Länderreport Thüringen Thüringen reformiert

Der Freistaat strebt im Lutherjahr nach Erneuerung, etwa der Qualitätskriterien und Vermarktungsstrategien für regionale Lebens‧mittel.

Mittwoch, 26. April 2017 - Länderreports
Nicole Ritter
Artikelbild Thüringen reformiert
Zweistufig: Ministerin Keller mit dem neuen Siegel (r.).
Bildquelle: Getty Images

Das Jahr 2017 ist das Jahr 500 der Reformation. Mit seinem Thesenanschlag an die Wittenberger Schlosskirche im Jahr 1517 stieß Martin Luther die Bewegung an. In 200 m Höhe, hoch oben auf der Wartburg zu Eisenach, trieb er die Reformation der Kirche weiter voran. Er übersetzte das Neue Testament ins Deutsche und machte die Bibel damit für jedermann zugänglich und verständlich.

Im Zeichen der Reformation, verstanden als eine Bewegung, die nach Erneuerung strebt, stehen aktuell auch die Ernährungswirtschaft Thüringens und ihre Vermarktungsstrategien. Neuregelungen zu Güte- und Prüfbestimmungen Thüringer Lebensmittel sind dabei richtungsweisend. Ziel ist es, ein Höchstmaß an Regionalität in der Herstellung von Thüringer Produkten zu erreichen.

Thüringer Qualitätszeichen
Schlüsselfunktion trägt dabei das Thüringer Qualitätszeichen. Das Siegel „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ wird durch das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft an Unternehmen der Thüringer Land- und Ernährungswirtschaft sowie dem Gartenbau vergeben. Als Garant für ein hohes Qualitätsniveau, zertifiziert es Produkte von Unternehmen, die vorwiegend aus Thüringer Rohstoffen gearbeitet sind. Für das Qualitätszeichen gelten fortan neue Kriterien.


Interview mit Birgit Keller - Die Region stärken

Die Wertschöpfung regionaler Produkte erhöhen: Thüringens Landwirtschaftsministerin Birgit Keller erklärt, wie das geht.

Mit welchem Ziel wurde das Thüringer Qualitätszeichen initiiert, wie hat es sich entwickelt?
Das Zeichen gibt es inzwischen seit 25 Jahren. Das Ziel von damals ist das gleiche wie heute: Mit dem Qualitätszeichen wollen wir den Absatz Thüringer Produkte erhöhen. Es soll Landwirte und Verarbeiter gleichermaßen unterstützen. Seit seiner Einführung im April 1992 haben sich die Bedingungen für den Anbau und die Herstellungsverfahren von Produkten genauso verändert, wie die Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Wunsch der Menschen nach Transparenz und Regionalität ist gestiegen. Dies beeinflusst auch die Erwartungen an ein solches Zeichen. Diesen Erwartungen haben wir uns gestellt und das Zeichen „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ mit den neuen Bestimmungen auf mehr Transparenz und Regionalität ausgerichtet.

Welche Neuerungen gibt es konkret? Was sind Gründe für die Überarbeitung der Bestimmungen?
Künftig soll noch mehr Thüringen in den Thüringer Produkten stecken. Das bedeutet, dass der Anteil von Thüringer Rohstoffen in verarbeiteten Lebensmitteln wie Tee, Bratwurst und Klößen nun mehr als 90 Prozent betragen muss, damit hier „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ draufstehen kann. Der vorgeschriebene Rohstoffanteil aus Thüringen liegt damit mehr als 40 Prozent höher als in der Vergangenheit. Weil wir wissen, dass diesen Sprung nicht alle Firmen sofort schaffen, gibt es für eine Übergangszeit ein zweites Zeichen. „Hergestellt in Thüringen“ darf ein Produkt heißen, wenn es hier verarbeitet wurde und wie bisher einen Rohstoffanteil aus Thüringen von mindestens 50,1 Prozent aufweist. Damit wollen wir den Herstellern die Chance geben, ihr Bezugskonzept umzustellen und den Anteil Thüringer Rohstoffe zu erhöhen.

