Nachgefragt Ost-/West-Marken

Die bekanntesten sind Spee und Rotkäppchen Sekt: Diese Ostmarken sind auch Konsumenten im Westen ein Begriff. Andere starke Marken wie etwa Vita Cola kennen eher die Bürger aus den neuen Bundesländern. Wie geht es weiter mit der deutsch-deutschen Markenhistorie - wir fragen bei Unternehmen nach, die nach der Wende ehemals ostdeutsche Marken und Produkte in ihr Portfolio übernommen haben.

Donnerstag, 21. Oktober 2010 - Hersteller
Lebensmittel Praxis
Artikelbild Ost-/West-Marken
Andreas Reimer, Bitburger
Die LEBENSMITTEL PRAXIS hakt nach:
  1. Ist heute noch die Einordnung in Ost-/West-Marken spürbar?
  2. Wird in Zukunft die Verwurzelung in einer Region noch eine wichtige Rolle in der Vermarktung spielen?

{tab=Beiersdorf}

Inga Voller, Beiersdorf, Senior Corporate Communication Manager und Sprecherin Brands & Supply Chain

  1. Die regionale Herkunft und die Frage, ob eine Marke ihren Ursprung im Osten oder Westen hat, spielt keine Rolle. Wir können zwar feststellen, dass die Identifikation mit der Marke Florena bei den Menschen im Osten, speziell in der Nähe des Produktionsstandortes Waldheim stark ausgeprägt ist. Aber Florena ist längst eine gesamtdeutsche Marke. 56% des Florena- Umsatzes wird in Westdeutschland erwirtschaftet.
  2. Das Beispiel Florena zeigt, dass der regionale Ursprung einer Marke keine Relevanz für die Kommunikation und Vermarktung der Produkte hat und auch noch nie hatte. Bei Florena ist der Einsatz von natürlichen Inhaltstoffen der Markenkern und Kommunikationsanker.

{tab=Bitburger}

Andreas Reimer, Bitburger, GF Köstritzer und Wernesgrüner

  1. Nicht mehr in dem Sinne, dass Ostmarken auf die ehemalige DDR beschränkt sind. Köstritzer Schwarzbier z. B. hat sich aus Thüringen heraus zum nationalen Marktführer in diesem Segment entwickelt. Wernesgrüner wurde erfolgreich über die Grenzen Sachsens und der neuen Bundesländer hinaus ausgeweitet.
  2. In der jeweiligen Heimatregion ist die emotionale Verbundenheit mit einer Biermarke besonders stark. Alle Marken der Bitburger Braugruppe agieren aus einer tiefen Verwurzelung in ihrem jeweiligen Heimatgebiet heraus. Dies gilt auch für Köstritzer und Wernesgrüner. Für vier von zehn Ostdeutsche spielt es beim Kauf eine große Rolle, ob es sich um eine sog. „Ostmarke" handelt. Wir sind davon überzeugt, dass Heimat gerade für Bier auch zukünftig eine Rolle spielen wird.

{tab=Develey}

Michael Durach, Develey (Bautz'ner), Geschäftsführer

  1. Im Senfmarkt ist die Regionalität nach wie vor besonders ausgeprägt. Das gilt für die verschiedenen Regionen Deutschland – Ost und West, Nord und Süd –, aber auch über die Landesgrenzen hinaus. Ich denke da beispielsweise an Senfe aus Österreich und Frankreich.
  2. Senf braucht Heimat – das gilt auch in Zukunft. Regionalität dient als wichtiger Orientierungspunkt, muss aber keinesfalls zum Korsett werden. Durch die zunehmende örtliche Flexibilität der Menschen wandern auch lieb gewonnene „heimische" Produkte über regionale Grenzen hinweg. Viele Verbraucher probieren zudem gern neue, andere Geschmäcker. Wir sehen regionale Verwurzelung und Authentizität als Chance für Wachstum – über Regionen hinaus.

{tab=Frischli}

Dieter Gorzki, Frischli, Geschäftsführer Werk Weißenfels

  1. Der Leckermäulchen Quark ist zwar traditionell eine Ostmarke, aber man kann sagen, dass sie bereits als nationale Marke wahrgenommen wird. So eroberten wir 2009 den dritten Platz im nationalen Fruchtquark-Segment. Im Osten ist die Marke mit 16 Prozent Anteilen Marktführer. Doch generell scheint es für Verbraucher aus Köln oder Aachen nicht unbedingt von Belang zu sein, woher ein Produkt kommt, sondern eher ob es ein schönes Produkt mit einer guten Qualität ist.
  2. Leckermäulchen wächst von Jahr zu Jahr, da die Ansprüche der Verbraucher nach hoher Qualität und einem besonderen Genusserlebnis durch die Kombination von gesunden Zutaten, der spezifischen lockeren Struktur und dem leckeren Geschmack voll erfüllt werden.

