Filderstädter Gebauer-Markt Kein Gedränge vor den Frischetheken

Im Stau stehen macht Menschen aggressiv, auf der Autobahn genauso wie vor der Fischtheke. Im Filderstädter Gebauer-Markt regelt ein Ticketsystem die Reihenfolge. Das entspannt Kunden und Mitarbeiter.

Donnerstag, 06. Februar 2014 - Ladenreportagen
Heidrun Mittler
Artikelbild Kein Gedränge vor den Frischetheken
Schon am Eingang des Marktes kann man sich Tickets ziehen, wie Rolf Drohmann, verantwortlich für die Frischeabteilungen bei Gebauer, zeigt.
Bildquelle: Mittler

Es war der Horror! Am 23. Dezember des vergangenen Jahres hat ganz Deutschland Lebensmittel und Getränke für die Festtage eingekauft. Zu den Stoßzeiten war es in einigen Geschäften so voll, dass man glauben konnte, der Handel verschenke kleine Goldbarren. Karin Tischler, Marktleiterin bei Edeka Gebauer in Filderstadt-Bonlanden, musste zeitweise sogar den Verkehr im Parkhaus regeln. „Sonst wäre gar nix mehr gegangen“, erzählt sie.

An diesem Montag vor Heiligabend hat ein neuer Service im 5.000 qm großen Markt seine Feuertaufe bestanden: Obwohl der Andrang in den Frischeabteilungen riesengroß war, gab es keinen Stau vor den Bedienungstheken, die Kunden wurden geordnet, immer der Reihe nach, bedient. Möglich wird das durch das „Mem-O-Matic“-System, ein Nachfolger des altbekannten Nummern-Ziehens.

Rolf Drohmann, Prokurist und Frischespezialist in den sieben Gebauer-Märkten, legt Wert darauf, dass die Kunden keinesfalls als „Nummern“ tituliert werden. In zahlreichen Seminaren hat er die Mitarbeiter geschult, wie die Kunden freundlich – in der richtigen Reihenfolge – aufgerufen werden.

Und so funktioniert es: Am Eingang des Marktes steht ein Automat mit Monitor. Wenn an einer der Frischetheken mehr als zehn Personen warten, leuchtet die jeweilige Taste (Fleisch, Wurst, Käse/Antipasti, Fisch) auf. Dann kann der Konsument bereits am Eingang ein Ticket ziehen. Während des Einkaufs orientiert er sich an sechs großen Monitoren, die anzeigen, welche „Nummer“ gerade bedient wird. Dies hat den Vorteil, dass die Verbraucher in der Zwischenzeit einkaufen – statt bewegungslos vor den Theken im Stau zu stehen und möglicherweise Aggressionen zu entwickeln.

Wieso springt das System am Eingang erst an, wenn zehn Kunden warten? Innerhalb von zehn Minuten werden erfahrungsgemäß im Durchschnitt zehn Kunden bedient – diese zehn Minuten braucht man, um an der 1.000 qm großen Obst- und Gemüse-Abteilung vorbei zu den Bedienungsabteilungen zu schlendern. Hier befinden sich weitere Ticketautomaten für die jeweiligen Theken. Diese werden intensiv genutzt, schließlich sind ihre Vorgänger, Bonrollen mit Nummern, den Kunden in Filderstadt vertraut.

Als größten Vorteil des neuen Systems benennt Drohmann „die Ordnung auf beiden Seiten, also beim Mitarbeiter und beim Kunden“. Denn auch die Fachkräfte hinter der Theke können entspannter arbeiten, weil sie ihr Arbeitstempo selbst bestimmen. Apropos: In Spitzenzeiten arbeiten allein an der Fleisch- und Wursttheke zwölf Personen gleichzeitig neben- und miteinander.

Durch die geregelte Reihenfolge können der Metzger, die Käseverkäuferin oder der Fischfachmann zwischen zwei Kunden ihren Arbeitsplatz in Ordnung bringen, sich die Hände waschen und einen Moment durchatmen, ehe sie die Taste drücken und den nächsten Kunden an die Theke bitten. Frischespezialist Drohmann weiß aus eigener Erfahrung: „Der Kunde spürt es, wenn der Mitarbeiter zufrieden und nicht gehetzt ist.“

Theoretisch könnte man sogar einen zusätzlichen Monitor im Aufenthaltsraum aufstellen, doch davon hält Drohmann nichts. „Dann hat der Mitarbeiter gar keine Pause mehr“, befürchtet er. Wenn überhaupt, dann müsste der jeweilige Abteilungsleiter einen Piepser bekommen und zusätzliches Personal rufen.

Der Ticketservice bewährt sich auch, wenn ein Verbraucher seine Bestellung nur abholen will: Weihnachten 2013 haben mehr als 1.000 Kunden davon Gebrauch gemacht.