Inwiefern kann das Qualitätszeichen Ihres Erachtens nach die Wertschöpfungskette in Thüringen stärken?
Für viele Verbraucher ist es wünschenswert, dass das Lebensmittel, das sie einkaufen – einschließlich der enthaltenen Rohstoffe – aus der Region kommt. Zudem sollte dieses Lebensmittel schnell zu erkennen sein. Genau hier leistet das Zeichen einen wichtigen Beitrag. Bei den vielen Produkten in den Supermärkten ist es eine Orientierungshilfe und ein Argument, sich genau für das jeweilige Produkt zu entscheiden. Das kommt den Herstellern zugute und damit auch den Rohstofflieferanten, den Landwirten aus dem Freistaat. Die Erhöhung des vorgeschriebenen Rohstoffanteils aus Thüringen ist zudem ein wichtiger Beitrag zu unserem Ziel, regionale Wertschöpfungsketten zu stärken, da die Lebensmittelhersteller ihre Rohstoffe verstärkt aus Thüringen beziehen anstatt überregional einzukaufen.

Gelten die neuen Güte- und Prüfbestimmungen für alle Produktgruppen gleichermaßen, oder gibt es eine Differenzierung?
Die Güte- und Prüfbestimmungen sind produktgruppenspezifisch. Das bedeutet, sie umfassen Qualitätsparameter, die für die jeweilige Produktgruppe relevant sind. Beispielsweise werden Brot- und feine Backwaren unter anderem auf das Schimmelpilzgift Deoxynivalenol (DON) untersucht. Es muss gewährleistet sein, dass mit dem Thüringer Qualitätszeichen gekennzeichnete Produkte hier einen deutlich niedrigeren Gehalt aufweisen, als gesetzlich erlaubt ist. Bei Fleisch gilt generell, dass die Güte- und Prüfbestimmungen besondere Anforderungen an das Tierwohl stellen.

Wie werden zertifizierte Unternehmen in der Umstellung begleitet und unterstützt?
Es gibt Lebensmittelhersteller, die bereits vorwiegend regionale Rohstoffe verwenden und sich aktiv um entsprechende Bezugsquellen bemühen. Für andere Unternehmen ist es schwierig, ein Lebensmittel vollständig aus regionalen Rohstoffen herzustellen, zum Beispiel weil diese hier nicht erhältlich sind. Um die regionale Wertschöpfungsketten zu sichern und weiter zu stärken, ist es aus meiner Sicht nötig, die Kommunikation zwischen Erzeugern und Abnehmern zu intensivieren und gemeinsame Ziele zu formulieren. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat sich deshalb bereit erklärt, eine koordinierende Funktion zwischen Verarbeitern und Rohstoffproduzenten einzunehmen. In speziellen Branchengesprächen wollen wir gemeinsam mit den Akteuren der Branche Engpässe identifizieren und Lösungsansätze erarbeiten, um die Rohstoffproduktion besser auf den Bedarf der Verarbeiter abzustimmen.

Wie wird der Mehrwert des erneuerten Qualitätszeichens für den Verbraucher kommuniziert?
Den Verbrauchern soll der Mehrwert der Produkte, die das Qualitätszeichen „Geprüfte Qualität aus Thüringen“ tragen, mit einer zielgerichteten Kommunikationsstrategie des Thüringer Agrarmarketing, vermittelt werden. Auch das sehen wir als Anreiz für die Thüringer Ernährungswirtschaft, so weit wie möglich Rohstoffe aus der Region bei der Lebensmittelherstellung zu verwenden.


So schmeckt Thüringen

Ein Unternehmensnetzwerk engagiert sich für das regionale Marketing.

Wie gut Thüringen schmeckt , weiß man erst, wenn man es probiert hat. Und zwar in all seiner Vielfalt an heimischen Produkten und vor allem auch in ihrer Kombination miteinander. Gelegenheit bietet dafür das Thüringer Ernährungsnetzwerk. Mit Unterstützung durch das Thüringer Agrarmarketing bringt es unter dem Slogan „So schmeckt Thüringen“ ein neuartiges, attraktives Format der Produktpromotion auf den Weg und macht den Wocheneinkauf zum Genusserlebnis. Auf Initiative der Herzgut Landmolkerei eG, welche neben 37 weiteren Betrieben Mitglied in Thüringens einziger Interessenvereinigung der Ernährungsbranche ist, geht das Netzwerk im Frühjahr 2017 mit einer Serie von Verbundverkostungen auf Tour – und zwar über die Thüringer Landesgrenzen hinaus.

