Interview mit Michael Köstler - Zentis Holistisches Risikomanagement

Interview mit Michael Köstler, Leitung Finanzwirtschaft / Risikomanagement Zentis.

Mittwoch, 23. Januar 2013 - Hersteller
Bettina Röttig
Artikelbild Holistisches Risikomanagement
Bildquelle: iStockphoto

Herr Köstler, seit wann haben Sie bei Zentis damit begonnen, ein Risikomanagement aufzubauen? Gab es hierfür einen konkreten Anlass?
Michael Köstler: Der Mensch lernt gewöhnlich am besten durch Schmerzen, doch müssen wir erst auf „Schmerzen“ warten, um etwas zu tun? Als Lebensmittelhersteller arbeiten wir per se in einem extrem sensiblen Bereich, daher müssen wir uns auf Risiken einstellen und nicht nur auf die branchenspezifischen. Bei Zentis ist der Ernstfall bisher noch nicht eingetroffen und wir tun alles, damit dies auch in Zukunft nicht geschieht. Es war schon immer Teil der Unternehmensführung, sich im Sinne der „Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns“ mit Unternehmensrisiken auseinanderzusetzen. 2004 haben wir aus eigenem Antrieb mit dem Aufbau eines holistischen Risikomanagements begonnen – ohne, dass ein konkreter Anlass oder eine Krise vorlag. Uns ging es vor allem darum, das „Abteilungs-Silodenken“ aufzubrechen und Risiko-Transparenz zu schaffen über alle Abteilungen und Prozesse hinweg.

Wie sind Sie hierbei vorgegangen, und wie lange dauerte die Implementierung?
Nach einem Jahr stand das Gerüst. Das Verständnis intern aufzubauen hat die ersten zwei bis drei Jahre gedauert. Wir haben mit Unterstützung von externen Experten insgesamt rund 70 Risiko-Felder bzw. Beobachtungsfelder u. a. in den Bereichen Strategische Risiken, politische/rechtliche Risiken, Finanzen und Forschung und Entwicklung identifiziert und rund 25 Risiko-Verantwortliche definiert. Die jeweiligen Risiken wurden benannt, ebenso Frühwarnindikatoren, es wurden präventive und reaktive Maßnahmen geschaffen und aufgelistet. Im Fall einer Krise müssen Sie zeitlich sehr schnell reagieren können. Hierfür müssen Strukturen geschaffen werden. Wir haben einen Krisenstab definiert. Das heißt, es gibt klare Verantwortlichkeiten außerhalb bestehender Prozesse in unserem Hause. Aber auch in Krisen benötigen Sie externe Experten. Im Risikomanagement kommt eine Softwarelösung zum Einsatz.

Wie teuer ist die Implementierung eines solchen Managements?
Wir sind Mittelständler und dürfen den Blick für das Machbare nicht aus den Augen verlieren. So genannte „High-sophisticated-Lösungen“ helfen nicht unbedingt weiter. Wir haben für kleines Geld eine Infrastruktur geschaffen. Die Softwarelösung hat damals 1.200 Euro gekostet. Hinzu kamen rund 20 interne Manntage und 10 externe Manntage.

In welchen Bereichen arbeiten Sie mit externen Partnern?
Vor allem erfolgt die Überprüfung unserer Prozesse und Dokumentation durch externe Experten. Die Unterstützung von außen ist meiner Meinung nach wichtig, da man sonst immer in der eigenen Suppe schwimmt. Wir haben auch beispielsweise zweimal jährlich ein Coaching durch einen externen Spezialisten, mit dem wir über Entwicklungen und Trends im Risikomanagement diskutieren.

Wie sieht es im Bereich der Krisen-Kommunikation aus?
Aus unserer Sicht ein sensibles Thema. Auch wenn wir intern über entsprechende Strukturen und Expertise verfügen, im Krisenfall würden wir externe Unterstützung ins Boot holen. Auch dies ist schon heute im Rahmen des Risikomanagements definiert.

Erfolgt auch ein aktiver Austausch mit anderen Unternehmen Ihrer Branche?
Ich persönlich bin sehr interessiert an Praxisvorträgen, besuche Kongresse und Vortragsveranstaltungen zum Thema Risiko- und Krisenmanagement und nutze Plattformen wie den „Arbeitskreis Risikomanagement für Unternehmen der Ernährungswirtschaft“ zum Austausch. Hieran kann jeder aus der Ernährungswirtschaft teilnehmen.

In wieweit haben sich die Rahmenbedingen verändert, auf die Sie reagieren müssen bzw. mussten?
Als international aufgestelltes Unternehmen stehen wir einer dynamischen Umwelt und Vielzahl an Stakeholdern gegenüber. Verbraucher und zahlreiche NGOs zeigen immer mehr Interesse und Engagement. Politische Landschaften verändern sich – ebenso wie gesellschaftliche Strukturen. Als global agierendes Unternehmen können Sie sich nicht verschließen, sondern müssen Antworten bieten. Heute sind es vielschichtige Themen wie Nachhaltigkeit. Um das Vertrauen der Verbraucher und Kunden nicht zu verspielen, müssen Sie von vornherein weitestgehende Transparenz schaffen. Zum Thema China-Erdbeeren haben wir eine Flut an Anfragen erhalten. Hier konnten wir unmittelbar und zeitnah auf alle Anfragen reagieren.

Was steht bei Ihnen aktuell in Sachen Risiko-Management auf der Agenda?
Man darf sich nie entspannt zurücklehnen. Risikomanagement ist der Weg, nicht das Ziel. Daher entwickeln wir unser System praxisnah weiter.Die Software-Lösung zur Dokumentation und Ermittlung von Risikokennzahlen, die wir im Einsatz haben, wird uns auf dem eingeschlagenen Weg nicht begleiten können. Wir benötigen hier ein neues Tool. Darauf legen wir in diesem Jahr einen Schwerpunkt.