„Bessere Ordnung auf beiden Seiten, bei den Mitarbeitern und den Kunden.“
Rolf Drohmann, Einkauf und Vertrieb Frische

Die Resonanz der Käufer auf das Ordnungssystem ist durchweg positiv, sie loben das entspannte Einkaufen. Wer etwas länger warten muss, kann sich in die Ruhezone setzen und Kaffee und Wasser trinken: Auch von der Ruhebank aus hat man einen Monitor gut im Blick. Rolf Drohmann beziffert die Investitionskosten für das Ticketsystem auf ca. 15.000 Euro, darin enthalten sich die Ticketautomaten und sechs Flat-Screens.

An frequenzstarken Tagen kaufen mehr als 7.000 Menschen im Filderstädter Markt ein. Klar, dass dann alle 14 Kassen durchgehend besetzt sind. Trotzdem staut es sich in Spitzenzeiten manchmal am Checkout. Doch mithilfe zweier zusätzlicher Notkassen löst sich das Gedränge schnell auf, so Drohmanns Erfahrung.

Zusätzliche Entlastung könnte in Zukunft das neue Self-Scanning-Verfahren bringen, das in Filderstadt seit Herbst 2013 am Start ist. Und so funktioniert es: Nur Stammkunden, die sich vorher schriftlich angemeldet haben, lösen mit ihrer Deutschland Card einen mobilen Scanner aus einem Ständer im Eingangsbereich des Marktes. Der Handscanner findet seinen Platz in einer Halterung am Griff des Einkaufswagens. Bevor die Konsumenten die Ware in den Einkaufswagen beziehungsweise Korblegen, scannen sie die Produkte.

Nach erfolgtem Einkauf gehen sie zu einem separaten Kassiertisch, der direkt gegenüber der Kassenaufsicht liegt. Nun beenden die Kunden den Einkauf, indem sie einen entsprechenden Code einscannen und anschließend den Handscanner in einen speziellen Ständer zurückstellen (danach kann man ihn nicht ohne entsprechende Karte aus der Halterung lösen). Was genau die Kunden zu tun haben, erfahren sie durch einen Blick auf einen Monitor, auf dem auch die einzelnen Posten des Einkaufs angezeigt werden. Nun führt das Programm den Verbraucher noch durch den Bezahlvorgang, der bargeldlos per Karte erfolgt. Wenn der Kassenbon ausgedruckt ist, geht eine Schranke auf, der Kunde verlässt den Markt Richtung Parkhaus.

Das Self-Scanning funktioniert nur, wenn jeder Artikel – ohne Ausnahme – mit einem Scan-Code versehen ist. Es war intensive Vorarbeit nötig, das gesamte Sortiment scan-fähig zu machen. Bei Fragen ist jederzeit ein Mitarbeiter zur Stelle, der freundlich weiterhilft. Auch wenn es für ein endgültiges Fazit noch zu früh ist, hat Rolf Drohmann bislang positive Erfahrungen gemacht: Die registrierten Stammkunden können durchweg gut mit dem Self-Scanning umgehen. Das Personal überprüft die Einkäufe stichprobenartig – das wird übrigens im Vertrag ausdrücklich angekündigt. Dabei wurden bislang nur wenige Fehler festgestellt. Ladendiebstahl scheint beim Self-Scanning-Kunden – so die vorläufige Einschätzung – nicht mehr oder weniger ein Thema zu sein als bei Kunden, die sich traditionell an der Kasse anstellen. Schon heute wagt Rolf Drohmann die Prognose: „Self-Scanning wird nicht die üblichen Kassen mit Personal ersetzen.“ Eine positive Ergänzung ist das Verfahren in Filderstadt schon heute.

Beflügelt wird das System, wenn noch mehr Käufer die Gebauer-App nutzen. Dann kann man zeitsparend eine Einkaufsliste erstellen, indem man die gewünschten Artikel einscannt oder aber eine Einkaufsliste direkt ins Smartphone schreibt.

Fotos: Mittler

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Bild öffnen In Filderstadt wird der Kunde an insgesamt 110
laufenden Metern Frischetheke bedient.
Bild öffnen Schon am Eingang des Marktes kann man sich Tickets ziehen, wie Rolf Drohmann, verantwortlich für die Frischeabteilungen bei Gebauer, zeigt.
Bild öffnen Die Nummern werden an den jeweiligen
Bedienungs theken angezeigt.
Bild öffnen Wer Käse kaufen möchte, kann auch ein
Ticket direkt in der Abteilung ziehen.
Bild öffnen Insgesamt sechs Monitore sind im Markt verteilt, sodass sie in jeder Abteilung gut zu sehen sind. Der Kunde kann sehen, welche Nummer gerade aufgerufen wird.
Bild öffnen Kein Gedränge beim Fleisch: Statt zu warten, kaufen die Konsumenten ein.