Im Vorfeld der Bundestagswahl am 23. Februar hat die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) einen Forderungskatalog an die zukünftige Bundesregierung herausgegeben. Einen Überblick über die wirtschaftspolitischen Pläne der Parteien finden Sie hier.
Vor dem Hintergrund schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und schwindender Wettbewerbsfähigkeit fordert die BVE, der rund 6000 Betriebe mit 644.000 Beschäftigten repräsentiert, in dem Papier einen grundlegenden Kurswechsel von der Politik.
1. Energie
Die BVE moniert einen massiven Wettbewerbsnachteil der deutschen Lebensmittelhersteller durch die hohen Energiekosten. Die Energiepreise in Deutschland liegen nach Angaben des Verbands deutlich über denen der europäischen Nachbarländer. Deshalb fordert der Verband umfassende Entlastungen für die gesamte Branche.
Die BVE verlangt eine Ausweitung der Strompreiskompensation aus dem Strompreispaket der Bundesregierung vom November 2023 auf die energieintensiven Teilbranchen der Ernährungsindustrie. Zudem müsse ab dem 1. Januar 2027 die Carbon-Leakage-Verordnung auch im Europäischen Emissionshandelssystem angewendet werden.
Außerdem fordert der Verband die Wiedereinführung des Spitzenausgleichs für Gas. Auch eine Kostenbegrenzung bei den Netzentgelten sei notwendig.
2. Nachhaltigkeit
Die deutsche Ernährungsindustrie warnt vor einer übermäßigen Bürokratiebelastung durch neue EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die bisherigen Anforderungen der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) seien zu komplex und detailliert. Umfang und Vielzahl der geforderten Datenpunkte müssten erheblich reduziert werden, so die BVE.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der EU-Richtlinie 2022/2464 (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) führt laut BVE dazu, dass die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich steigt. Zusätzliche Informationspflichten würden voraussichtlich entlang der Lieferkette weitergereicht. Die Branche kritisiert besonders die schlechte Datenlage bei Sekundärdaten. Aus diesem Grund fordert sie verlässliche und frei zugängliche staatliche Datenbanken.
Die BVE spricht sich darüber hinaus für eine möglichst schlanke und bürokratiearme Umsetzung der Europäischen Wertschöpfungskettenrichtlinie (CSDDD) durch Änderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) aus.
3. Bürokratieabbau
Die BVE hat einen umfassenden Katalog zum Bürokratieabbau vorgelegt. Unter anderem fordert der Verband eine einheitliche Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Lebensmittel und Getränke sowie die konsequente Anwendung des „One-in-one-out-Prinzips“ bei bürokratischen Belastungen, bei dem neue Anforderungen durch die Abschaffung alter Anforderungen kompensiert werden.
Die Ernährungsindustrie verlangt außerdem: Doppelte Datenerhebungen sollten vermieden werden. Der Verband will Statistik-Anforderungen abschaffen, wenn die entsprechenden Daten bereits vorliegen. Nachweis- und Dokumentationspflichten sollen auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. Die Bundesvereinigung schlägt dafür die Einrichtung eines zentralen Datenmeldepunktes vor.
4. Innovation und Investition
Die BVE will Inlandsinvestitionen im Ernährungssektor ankurbeln. Dafür müsse „ein innovationsfreundliches Umfeld geschaffen werden, das über finanzielle Anreize hinausgehe. Essenziell seien die Vernetzung von Forschung und Industrie, der Ausbau der Technologie- und Dateninfrastruktur sowie die Förderung eines exzellenten Wissenschaftsnetzwerks. So heißt es in dem Papier. Es brauche zudem beschleunigte Planungsverfahren und einen Verzicht auf unverhältnismäßige Belastungen bei Unternehmensbesteuerung und Arbeitskosten.
5. Außenhandel
Der Verband verlangt unter anderem eine Modernisierung der Welthandelsorganisation WTO und den Abschluss neuer Handelsabkommen.
