichtungen). Auf der anderen Seite wurde eine passwortgeschützte neue Produkt-Datenbank entwickelt, die neben herkömmlichen Produktsuchen auch die Suchfunktion nach Produkten bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Produktspezifikationen umfasst. Zudem kann direkt vom Produkt aus Kontakt zum Produzenten aufgenommen werden.

Wussten Sie, dass
  • ...dass der AMV 60 Mitglieder, 43 Fördermitglieder und 15 Kooperationspartner hat?
  • die AMV-Mitglieder aus Ernährungsindustrie und Ernährungshandwerk mehr als 5.500 Menschen in MV beschäftigen?
  • der AMV 2016 insgesamt 35 Veranstaltungen mit 912 Teilnehmern durchgeführt hat?
  • alleine das Ernährungsgewerbe für jährlich ein Drittel des Gesamtumsatzes der verarbeitenden Gewerbes in MV steht?
  • 156 Betriebe der Ernährungswirtschaft mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen? der Umsatzanteil der Ernährungswirtschaft in MV 3,5 mal so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt?
  • Wasserreichtum, ländliche Prägung und das Ostsee-Klima des Bundeslandes die überzeugendsten Argumente für deutsche Konsumenten beim Kauf von Lebensmitteln aus MV sind?

Im Mai 2017 fand unter Schirmherrschaft von Minister Harry Glawe, Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit, das Symposium „Ernährung für die Gesundheit“ statt. Der Zuspruch war enorm. Mehr als 300 Fachkunden nutzten die Veranstaltung, um sich zu informieren, 60 Aussteller stellten nicht nur ihre Produkte aus, sondern standen den Interessierten Rede und Antwort.

Doch auch ein Blick auf die nüchternen Zahlen muss sein. Die Ernährungswirtschaft ist mit einem Anteil von 9,2 Prozent deutschlandweit mit 580.000 Beschäftigten in 5.960 Betrieben der drittgrößte Industriezweig. In Mecklenburg-Vorpommern nimmt die Branche einen hohen Stellenwert ein. Mit 35,8 Prozent ist das Ernährungsgewerbe der umsatzstärkste und wichtigste Industriezweig des verarbeitenden Gewerbes.

Im Detail werden Stärken deutlich. Milch und Milchprodukte sowie Fisch und Fischproduktion liegen in MV über dem Bundesniveau. Die Obst- und Gemüseverarbeitung, Getränkeherstellung sowie Fleisch und Fleischprodukte weisen dagegen unterdurchschnittliche Zahlen auf. Der Gesamtumsatz ist um 110 Mio. Euro zum Vorjahr gestiegen.


Von 2015 zu 2016 ist die Anzahl der Betriebe im Bundesland von 166 auf 156 leicht gesunken. Betroffen waren vor allem die Teig- und Backwarenindustrie sowie das Schlachtgewebe und die Fleischverarbeitung. Auch bei der Milchverarbeitung und der Herstellung von Futtermitteln sind die Zahlen rückläufig. Dennoch ist die Gesamtbeschäftigtenzahl stabil. Wie auch in anderen Bundesländern ist die Branche der Ernährungsindustrie durch KMUs geprägt. Laut Angaben des Statistischen Landesamtes haben mit Stichtag 30. September 2016 nur 16 Unternehmen mehr als 250 Beschäftigte, was einem Anteil von 10,3 Prozent entspricht. Die große Masse – nahezu 90 Prozent – der Unternehmen der Ernährungsbranche sind als KMU einzuordnen.

Das wirkt auf die Warenausfuhr. Beim Blick auf die Exportquote, die laut Destatis im Jahr 2015 bei 72,2 Prozent lag, gibt es bei der Ernährungsindustrie noch viel Luft nach oben. Laut Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) schaffte es die Branche hierzulande insgesamt auf eine Quote von 33 Prozent. In MV lag sie bei 17 Prozent. Für Jarste Weuffen, Geschäftsführerin der AMV, gilt es, hier Ressourcen zu erschließen und zu fördern.

