Manuel Lahnstein räumt gerade 0,5-l-Flaschen Apfelschorle ins Regal, als ihn eine Kundin anspricht. Sie plaudern kurz, dann zeigt er ihr den Saft, den sie sucht. Der 20-Jährige ist einer von sechs Mitarbeitern mit Beeinträchtigung im Cap-Markt in Hillscheid im Westerwald. Er arbeitet erst seit drei Monaten dort, doch er ist entschlossen zu bleiben. „Ich bin extra in den Ort gezogen, es macht mir großen Spaß hier“, erzählt er. Er genieße es, anders als bei seinem vorigen Job in der Produktion einer Bäckerei, mit den Kunden in Kontakt zu sein und „ganz normal“ arbeiten zu können.
Marktleiter Oliver Zils bestätigt das: „Die Menschen mit Beeinträchtigung möchten ganz normal behandelt werden. Das leben wir hier, und dafür sind sie dankbar.“ Sie dürfen in dem 733 qm großen Markt – je nachdem, welches Defizit sie haben – vom Ware-Verräumen über das Kassieren bis hin zur Disposition alle Aufgaben übernehmen, zählt er auf. Auch für den 27-Jährigen selbst, zuvor stellvertretender Marktleiter in einem Edeka-Markt, war es eine Umstellung, ein Team zu führen, in dem einige Einschränkungen haben. Es ist ihm ein Anliegen, sie zu unterstützen und sie „fit zu machen für den ersten Arbeitsmarkt“.
Die Hillscheider tragen zum Erfolg des barrierefreien Geschäftes bei, das von der Inklusa gGmbH der Stiftung Scheuern betrieben wird. Nachdem der Edeka-Laden geschlossen hatte, in dem sich heute der Cap-Markt befindet, mussten sie zwei Jahre lang auf einen Nahversorger im Ort verzichten. „Das wollen sie nicht noch mal erleben, deshalb erledigen sie ihren gesamten Einkauf bei uns. Ein Durchschnittsbon von 11,34 Euro ist für einen Laden ohne Frischetheken beachtlich“, sagt Zils.
Dass die Menschen regelmäßig dort einkaufen, liegt daran, dass viele den Cap-Markt gemäß seinem Zusatz „Der Lebensmittelpunkt“ als sozialen Treffpunkt ansehen und sich dort vor oder nach dem Einkauf für ein Schwätzchen in der untervermieteten Bäckerei treffen. Auch der Service, dass Ware ab einem Einkaufswert von 25 Euro kostenlos nach Hause geliefert wird, trägt dazu bei. Doch der wichtigste Grund ist, dass die Hillscheider im Cap-Markt genauso günstig einkaufen können wie in einem Edeka-Geschäft. Denn die Edeka beliefert die bundesweit 99 Cap-Märkte. „Die Menschen unterstützen gern soziale Projekte, aber die Preise dürfen nicht höher sein, deshalb brauchen wir einen starken Partner wie die Edeka“, erklärt Thomas Heckmann, Geschäftsfeldleiter der Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen (GDW) Süd, dem Dachverband der Behindertenwerkstätten.
Wenn eine Behinderteneinrichtung einen Cap-Markt aufmachen will, wendet sie sich an die GDW Süd, die seit 2001 das Konzept bundesweit im Social-Franchise-System ausrollt, u. a. unterstützt von der Aktion Mensch. Gründer der Cap-Märkte, benannt nach dem englischen Wort „handicap“ für Behinderung, war Reiner Knapp, der 1999 den ersten Laden in Stuttgart eröffnete.
„Unser Ziel ist es, beeinträchtigte Menschen dauerhaft zu beschäftigen, deshalb müssen die Läden rentabel sein“, sagt Heckmann. So prüft die GDW Süd mit Edeka-Experten jeden Standort. Pro Geschäft sind zwischen 1 und 1,5 Mio. Euro Umsatz notwendig. 2012 erwirtschafteten die 99 Cap-Märkte zusammen 143 Mio. Euro. 80 Prozent davon sind, wie in Hillscheid, Integrationsbetriebe, wo mindestens 40 Prozent der Mitarbeiter ein Handicap haben müssen. Sie werden sozialversicherungspflichtig beschäftigt und oft nach kirchlichem Tarif bezahlt. Die anderen 20 Prozent sind Teil von Behindertenwerkstätten. Derzeit werden die Märkte von 65 Franchisenehmern betrieben. Da diese Einrichtungen keine Handelsexperten sind, werden sie von zehn Außendienstlern der GDW Süd unterstützt. Jeden Cap-Markt besuchen sie einmal im Monat.
Cap-Markt Hillscheid
- Adresse: Bahnhofstraße 40-42, 56204 Hillscheid
- Eröffnung: 16. August 2012
- Träger: Inklusa gGmbH der Stiftung Scheuern
- Marktleiter: Oliver Zils
- Verkaufsfläche: 733 qm
- Sortiment: ca. 10.000 Artikel
- Mitarbeiter: 14, davon 6 mit Behinderung
- Durchschnittsbon: 11,34 Euro
- Öffnungszeiten: Mo. bis Fr., 8 bis 20 Uhr, Sa. 8 bis 18 Uhr