Die Ernährungsindustrie will ihre Absatzmöglichkeiten erweitern und die Beschaffungskanäle diversifizieren. Dafür setzt sich der Verband für den Abbau von Handelshemmnissen ein. Den Angaben zufolge sollen ungerechtfertigte Strafzölle und Antidumpingmaßnahmen verringert werden. Für kleine und mittlere Unternehmen fordert der Verband Kompensationsmechanismen.
Der Verband ist außerdem der Überzeugung, dass die Produktionsanforderungen der Europäischen Union für alle Produkte auf dem Binnenmarkt gelten müssten. Neue Handelsabkommen sollen nach den Vorstellungen des Verbands Nachhaltigkeitskapitel enthalten. Diese müssten aber für die Partnerländer umsetzbar sein.
6. Verpackung und Recycling
Der Branchenverband fordert eine praxisnahe Umsetzung der europäischen Verpackungsverordnung PPWR. Die Verpackungsregelungen in Europa müssten auf Grundlage wissenschaftlich fundierter Folgenabschätzungen harmonisiert werden.
Die Branche wendet sich gegen zusätzliche Belastungen. „Keine praxisfernen Reduktionsvorgaben oder zusätzlichen Sonderabgaben für die Branche“, wird gefordert. Bei Lebensmittelabfällen müssten die Verursacher klar benannt und die Maßnahmen auf die größten Problemstellen fokussiert werden.
Außerdem macht sich der Verband für eine stärkere Verbraucheraufklärung stark. Die Ernährungsbildung müsse gefördert werden, um Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten zu reduzieren.
7. Lebensmittel- und Versorgungssicherheit
Die deutsche Ernährungsindustrie fordert mehr Flexibilität bei der Umsetzung von IT-Sicherheitsmaßnahmen. Die Branche will beim Aufbau von Sicherheitsstrategien einen risikobasierten Ansatz verfolgen, anstatt starre behördliche Mindeststandards erfüllen zu müssen.
Die Branche sieht sich laut BVE zunehmend vor der Herausforderung, die physische und informationstechnische Sicherheit ihrer kritischen Dienstleistungen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang verweist die Ernährungsindustrie auf ihre Rolle als zentrale Infrastruktur in der Lebensmittelwertschöpfungskette.
Erfahrungen mit dem IT-Sicherheitsgesetz hätten gezeigt, dass die Wirtschaft gemeinsam mit den Branchenverbänden eigenständig wirksame Maßnahmen und Prozesse etablieren könne. Eine Möglichkeit zur Anerkennung branchenspezifischer Standards müsse daher bestehen bleiben.
8. Strafsteuern und Werbeverbote
Mit Blick auf die Ernährungspolitik erteilt die BVE Instrumenten wie Strafsteuern und Werbeverboten einen klare Absage. Auch staatliche Eingriffe in die Produktgestaltung und Rezepturen untergrüben die unternehmerische Freiheit. Anstatt ideologisch motivierte Konsumlenkung zu betreiben, solle sich die Politik wieder am Leitbild des mündigen Verbrauchers orientieren.
Staatliche Eingriffe sollen nach Ansicht des Verbands nur erfolgen, wenn diese notwendig seien und auf klaren wissenschaftlichen Belegen basierten.
Die Ernährungsindustrie will nach eigenen Angaben die vereinbarten Zielsetzungen bei der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie in unternehmerischer Eigenverantwortung umsetzen. Der Verband spricht sich zusätzlich dafür aus, dass Ernährungskompetenzen gefördert werden.
9. Transparenz von NGO und Verbandsklagerecht
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie fordert eine Offenlegungspflicht für die Finanzquellen von Nichtregierungsorganisationen (NGO). Zudem verlangt der Verband eine strengere Kontrolle und deutliche Begrenzung staatlicher Zuschüsse an NGOs und deren Projekte. Damit will der Verband nach eigenen Angaben verhindern, dass öffentliche Mittel für politisch einseitige Aktivitäten verwendet würden.
Die Bundesvereinigung fordert außerdem eine Anpassung des Verbandsklagerechts: „Das Verbandsklagerecht erfordert eine gerechte Austarierung, die auch der Ernährungsindustrie die Möglichkeit eröffnet, sich rechtlich adäquat gegen Falschbehauptungen und Unterstellungen wehren zu können.“