Bio Company Berlin Mittendrin

Die 50. Filiale der Bio Company hätte vor 1990 auf dem ehemaligen Grenzstreifen, unweit des Übergangs Invalidenstraße, gestanden. Heute liegt sie im Herzen der Stadt, in der Nähe der BND-Zentrale, des Hauptsitzes der Deutschen Bahn, des Bundeswirtschaftsministeriums – um nur einige Nachbarn zu nennen. Wie er den Standort optimal nutzt, zeigt Geschäftsführer Georg Kaiser vor Ort persönlich.

Dienstag, 22. November 2016 - Ladenreportagen
Andrea Kurtz
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Rasch rein, rasch raus: Kaffee, Brot und Backwaren plus Convenience gleich im Eingang der Filiale.
Bildquelle: Santiago Engelhardt

10 Uhr morgens, Berlin-Mitte, Chausseestraße/Ecke Invalidenstraße: Es ist leer in der Filiale der Bio Company an diesem normalen Mittwoch im November. Die Helligkeit des lang gestreckten Raums, die Großzügigkeit der Gänge, das zusätzliche Licht durch die kreisrunden, weißen LED-Deckensegel, die weißen Holzmöbel – die besondere Leichtigkeit der Filiale kommt natürlich ohne Kunden besonders gut herüber. Daneben wirkt der Back-Shop im Eingangsbereich, der von zwei Kühlregalen für Convenience-Produkte ergänzt wird, mit seinen Brot- und Backwaren sowie kleinen kalten und warmen Speisen für jede Tageszeit prall gefüllt. Aber diese Leere am frühen Morgen täuscht: „Diese Eröffnung ist eine unserer besten“, sagt Bio Company-Chef Georg Kaiser in seiner ruhigen, eindringlichen Art. 1999 hatte Kaiser mit seinem Partner Hubert Bopp das Unternehmen gegründet, seit dem geht das Wachstum stetig weiter – bewusst organisch, dem Selbstverständnis des Unternehmens entsprechend. Und bewusst standortorientiert. „Wir nehmen nicht jede Lage“, sagt Kaiser, der von den jetzt 50 Filialen in den nächsten fünf bis sechs Jahren auf 75 bis 80 kommen will.

Daten und Fakten
  • Der erste Laden der Bio Company wurde 1999 in Berlin Charlottenburg als „natürlicher Supermarkt“
    gegründet. Mittlerweile führt das Unternehmen 50 Filialen und ist Marktführer in Berlin/Brandenburg.
  • Neben den nun 39 Filialen in Berlin gibt es sechs in Brandenburg sowie drei in Hamburg und zwei in
  • Dresden. Im Juni 2014 wurde das erste Gebäude in Eigenregie, in Kleinmachnow bei Berlin, realisiert.
  • Je nach Filialgröße werden bis zu 8.000 Artikel angeboten. Der Jahresumsatz 2015 betrug 134 Mio. Euro.
  • Das Unternehmen beschäftigt 1.501 Mitarbeiter, davon 103 Auszubildende.
  • In den Jahren 2010 und 2015 hat das Unternehmen eine Anerkennung der Industrie- und Handelskammer (IHK) als „Bester Ausbildungsbetrieb Berlins“ erhalten.

Am 13. Oktober eröffnete Kaiser sein neuestes Baby: seinen bislang nachhaltigsten Markt. Auf den 620 qm wird hier erstmals vollständig auf den Plastik-Knotenbeutel im Obst-und Gemüsebereich verzichtet und durch wiederverwendbare Baumwoll-Stoffbeutel bzw. Papiertüten ersetzt. Auch Gläser oder spezielle Brotboxen kommen zum Einsatz. Auf einem fahrbaren Ständer – von Kaiser selbst entworfen – liegen die Tüten bereit; Boxen und Gläser gibt es als Extra-Hingucker sowie beim 3 m langen Regal mit den neuen, durchsichtigen Schütten und geschlossenen Abfüllsystemen für Getreide, Müsli, Nüsse, Linsen etc., an dem der Kunde selbst abpacken kann. Bringt der Kunde eigene Behältnisse mit, kann er sie auf der bereitstehenden Waage austarieren.

