Glyphosat-Zulassung Empörung über Schmidts Alleingang

Die Bundesregierung hat der Zulassungsverlängerung von Glyphosat um weitere fünf Jahre zum Durchbruch verholfen. Der Alleingang von CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt reißt neue Gräben in der derzeit geschäftsführenden Großen Koalition auf und belastet anstehende Sondierungsgespräche zwischen den beiden Parteien. Konsequenzen könnte der Alleingang auch für den deutschen Handel haben.

Dienstag, 28. November 2017 - Hersteller
Thomas A. Friedrich, Brüssel
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Während Frankreich in Brüssel Nein zu einer Glyphosatverlängerung sagte und seine Landwirte bereits mit einem Ausstiegsszenario konfrontierte, stimmte Deutschland für ein “Weiter so”. Es darf daher nicht verwundern, wenn in deutschen Supermarktregalen künftig Verbraucher lieber zu französischen Äpfeln und Milchprodukten greifen und sich an den Bioproduzenten Österreichs orientieren: Ebenso wie Paris stimmte Wien gegen die Glyphosatverlängerung.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zeigte sich düpiert, dass ihr bayerischer Kabinettskollege entgegen ihrer Nein-Position in Brüssel bei der entscheidenden Abstimmung das Dossier passieren ließ. Laut Geschäftsordnung der Bundesregierung hätte sich Berlin im Fachagrarausschuss der Stimme enthalten müssen.


Der Minister verteidigte in einem Statement seinen Alleingang: „Die lange Diskussion über die Zulassungsverlängerung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat wurde auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich entschieden. Mit der Zustimmung Deutschlands habe ich wichtige Verbesserungen, zum Beispiel für die Pflanzen- und Tierwelt durchgesetzt. National werden wir darüber hinaus zusätzliche Maßnahmen im Sinne einer restriktiveren Anwendung ergreifen. Ohne die Zustimmung Deutschlands wäre Glyphosat auch ohne diese Verbesserungen von der EU-Kommission zugelassen worden. Mit der heutigen Entscheidung habe ich mehr durchgesetzt, als in der Sache jemals von den Beteiligten Ressorts gefordert worden ist.“


Das Thema Glyphosat wühlt seit geraumer Zeit auch die Verbraucher auf. Trotz wissenschaftlicher Unbedenklichkeitsbescheinigung durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) und des Bundesinstituts für Risikobewertung, stufte die Krebsforschungsstelle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Pflanzenschutzgift im Jahre 2016 als „krebsgefährdend“ ein. Während die europäischen Landwirte, vertreten durch den Dachverband Copa Cogega und unterstützt vom Deutschen Bauernverband (DBV), für eine 15-jährige unbefristete Verlängerung des Totalunkrautvernichters eingetreten waren, hatte eine in Deutschland von Greenpeace und Campact initiierte Europäische Bürgerinitiative (ECI) mehr als 1,5 Mio. Unterschriften aufgeboten für ein Totalverbot von Glyphosat.


Enttäuscht und entsetzt vom Abstimmungsverhalten der deutschen Bundesregierung in Brüssel sind Grüne und Anti-Glyphosatgegner: „Die Entscheidung zugunsten des umstrittenen, unter Krebsverdacht stehenden Totalherbizids Glyphosat hat Europa dem desolaten Zustand der Regierungsbildung in Deutschland zu verdanken. Das Verhalten von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ist instinktlos und skandalös“, kritisierte der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, Martin Häusling.


EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis begrüßte als Sitzungsleiter das zu Wochenbeginn erzielte Ergebnis. Der Kommissionsvorschlag einer fünfjährigen Verlängerung treffe auf die breiteste Unterstützung der Mitgliedsstaaten und sichere gleichzeitig den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Andriukaitis kündigte an, dass die EU-Kommission den Beschluss zügig umsetzen werde, bevor die Glyphosat-Genehmigung am 15. Dezember auslaufe.