Nah-&-gut-Markt Berlin Viel mehr als nur Fleisch

Hausgemachte Piroggi und Käsekuchen, viel Regionales: Die drei Nah-&-gut-Märkte von Stefan Voelker in Berlin tragen ihren zweiten Namen „Delikat-Essen Discounter“ zu Recht. Das Herz des Unternehmens schlägt in der Wilmersdorfer Güntzelstraße.

Mittwoch, 04. Oktober 2017 - Ladenreportagen
Andrea Kurtz
Artikelbild Viel mehr als nur Fleisch
Auf Selbstgemachtem liegt der Fokus. Der Farfalle-Salat im Vordergrund (großes Bild) ist übrigens ein Rezept der Mutter von Marktleiter Flatow.
Bildquelle: Santiago Engelhardt

Es gibt sie noch, die berühmten Wilmersdorfer Witwen aus dem Berliner Musical Linie 1. Die Damen mit Pelz, die gern gut essen und trinken. Aber die Klientel der beiden Wilmersdorfer Nah-&-gut-Märkte (die dritte seiner Filialen liegt in Zehlendorf) von Stefan Voelker darauf zu reduzieren, wäre völlig verkehrt. Denn das fantastische Fleisch- und Wurst-Angebot sowie die vielen regionalen, internationalen und berlinischen Spezialitäten aus kleinen Manufakturen der Hauptstadt haben neben einem hohen Stammkundenanteil inzwischen viele Fans, die von überall her in die Zentrale des kleinen Filialunternehmens in die Güntzelstraße kommen.

Fakten im Fokus
  • Verkaufsfläche: 540 qm
  • Mitarbeiter: 120 (4 Filialen)
  • Artikelzahl: 10.000
  • Durchschnittsbon: 13,50 Euro
  • Kassen: 3

Zentrale klingt riesig, aber de facto hat das Geschäft nur 540 qm Verkaufsfläche. Stefan Voelker, der gelernte Maurer, stieß durch einen privaten Zufall zur Reichelt-Organisation. Er war 2004 einer der ersten, der das Angebot der Selbstständigkeit des damals schon zur Edeka gehörenden Reichelts annahm – und zwar mit gleich zwei Filialen. 2009 kam die dritte hinzu; eine vierte Filiale gibt es auch, diese sei aber „ein normaler Edeka“, sagt Voelker.

Im Zentrum: Fleisch und Frische
Sein Fokus lag von Anfang an auf Fleisch-Spezialitäten. Er habe sich immer gewundert, warum Steaks im argentinischen Steakhaus so viel besser schmeckten. Er und sein hochkompetentes Team, allen voran der „Chief of Fleischer“, Thomas Nelkner, recherchierten und fanden das beste argentinische Fleisch, das sie mit großen Erfolg verkauften. Nach diesem Prinzip ging es weiter. Und getreu dem Motto „Das beste Fleisch der Stadt“ gibt es inzwischen keine Ware dieses Sortiments, das „Nah & gut" nicht hat. 12 Sorten Rind, 6 Sorten Schwein, die erste Reiferei für Dry-aged-Beef, spezielle Zuschnitte von amerikanischem Fleisch und viele mehr gibt es im kleinen „KaDeWe“, wie die Kunden gern sagen. Plus eine Fülle von selbstgemachten Spezialitäten im Fleisch-, Wurst- und Feinkostsegment, die im ebenfalls nicht immens großen rückwärtigen Bereich in der Güntzelstraße hergestellt werden. „Alles, was wir besser selbst machen können, machen wir auch“, sagt Voelker. Er verweist auf hausgemachte Piroggi, Scotch-Eggs, Kräuterbutter in sechs Varianten, Salate und natürlich die eigenen Wurstspezialitäten wie Salsiccia oder Chorizo. Das Grill-Sortiment ist weithin berühmt – inklusive der TK-Patties samt Burger-Brötchen. Noch eine Zahl dazu: 2.000 Salsiccias gehen in der Woche in allen drei Filialen durch die Kasse.

Fleisch: hoher Umsatzanteil
Ebenso berühmt ist inzwischen Voelkers Spanferkel to go. 99 Euro kostet der Renner im Sortiment, frisch gegart in den eigens dafür vorgesehenen acht Öfen und so im speziellen Karton verpackt, dass es zwei Stunden warm bleibt. 2.000 Stück davon verkauft Voelker im Jahr; allein für den Ersteinschulungstag am Samstag, 9. September, gab es in diesem Jahr 50 Vorbestellungen. All das zahlt sich aus: 25 Prozent Umsatzanteil entfallen auf das Sortiment. Vorbestellt wird auf allen Kanälen: telefonisch, per Fax, per E-Mail oder auch mündlich.

