EU-Kommission Brüssel gegen zweitklassige Lebensmittel

Die EU-Kommission hat Schwindeleien von Lebensmittelproduzenten und Handelsketten beim Verkauf unterschiedlicher Qualitäten in Ost- und Westeuropa den Kampf angesagt. Die Visegrádstaaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) hatten sich im Juli bei der EU-Kommission offiziell beschwert, von multinationalen Lebensmittelkonzernen und international operierenden Handelsketten mit minderwertigen Produktqualitäten abgespeist zu werden.

Mittwoch, 27. September 2017 - Hersteller
Thomas A. Friedrich, Brüssel
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In Gesprächen mit der EU-Kommission haben allerdings europäische Lebensmittelhersteller und Markenverbände bereits für 2017 die Erarbeitung eines Verhaltenskodexes für die Branche angekündigt.

Im Fokus stehen unter anderem Fischstäbchen, Fleischbällchen, Schokolade sowie Kaffeeprodukte, die in Supermärkten in Budapest, Bratislava, Prag und Warschau in geringerer Qualität ausgeliefert wurden, als beispielsweise in Bonn, Barcelona, Wien oder Paris. „Ein und dieselbe Verpackung mit zwei unterschiedlichen Produktqualitäten, das geht überhaupt nicht“, machte die aus Tschechien stammende EU-Verbraucherschutzkommissarin Věra Jourová in Brüssel klar. „Ich wünsche mir hohe Lebensmittelqualität in allen Supermarktregalen in der EU - ob in Berlin, Bratislava, Wien oder Warschau”, unterstrich sie  vor der Presse. Sie kündigte an, konsequent gegen illegale Praktiken von Lebensmittelproduzenten und Handelsketten vorgehen zu wollen.

So sollen die nationalen Lebensmittelbehörden mit umfassenderen Befugnissen ausgestattet werden, sodass sie flächendeckend gegen derartige illegalen Praktiken vorgehen könnten. Zu diesem Zweck wurde die Gemeinsame Forschungsstelle der EU, das Joint Research Centre (JRC) im italienischen Ispra beauftragt, EU-einheitliche Testmethoden für Lebensmittelkontrollen zu entwickeln. Dafür werden 1 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Bis Anfang 2018 sollen die nationalen und regionalen Lebensmittelüberwachungsbehörden in allen EU-Staaten über einheitliche Kontrollmethoden verfügen. So sollen künftig frühzeitig Schummeleien um mindere Qualitäten bei Lebensmitteln im EU-Binnenmarkt erkannt und verhindert werden.

Bis zum EU-Verbrauchergipfel in Bratislava am 13. Oktober soll eine validierte Methode zur Lebensmittelüberwachung vorliegen und in den Mitgliedsländern zu Beginn des neuen Jahres angewendet werden. Jourova erinnerte daran, dass die bestehende EU-Gesetzgebung Herstellern und Vermarktern von Lebensmitteln bereits heute klare Vorschriften auferlege. So verlange die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), dass die Verbraucher wahrheitsgemäße und ausreichende Informationen über Lebensmittelprodukte erhalten. So müssen auf Lebensmitteletiketten alle in einem Produkt enthaltenen Zutaten und Inhaltsstoffe ordnungsgemäß angegeben werden.
Darüber hinaus verbiete die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken unfaire Verkaufspraktiken wie etwa die Vermarktung von Produkten unter derselben Marke in einer Darstellungsform, sprich Verpackung., die den Verbraucher irreführen. Also unterschiedliche Qualitäten mit gleicher äußerer Verpackung sind unlauter und rechtswidrig.

Neben der Ministertagung in Tallin Mitte Oktober will die Kommission Ende September und im November Workshops mit Verbraucherschutz- und Lebensmittelsicherheitsbehörden zum Thema Lebensmittel von zweierlei Qualität durchführen. In Gesprächen mit der EU-Kommission haben große europäische Lebensmittelhersteller und Markenverbände noch vor Ende des Jahres die Erarbeitung eines Verhaltenskodex für die Branche angekündigt. EU-Verbraucherschutzkommissarin Jourová lobte ausdrücklich während ihrer Pressekonferenz den deutschen Süßwarenhersteller Bahlsen, der bereits Konsequenzen beim eigenen Sortiment gezogen habe. Anstatt billigerem Palmöl werden in den Schokowaren des Backherstellers nur noch veritable Butter verwendet mit sofortiger Wirkung. Andere Hersteller sehen sich gezwungen, die in Brüssel als Diskriminierung empfundene Handelspraxis, ebenso bis zum Jahresende zu bereinigen.