{tab=GlaxoSmithKline}

Fréderic Lehmann, GlaxoSmithKline, Marketing Direktor Mundpflege

  1. Unsere Marke Odol ist eine Traditionsmarke, die ihre Wurzeln in Dresden hat. Da das Mundwasser bereits seit 1893, also lange vor der Teilung Deutschlands, und auch danach landesweit (mit kleinen Unterschieden) erhältlich war, ist eine wirkliche Trennung in Ost/West-Marke nicht vollzogen worden. Für die Dresdner und Sachsen ist es immer noch „ihr" Mundwasser. Im westlichen Teil der Republik wird es jedoch nicht als Ostmarke wahrgenommen. In Untersuchungen ist die Markenverwendung von Odol in den neuen Bundesländern gegenüber den alten leicht überproportional.
  2. Für unsere Vermarktungsstrategie sind diese kleinen Unterschiede jedoch nicht ausschlaggebend und werden es auch in Zukunft nicht sein.

  1. Ist heute noch die Einordnung in Ost-/West-Marken spürbar?
  2. Wird in Zukunft die Verwurzelung in einer Region noch eine wichtige Rolle in der Vermarktung spielen?

{tab=Vita Cola}

Nicole Körner, Vita Cola, Markenmanagerin

  1. Durchaus. Das hängt schlicht mit unserer Herkunft zusammen. Vita Cola kommt aus dem Osten und hat deshalb „hier" ganz besonders bei jungen Leuten Kultstatus. Darauf sind wir stolz. Für uns hat das aber gar nichts mit angestaubter (N)ostalgie zu tun.
  2. Ein klares Ja. Wir sehen einen starken Trend zum Konsum regional erzeugter Produkte, den gibt es übrigens in allen Teilen Deutschlands. Das Bekenntnis zur regionalen Herkunft wird auch zukünftig ein essenzieller Bestandteil der Markenidentität von Vita Cola sein. Dabei gehen wir mit unseren Wurzeln völlig unkompliziert-spielerisch um und leben mit viel Spaß im Hier und Jetzt.

{tab=Henkel}

Eckhard von Eysmondt, Henkel, Marketingleiter Wasch- und Reinigungsmittel

Spee ist als die Nr. 3 eine der erfolgreichsten deutschen Waschmittelmarken. Verbraucher in ganz Deutschland setzen auf die „schlaue Art zu Waschen", die durch die Werbung mit dem schlauen Fuchs bekannt geworden ist. Dass Spee 1968 zur Zeit der DDR in Genthin – im ursprünglichen Henkel-Werk, das wir 1990 zurückerworben haben – erfunden wurde, wissen heute viele Verbraucher nicht mehr. Die Verbraucher kaufen uns heute, weil sie ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis suchen und nicht, weil Spee mal eine Ostmarke war. Qualität aus Deutschland ist für unsere erfolgreichen Markenprodukte ein wichtiger Mehrwert. Aber ob im Norden oder Süden, Osten oder Westen hergestellt, spielt aus unserer Sicht keine Rolle.
{tab=InBev}
Alexander Schipke, InBev, Marketing Manager

  1. Hasseröder ist die Nr. 3 der deutschen Premium Pils-Biere im Handel. Der Kernmarkt von Hasseröder ist jedoch Ostdeutschland. Hier sind wir die unangefochtene Nummer Eins. Aber auch im Westen zeigt die Marke ein sehr dynamisches Wachstum. Dass Biermarken traditionell besonders stark in ihren Herkunftsregionen sind, ist jedoch spezifisch für die gesamte Kategorie, das gilt für Ost- und Westmarken gleichermaßen.
  2. Hasseröder hat sich von einer kleinen aber feinen Brauerei in Ostdeutschland zu einer der führenden Pilsmarken Deutschlands entwickelt. Hasseröder ist heute eine nationale Marke mit nationaler Kommunikation. Wernigerode und der Harz spielen jedoch als Heimat der Marke nach wie vor eine wichtige Rolle.

{tab=Langguth}

Alois Dietzen, Langguth (Bärensiegel), Marketing

Es gibt noch in allen Warengruppen Unterschiede, was die Verbrauchergewohnheiten und -präferenzen angeht. Unsere Marke Wurzelpeter beispielsweise ist im Osten stärker vertreten als im Westen. Die Unterschiede gelten übrigens auch für den Handel, wenn man an Aldi denkt. Der Discounter konnte im Osten nicht so gut Fuß fassen wie im Westen. Ich glaube aber, dass sich das Konsumverhalten immer mehr angleichen wird. Die Menschen, die nach der Wende geboren wurden, sind natürlich anders aufgewachsen als ihre Eltern und verhalten sich dementsprechend. Ich bin Überzeugt: Der so genannte „Ostalgie-Effekt" wird mit der Zeit immer weniger eine Rolle bei der Vermarktung von Lebensmitteln spielen.