Der AMV ist das Netzwerk der Ernährungswirtschaft. Damit ist der Verein die Plattform für den Mittelstand und der Türöffner und Wegbereiter für neue Ideen. Nach 16-jähriger, erfolgreicher Durchführung der „Branchentage Ernährungswirtschaft“ war die Zeit – auch mit dem Blick nach Mitteldeutschland – reif für Veränderung.

Im April 2017 gab es den 1. Norddeutsche Ernährungsgipfel. Mehr als 170 Vertreter der Branche sowie aus Dienstleistungsbereichen, Handel, Politik und Verwaltung, Wissenschaft und anderen Netzwerken in Deutschland trafen sich im Ostseebad Ahrenshoop. Nach dem fulminanten Start steht der Termin für den 2. Norddeutschen Ernährungsgipfel am 10. April 2018 schon fest. Neben dem brisanten Thema Arbeitskräfte, Führungskompetenz, Mitarbeiterführung und -bindung steht die Rolle der Digitalisierung bei der betrieblichen Personalpolitik auf der Agenda.

Im Auftrag des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern organisiert und betreut AMV zum 9. Mal in Folge den Gemeinschaftsstand bei der Anuga Fine Food. Unter dem Dach des AMV ist der Gemeinschaftsstand Treffpunkt für Gespräche mit Partnern, Fachkunden und Gästen und natürlich für alle, die mehr über die Ernährungswirtschaft in MV erfahren möchten. Ein 5 m hoher Turm weist – genau wie ein Leuchtturm den Schiffen – den Besuchern den Weg. Auf 216 qm präsentieren die Unternehmen Friedrichs Mecklenburg, Mecklenburger Kartoffelveredlung, Power Oil, Prolupin und die Schwaaner Fischwaren ihre Produkte. Darüber hinaus gehört ein Kochstudio zum Stand.

Wichtig bleibt der Blick über den Tellerrand. Bereits seit 2002 organsiert der AMV Markterkundungsreisen. In welches Land es geht, entscheiden die Mitglieder. Das Ziel wird durch Befragungen ermittelt.

Im September ging es nach Riga/Lettland. 14 Vertreter aus zehn Unternehmen informierten sich bei Betriebsbesuchen, dem Austausch mit Fachkollegen vor Ort, Storechecks, individuellen Gesprächsterminen, dem Besuch der Riga-Food sowie durch die Teilnahme an der Kooperationsbörse auf der Messe über Rahmenbedingungen für den Export. Sie verschafften sich auch einen Marktüberblick, insbesondere zu Essgewohnheiten, geschmacklichen Präferenzen, Preisniveau und Vorlieben für importierte Lebensmittel sowie über Möglichkeiten des Rohwareneinkaufs. Es war die mittlerweile zehnte Markterkundungsreise des AMV in ein europäisches Land.

Für Jarste Weuffen, Geschäftsführerin des AMV, sind diese Aktivitäten besonders wertvoll: „Die Reiseteilnehmer erhalten einen sehr guten Marktüberblick und viele neue Anregungen für die eigene Produktentwicklung und -gestaltung. Sie kommen mit Fachkollegen ins Gespräch. Dies kann dabei helfen, neue Nischenprodukte zu entwickeln und technologische Abläufe zu optimieren.“

Seit 2013 findet in Schweden die Nordic Organic Food Fair (in Verbindung mit der Natural Products Scandinava) statt. Am 15. und 16. November 2017 wird der AMV wieder mit einem Gemeinschaftsstand in Malmö vertreten sein. Die Messe richtet sich an Fachbesucher. Die Nachfrage nach Qualitätslebensmitteln „Made in Germany“ steigt ständig, was unisono für die Produkte aus Mecklenburg-Vorpommern gilt. Der Messestand wird seit drei Jahren auch von Unternehmen anderer Bundesländer genutzt.

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Bild öffnen Blick über den Tellerrand: Teilnehmer der AMGReisen bei der Kaija Fischfabrik im lettischen Riga.