Verbrauchervertrauen Alles unter Kontrolle?

Sichere Lebensmittel zu gewährleisten, ist eine komplexe Aufgabe. Ein Überblick über das deutsche Kontrollsystem.

Montag, 11. März 2013 - Hersteller
Bettina Röttig
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Insgesamt 1.323 Proben haben die Lebensmittelkontrollbehörden bundesweit rund zwei Wochen nach der ersten Entdeckung falsch deklarierter Lebensmittel mit Pferdefleisch analysiert und ausgewertet. Das breit angelegte Kontrollprogramm ist wesentlicher Teil des Aktionsplans, auf den sich die Verbraucherminister der Länder und des Bundes am 18. Februar 2013 in Berlin verständigt hatten. Ziel der Analysen ist nicht nur der Nachweis von nicht deklariertem Pferdefleisch, sondern vor allem die Untersuchung auf Rückstände des verbotenen Medikaments Phenylbutazon.

Wie sieht jedoch die Lebensmittelkontrolle allgemein in Deutschland aus? Die Primärverantwortung für sichere Lebens- und Futtermittel tragen die Unternehmen, die Lebensmittel herstellen, bearbeiten und verkaufen, selbst, denn die amtliche Überwachung nach dem Sicherheitskonzept der EU stützt sich insbesondere auf die „Kontrolle der Eigenkontrolle“. Demnach müssen die Unternehmen durch eigene Analysen die Qualität der verwendeten Rohstoffe dokumentieren und darüber Buch führen, von wem sie Lebensmittel und Zutaten gekauft und an wen sie diese weiter verkauft haben.

In Deutschland sind die Bundesländer verantwortlich für die Umsetzung der Gesetze. Daher ist die Umsetzung der Lebens- und Futtermittelgesetze und damit die amtliche Lebensmittelüberwachung Aufgabe der Bundesländer. In den zuständigen Länderministerien werden Untersuchungsprogramme entwickelt, die von den Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämtern in den Städten und Landkreisen durchgeführt werden. Als koordinierende und beratende Stelle fungiert das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Insgesamt gibt es deutschlandweit 430 Lebensmitteluntersuchungsämter und circa 30 Prüfstellen. Bundesweite Kontrollprogramme sind das Lebensmittel-Monitoring, der Bundesweite Überwachungsplan (BÜP) und der Mehrjährige Nationale Kontrollplan (MNKP).

Die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter erfassen Betriebe und stufen diese in Risikokategorien ein, um die Zahl der Stichproben nach Höhe des Risikos festlegen zu können. Werden akute Probleme bekannt, werden Kontrollen sowie eventuell weiterführende Maßnahmen angeordnet. Die Labors der Bundesländer untersuchen jährlich rund 400.000 Proben auf verschiedene Inhaltsstoffe, Keime und auf die Einhaltung gesetzlich festgelegter Höchstmengen. Beanstandete Produkte, die die Gesundheit der Verbraucher gefährden können, werden aus dem Handel entfernt.

Auch Aufmachung und Kennzeichnung der Produkte werden kontrolliert. Dabei gilt: Verbraucher dürfen durch die Angaben zu einem Lebensmittel nicht getäuscht oder in die Irre geführt werden. Für verpackte Lebensmittel gelten in Deutschland bis Dezember 2014 die Vorschriften der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Demnach müssen alle Zutaten eines Produktes im Zutatenverzeichnis mit ihrer Verkehrsbezeichnung angegeben werden – in absteigender Reihenfolge nach der Menge, die die Zutat am Produkt ausmacht.

Infolge des Etikettenschwindels bei Produkten mit nicht deklariertem Pferdefleisch hat das Bundesverbraucherministerium zusätzliche Regelungen zum Täuschungsschutz in das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch aufgenommen. Die Behörden sind durch das im Herbst 2012 in Kraft getretene Verbraucherinformationsgesetz (VIG) bereits verpflichtet, alle Rechtsverstöße und Grenzwertüberschreitungen zwingend zu veröffentlichen. Künftig sollen sie die Öffentlichkeit bei „hinreichendem Verdacht“ bereits über Täuschungsfälle informieren. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner sprach sich zudem für eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel mit Fleisch als Zutat aus.

Wie sehen Kontrollen im Bio-Sektor aus? Hier müssen die zertifizierten Bio-Produzenten in einer jährlichen, angekündigten Hauptkontrolle nachweisen, dass sie sich an die Bedingungen der EG-Verordnung halten. In Deutschland erledigen das private Ökokontrollstellen, welche durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zugelassen werden. Die Kontrolle umfasst u.a. die Besichtigung sämtlicher Betriebsgebäude, des Betriebsmittelzukaufs, eine Plausibilitätsprüfung der verkauften Mengen, die Überprüfung der Deklaration und der Haltungssysteme bzw. Haltungsbedingungen der Tiere sowie der Fütterung. Diese Standardkontrollen richten sich vor allem nach den Rechnungen und Lieferscheinen, die den Kontrolleuren vorlegt werden. In Risikobetrieben finden zusätzlich unangekündigte Kontrollen statt. Dies findet beispielsweise bei besonders großen Hühnerfarmen Anwendung. Farmen mit mehr als 1.000 Hennen müssen mit einer Zusatzkontrolle pro Jahr rechnen, solche mit mehr als 10.000 He nnen mit drei Prüfungen. Die Einhaltung der strengeren Regeln der Bio-Anbauverbände wie Bioland oder Naturland werden von den Verbänden selbst kontrolliert.

15. Januar 2013: Die irische Lebensmittelaufsicht FSAI teilt mit, in Supermärkten in Großbritannien und Irland seien Spuren von Pferdefleisch in Hamburgern gefunden worden. Zu den Verkäufern der als Rindfleisch gekennzeichneten Burger gehören unter anderem die Discounter Aldi und Lidl.

10. Februar 2013: Die schwedische Lebensmittelaufsicht ermittelt gegen den Tiefkühlhersteller Findus. In Frankreich nehmen nach Medienberichten sechs Supermarktketten Lasagne und andere Fertiggerichte aus dem Sortiment. Rumänien untersucht Schlachthöfe, von denen Pferdefleisch kommen soll.

14. Februar 2013: In Deutschland entdeckt nach Real auch Edeka Pferdefleisch in Fertiggerichten, die nur Rind enthalten sollten. In London wird bekannt, dass Fleisch von Pferden, die mit dem Rheumamittel Phenylbutazon behandelt wurden, vermutlich in die Nahrungskette gelangt ist.

15. Februar 2013: Bei der Fahndung nach falsch deklariertem Pferdefleisch wollen die EU-Staaten DNA-Tests von verarbeitetem Rindfleisch machen. Bis März sind 2.250 Gentests durch nationale Behörden vorgesehen. Außerdem wollen die Staaten bei Pferdefleisch nach Rückständen des Medikaments Phenylbutazon fahnden.

18. Februar 2013: Die Verbraucherminister von Bund und Ländern vereinbaren einen Zehn-Punkte-Plan gegen Etikettenschwindel bei Lebensmitteln. Danach müssen Betrüger künftig auch mit höheren Strafen rechnen. Ausgelotet werden soll die Möglichkeit, unrechtmäßige Gewinne bei verantwortlichen Firmen abzuschöpfen.