  1. Ist heute noch die Einordnung in Ost-/West-Marken spürbar?
  2. Wird in Zukunft die Verwurzelung in einer Region noch eine wichtige Rolle in der Vermarktung spielen?

{tab=Radeberger}

Anica Stief, Radeberger, Pressesprecherin Radeberger Pilsner

  1. Radeberger Pilsner ist mit Stolz in der sächsischen Bierstadt Radeberg zu Hause und in seiner Heimat sehr beliebt. Obwohl Radeberger Pilsner seiner Herkunftsregion sehr verbunden ist, hat es seinen Fokus deutlich erweitert, ohne dabei jedoch seine Wurzeln zu vergessen: Heute zählt Radeberger Pilsner zu den nationalen Top Ten der Premiumbiere und ist als Marke in ganz Deutschland fest etabliert.
  2. Die Herkunft von Radeberger Pilsner ist ein wichtiger Teil der Markenidentität und damit der Kommunikation. So ist die Semperoper in Dresden seit vielen Jahren Mittelpunkt der Werbung. Als Schlüsselbild der Marke verbindet sie bis heute und auch zukünftig die Wertigkeit und den hohen Eigenanspruch von Radeberger Pilsner mit einem festen Herkunftsbekenntnis.

{tab=Reemtsma}

Svea Milea Schröder, Reemtsma, Pressesprecherin

  1. Wir können 20 Jahre nach der Wiedervereinigung bei Zigarettenmarken generell keine typische Ost-West Einordnung feststellen. Natürlich ist es immer so, dass manche Marken von Verbrauchern regional stärker nachgefragt werden - das gilt für das Tabaksegment sicher ebenso wie für andere Warenbereiche. In unserem Portfolio ist Cabinet sicherlich eine besondere Marke, mit einer historischen Verwurzelung in Ostdeutschland. Cabinet hat nach wie vor sehr treue Konsumenten.
  2. Regionaler Absatz und Stärke einer Marke können bei der Vermarktung durchaus eine Rolle spielen. Die Gauloises beispielsweise ist im Süden und Südwesten Deutschlands stärker verwurzelt als im Norden.

{tab=Rotkäppchen}

Lars Rehmann, Rotkäppchen Peter Jülich, Leitung Marketing&PR

  1. Unsere Marke „Rügener Badejunge" ist im Segment Camembert Marktführer und konnte sich in den letzten Jahren von einer ostdeutschen Spezialität zu einem nationalen Markenartikel entwickeln. Nachdem das Produkt nach der Wende erst einmal verschwand, erfolgte nach erneuter Produkteinführung zunächst eine stetig steigende Nachfrage in den neuen Bundesländern, dann Mitte der 90er Jahre wurde das „Ostprodukt" auch bei den Westdeutschen immer beliebter. Heute wird der Rügener Badejunge als gesamtdeutsche Marke wahrgenommen.
  2. Der Trend „Regionalität" wird sich aus meiner Sicht weiter verstärken. Die maßgeblichen Gründe für diesen Trend sind vielfältig, wie z.B. die kürzeren Transportwege oder regionale Spezialitäten.

{tab=Rügenwalder Mühle}

Christian Raufuss, Rügenwalder Mühle, Inhaber/Geschäftsführer

  1. Bezogen auf unsere Produkte wie die Rügenwalder Teewurst oder die Pommersche Gutsleberwurst ist eine solche Einordnung nicht zu beobachten. Natürlich denkt der eine oder andere an Pommern oder Rügenwalde – aber viele wissen gar nicht, dass der Ort heute Darlowo heißt und in Polen liegt.
  2. Das denke ich schon. Jedes Lebensmittel ist besser aufgestellt, wenn es einen Bezug zu einer Region hat. Im Grunde gilt das unabhängig davon, ob es sich beispielsweise um Bier oder Wurst handelt. Wir haben seit über 60 Jahren unseren Sitz in Niedersachsen und sind fest mit der Region verbunden. Die Rügenwalder Mühle hat hier eine neue Heimat gefunden. Unsere Geschichte beginnt in Pommern – im Ammerland erzählen wir sie weiter.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Inga Voller, Beiersdorf
Bild öffnen Andreas Reimer, Bitburger
Bild öffnen
Bild öffnen Dieter Gorzki, Frischli
Bild öffnen Fréderic Lehmann, GlaxoSmithKline
Bild öffnen Nicole Körner, Vita Cola
Bild öffnen Eckhard von Eysmondt, Henkel
Bild öffnen Alexander Schipke, InBev
Bild öffnen Alois Dietzen, Langguth (Bärensiegel)
Bild öffnen Anica Stief, Radeberger
Bild öffnen Svea Milea Schröder, Reemtsma
Bild öffnen Lars Rehmann, Rotkäppchen Peter Jülich
Bild öffnen Christian Raufuss, Rügenwalder Mühle