Einkaufstüten aus Plastik bietet die Bio Company überhaupt nicht an. „Ich habe noch nie eine einzige Plastiktasche verkauft“, sagt Kaiser. „Und jetzt ist dies unser erster komplett Plastiktüten-freier Markt.“ Kunden würde sogar fragen, wann auch keine in Plastik verpackten Produkte mehr verkauft würden, ergänzt Filialleiter Alexander Hasenfuß. „Biokunden sind sensible, kritische und nachfragende Kunden“, bestätigt Kaiser. Deswegen ist das Filialkonzept eng an eine Beratung angelehnt. „Meine Mitarbeiter sind Überzeugungstäter“, sagt der Geschäftsführer stolz. Alle Mitarbeiter sind geschult und können fachgerechte Antworten geben, Alternativen aufzeigen und Nutzungstipps geben.

Nahebringen

Unter dem Motto „Komm, wir fahren aufs Land“, bietet die Bio Company Bustouren. z. B. zu den Erzeugern im Umland an. Alle Events sind regelmäßig ausgebucht – und werden inzwischen von Foodbloggern wie ‚Katja kocht‘ mitbesucht.

Auch das innovative Energiesystem trägt zur Nachhaltigkeit bei. So wird die Abwärme der Kühlsysteme zum Heizen und zur Wärmeregulierung genutzt. Deswegen kann auch dieser Markt komplett auf eine Heizungsanlage verzichten. Mittlerweile kommen über die Hälfte der Filialen ohne Heizung aus, weitere werden derzeit umgerüstet. Zur Energiereduktion tragen auch die Glastüren an den Frischeregalen bei, ebenso wie die durchgängige Verwendung von LED-Beleuchtung.


Wegwerfen – nein danke!

Georg Kaiser engagiert sich mit seinem Unternehme auf vielfältige Weise ökologisch und sozial. Besonders liegt ihm „Foodsharing“ am Herzen. Durch interaktive Vernetzung können hier Menschen Reste sammeln und verwerten. „Nicht verkaufsfähig ist bei uns aber nicht gleichbedeutend mit Müll“, erläutert Kaiser. So wird in den Filialen mehrstufig gearbeitet. Teils schon vier Tage vor Ablauf des Verfallsdatums wird das Produkt um 20 Prozent reduziert, am Endedes MHD auf 50 Prozent. Was anverzehrfähiger Ware übrig bleibt, darf sich beispielsweise auch Raphael Fellmer mit seinen Lebensmittelrettern von Foodsharing abholen.

Am Ende des Ladens, neben der Bedienungstheke für Feinkost, Fleisch und Wurst, wartet ein speziell klimatisierter Raum für die Käsefans unter den Kunden. Von zwei Seiten begehbar und hinter großen Glasscheiben sind große Käselaibe, portionierte Stücke sowie ein Parmesan-Rad zu finden. Käse-, Fleisch- und Wurstwaren stammen zum großen Teil aus der Region, vornehmlich von der Bio Manufaktur Havelland, die ein Tochterunternehmen der Bio Company ist. Ergänzt wird das Sortiment durch internationale oder nationale Spezialitäten wie Kasseler Ahle Worscht oder italienische Salami. „Seit unserer Gründung verkaufen wir einen hohen Anteil regionaler Waren“, betont Kaiser. „Damit wollen wir ortsansässige Wirtschaft fördern, Lieferwege kurz halten und eine hohe Frische gewährleisten.“ So stammen beispielsweise Obst- und Gemüsewaren in saisonalen Spitzenzeiten zu bis zu 40 Prozent aus der Region. Bei Brot- und Backwaren sowie beim Fleisch und der Wurst sind es ganzjährig 75 Prozent. Eier und Milch werden zu fast 100 Prozent aus der Region bezogen. „Viele der regionalen Lieferanten und Bauern kennen wir von Anfang an persönlich“, berichtet Kaiser. „So ist nicht nur die hohe Güte der Ware, sondern auch die Rückverfolgbarkeit gewährleistet, und wir haben das gute Gefühl, die Mittel kommen Menschen zugute, die wir kennen.“ In der persönlichen Zusammenarbeit mit den Bauern werden dabei auch alten Sorten wieder belebt. „Die urwüchsige Rodelika-Möhre hat den Geschmack unserer Kunden voll getroffen – so konnten wir sie regulär ins Sortiment aufnehmen,“ berichtet Kaiser, der zu Beginn der Bio Company noch selbst an der Theke stand. Insgesamt sind 5.500 Bioprodukte in der neuen Filiale zu finden. Alle Filialen sind vom BNN (Bundesverband Naturkost und Naturwaren) zertifiziert: Somit werden nur Lebensmittel angeboten, die ökologisch und ohne Gentechnik erzeugt sind, aus artgerechter Tierhaltung stammen und vorzugsweise regional bezogen werden.