„Wir möchten ein außergewöhnliches Verkostungserlebnis bieten“, erklärt Rita Weimann, Geschäftsführerin der Herzgut Landmolkerei eG in Rudolstadt. „Thüringer Frische und Qualität, die ganze Vielfalt Thüringer Köstlichkeiten soll erfahrbar werden. Deshalb haben wir zusammen mit unseren regionalen Partnern ein Genusskonzept gestrickt, das die Highlights der Region miteinander kombiniert. Daraus ergeben sich ganz besondere, vielfältige Geschmackserlebnisse. Wir freuen uns auf die Aktion – und natürlich auf viele zufriedene Kunden in ganz Ostdeutschland.“

Gipfeltreffen

Branche tagt in Dresden Unter dem Motto „Kein Morgen ohne Heute“ ist am Dienstag, 24. Oktober 2017, das Erlwein- Capitol auf dem Messegelände Dresden Treffpunkt für den dritten Mitteldeutschen Ernährungsgipfel. Initiiert und organisiert vom Thüringer Ernährungsnetzwerk, Netzwerk Ernährungsgewerbe Sachsen und Netzwerk Ernährungswirtschaft Sachsen-Anhalt, bietet das Gipfeltreffen eine breite Plattform für Wissenstransfer und -austausch zwischen Handel, Wirtschaft und Wissenschaft.

Das Konzept, Verkostungen im Verbund zu organisieren, existierte bereits. Das ursprünglich für Thüringen angedachte Projekt wurde nun konzeptionell erweitert und wird in ausgewählten Kaufland-Märkten in Ostdeutschland initiiert. „Wir planen etwas, das es in dieser Form noch nicht gab“, stellt Doreen Ballauf, Geschäftsstellenleiterin des Netzwerks, in Aussicht. „Mit je zwei bis drei Unternehmen und sich geschmacklich ergänzenden Produkten bieten wir beispielsweise dem Kaufland-Kunden gleich mehrfach die Möglichkeit, Thüringen mit Genuss kennenzulernen. Der Stand ist in natürlicher Holzoptik gestaltet, mit austauschbaren Firmen-Brandings auf den Fahnen, damit der Kunde weiß, von wem er probiert.“

An einem Verkostungstag könnte der Kunde beispielhaft eine Original Thüringer Rostbratwurst von Die Thüringer mit einem Senf-Topping der Born Senf & Feinkost GmbH und einem Eis der Ablig Feinfrost GmbH genießen. „In Kooperation mit der Ernst-Benary-Schule in Erfurt werden aus den Produkten der beteiligten Unternehmen Rezeptempfehlungen entwickelt und als handliche Rezeptkarte an den Kunden gereicht. Teil der Verbundverkostung ist darüber hinaus ein Gewinnspiel. Täglich wird ein kleines Genusspaket verlost“, beschreibt Doreen Ballauf die Ausgestaltung der Promotion-Aktion. Um möglichst viele Kunden zu erreichen, weisen Plakate bereits vor dem Markteingang auf das zu erwartende Erlebnis hin. Die Verbundverkostungen finden jeweils an drei Tagen von Donnerstag bis Samstag statt. Den Auftakt geben einige ausgewählte Märkte im Berliner Raum. „Wenn der Kick-off in unserer Testregion gut anläuft, planen wir weitere Verkostungsaktionen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt“, erläutert Doreen Ballauf.

Das Konzept der Verbundverkostung sei ein Zugewinn für alle Beteiligten. Während der Kunde in den vielfältigen Genuss von Thüringer Spezialitäten kommt und sich der Markt selbst an diesen Tagen einer belebenden Aktion für seine Kunden erfreuen darf, genießen Mitgliedsunternehmen des Vereins mit ihren hochwertigen Produkten eine besondere Form der Präsentation. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die vorrangig mittelständisch geprägten Betriebe unseres Netzwerkes in ihrer Markenkommunikation bestmöglich zu unterstützen und sind gespannt, welche Erfolge die von uns neu entwickelte Vermarktungsstrategie für sie bringen wird“, sagt Doreen Ballauf und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Symbol der Reformation: die Wartburg über Eisenach.
Bild öffnen Zweistufig: Ministerin Keller mit dem neuen Siegel (r.).
Bild öffnen Doreen Ballauf (l.) und Elisabeth Eberlein, Geschäftsstelle Thüringer Ernährungsnetzwerk e.V.