Schnell gelesen
  • Nah & Gut „Delicat-Essen-Discounter Berlin“, Güntzelstrasse
  • Beste Fleischauswahl Berlins
  • Auf kleiner Fläche (540 qm) Fülle von regionalen und internationalen Spezialitäten
  • Öffnungszeiten: montags bis freitags 8 bis 20 Uhr; samstags 8 bis 16 Uhr
  • Spezialitätenmarken: Hofpfisterei, Florida-Eis, La Pasteria Italiana, Stokes, Ankerkraut

Umbau schafft Platz
2016 baute Voelker die Filiale in der Güntzelstraße um. Zwei Wochen musste sogar geschlossen werden, denn der schieferartige, dunkelgraue Fußboden musste verlegt werden. Schiefer kam auch hinter die Frischetheke. Die Pfeiler im Markt wurden mit schwarzen Regalen verkleidet; viele kleine, meist ebenfalls schwarze Vitrinen lassen sich mobil einsetzen und sind ideal für die vielen Spezialitäten, auf die Stefan Voelker stolz ist. Berliner Craft-Biere, Cocktail-Mix-Sets vom Drink-Syndikat, spezielle Grillsaucen, Pizza aus Italien oder California Pops, das neue Eis am Stil: „Wir suchen immer das Besondere und haben inzwischen ein tolles Netzwerk aus Lieferanten, die uns auch immer wieder auf neue Spezialitäten aufmerksam machen“, erläutert Michael Flatow, der Marktleiter in der Güntzelstraße. Das beginnt bereits bei den Backwaren am Eingang. Kuchen und Teilchen tragen u. a. das Logo „Frau Albrecht“. Diese Dame gibt es wirklich, denn Mitarbeitern Heidelore Albrecht hatte einst einen so guten selbstgebackenen Käsekuchen mitgebracht, dass sie seitdem Herrin über die hauseigene Backstube ist.

Für all diese Besonderheiten hat Voelker ein eigenes Logo entwerfen lassen: den runden Button mit Best Food bzw. Best Beef und dem Berliner Bären. 130 Fleischlieferanten hat „Nah & gut“. Insgesamt werden deutlich mehr Direktlieferanten genutzt als bei der Edeka üblich.

Amazon Fresh bekam einen Korb
Das umfangreiche Frischesortiment vor allem hat auch schon Amazon Fresh auf den Plan gerufen. Die Güntzelstraße ist ja nicht weit weg vom Kurfürstendamm und zwar dort, wo das Amazon-Fresh-Lager ist. Aber nach langem Überlegen hat sich Stefan Voelker dagegen entschieden. „Unser Schwerpunkt ist das stationäre Geschäft, und das soll so bleiben“, sagt er. Dazu passt übrigens auch sein Traum, den er nur kurz „Unsere kleine Farm“ nennt. Dahinter steckt ein eigener Hof in Brandenburg, in dem er züchten und anbauen kann, was er in Berlin verkauft. Mal sehen, ob es irgendwann tatsächlich eigene regionale Sortimente in der Stadt gibt.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Am Steuer in Wilmersdorf: Marktleiter Michael Flatow
Bild öffnen Auf Selbstgemachtem liegt der Fokus. Der Farfalle-Salat im Vordergrund (großes Bild) ist übrigens ein Rezept der Mutter von Marktleiter Flatow.
Bild öffnen Grüne Ecke: Die O+G-Abteilung, gleich hinterm Eingang, nutzt den Platz optimal aus.
Bild öffnen Die Hofpfisterei liefert nicht an jeden, in den Filialen von Stefan Voelker finden sich die Münchner aber in guter Gesellschaft.
Bild öffnen Dry-aged-Beef im eigenen Schrank: heute Standard, in Wilmersdorf als Erster am Start
Bild öffnen Allet schick? Wenn Steffen Lehneck an einer der drei Kassen sitzt, wird gern berlinert.
Bild öffnen Außen ist groß plakatiert: Der Markt dominiert seine Straßenecke und zeigt gern, was er hat.
Bild öffnen Kleiner Markt, das Sortiment ist überall breit und tief, selbst bei TK und Konserven.
Bild öffnen Frisch aus einem der acht Öfen speziell für Spanferkel: 99 Euro kostet die Spezialität als To-go Produkt.