Schnell gelsen

Bio Company Chausseestrasse 19, 10117 Berlin

  • Lage: Hauptstraßenkreuzung zwischen Hauptbahnhof und Mitte
  • Öffnungszeiten von Montag bis Samstag 8 bis 21 Uhr. Der Back-Shop hat bereits ab 7.30 Uhr geöffnet
  • Erster Markt mit hohem Anteil an unverpackter Ware
  • Abrollstationen für dünne Plastikbeutel ersetzt durch Baumwollbeutel und Papiertüten
  • Käse-Humidor für Laibe und vorportionierte Stücke
  • komplett ohne Heizungsanlage betrieben
Historie

Der erste Laden wurde 1999 in Charlottenburg als „natürlicher Supermarkt“ gegründet. Startete man mit 280 qm, so sollte sich die Verkaufsfläche bis Ende 2016 auf 28.000 qm steigern. Neben Filialen in Berlin/ Brandenburg gibt es weitere einzelne in Dresden und Hamburg. Damit ist die Bio Company in Berlin und Brandenburg Marktführer. Das Vollsortiment umfasst bis zu 8.000 Produkte, darunter bevorzugt Verbandswaren von Demeter, Bioland, GÄA oder Naturland. Eine Besonderheit ist das überdurchschnittlich hohe Angebot regionaler Ware. Darüber hinaus gibt es derzeit über 200 eigene Bio- Company-Produkte (unter dem Label Bio Company bzw. Unsere Feinlese). Daneben werden weitere 200 Basisartikel dauerhaft zum Einstiegspreis angeboten. Die Nachhaltigkeit zieht sich bis zum Ladenbau durch. Die Bodenfliesen bestehen aus Naturstein, die Holzregale sind aus zertifiziert nachhaltiger und regionaler Forstwirtschaft. Die Abwärme der Kühlregale wird durch Wärmerückgewinnung genutzt. In den letzten drei Jahren konnten in
einem durchschnittlichen Laden 40 Prozent Energie eingespart werden: Der verbleibende Energiebedarf wird aus Ökostrom bezogen.

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Bild öffnen Rasch rein, rasch raus: Kaffee, Brot und Backwaren plus Convenience gleich im Eingang der Filiale.
Bild öffnen Zweitplatzierung: die neue Eigenmarke „Unsere Feinlese“ für saisonale Spezialitäten.
Bild öffnen „Ich habe noch nie eine Plastiktasche verkauft“ Bio-Company-Chef Georg Kaiser
Bild öffnen Attraktiv beschriftet: das Kühlregal für Mopro.
Bild öffnen TK satt, aber immer ökologisch: Auf Thunfisch beispielsweise wird verzichtet.
Bild öffnen Frischetheke: Fleisch/Wurst stammen meist aus der eigenen „Bio Manufaktur Havelland“.
Bild öffnen Die Besonderheit am Ende des Marktes: der offene, aber gesonderte Käse-Humidor.
Bild öffnen Unverpackt kommt öfter: Getreide, Hülsenfrüchte, Müsli, Nüsse in geschlossenen Spendern.
Bild öffnen Programmatisch: „Das Wohl des Tieres ist auch unser Wohl“, so Georg Kaiser zum Fleisch-Sortiment.
Bild öffnen Kartoffelkeller: Die Schütten für die Knollen wurden neu kreiert, die Körbe können auch gekauft werden.
Bild öffnen Mehrwegbecher von Bio-Company und SBahn: Bis Ende Oktober 2.351 Stück verkauft.
Bild öffnen Mitarbeiter Nevzat Ciftci bereitet die Foodsharing- Waren zum Abholen vor.
Bild öffnen Eigenmarke 2: Die Klassiker in allen Sortimenten haben natürlich grüne Etiketten.