Interview mit M. Groschek - NRW-Minister „Pflicht zur Versorgung“

Der 56-jährige Michael Groschek (SPD) ist Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Er will die Zentren- und Innenstadtorientierung in seinem Bundesland forcieren.

Donnerstag, 10. Januar 2013 - Hersteller
Udo Mett, Handelsjournal
Artikelbild „Pflicht zur Versorgung“
Bildquelle: Schoepal

Der Stärkung der Innenstädte dient unter anderem auch der Wettbewerb „Ab in die Mitte“. Welches Fazit zieht Ihr Ministerium nach nunmehr 13 Jahren NRW City-Offensive?
Michael Groschek: Es sind viele ausgezeichnete Projekte entstanden. Damit ist die Wertschätzung für die Innenstädte zum Ausdruck gebracht worden, verbunden mit dem Bekenntnis zu einem europäischen Stadt-Ideal. Dahinter steht das Ziel, die Innenstadt als öffentlichen Ort der Begegnung zu begreifen, wo der Handel das verbindende Glied darstellt.

Welche Zielsetzung verbinden Sie persönlich mit der City-Offensive?
Mein großes Anliegen ist, dass unter der Mitte nicht immer nur eine zentralisierte City verstanden wird. Zur Mitte gehören auch die Stadtteilzentren. Nach meinem Selbstverständnis bin ich als Stadtentwicklungsminister vor allem Stadtteilentwicklungsminister. Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung der Wohnquartiere. Und da spielt der Handel eine wichtige Rolle.

Womit wir beim Thema Nahversorgung wären.
Ich werde bei diesem Thema die großen Handelshäuser nicht aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung entlassen, im Rahmen von sozialer Marktwirtschaft auch die Pflicht zur Versorgung wahrzunehmen. Wer Mega-Formate entwickelt und damit auch Mega-Profite einfährt, der hat die Pflicht und Schuldigkeit, Nahversorgung sicherzustellen. Man kann die Probleme der Nahversorgung nicht der Öffentlichen Hand oder den Sozialverbänden vor die Tür kippen.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um die vor allem für ältere Menschen wichtigen Nahversorgungsstrukturen in den Stadtteilen und in ländlichen Regionen zu verbessern?
Im ländlichen Raum darf man sich keinen Illusionen hingeben. Hier können wir nicht alle Probleme überall lösen und auch nicht alles überall fördern. Deswegen brauchen wir gerade im ländlichen Raum städtische Ankerpunkte. Wer Landflucht eindämmen will, muss solche Ankerpunkte schaffen, wo öffentliche und private Infrastruktur angeboten wird. Das muss unter Erreichbarkeitsgesichtspunkten dann mit öffentlicher und privater Verkehrsanbindung verknüpft sein.

Welche Fördermöglichkeiten sehen Sie seitens des Landes?
Die Entwicklung ländlicher Knotenpunkte wäre etwas, das wir über Fördermittel stärken könnten. Wir werden auch die Quartiersentwicklung generell neu anpacken und die Wohnraumförderung zur Sozialraumförderung umgestalten.
Ein Beispiel dafür ist die Stadt Siegen. Hier erfolgt eine Stärkung der Innenstadt dadurch, dass mitten in der Stadt Wohnraum für mehr als 3.000 Studenten geschaffen wird.

Wie sollen solche Ansätze mit dem Handel koordiniert werden?
Ich werde demnächst mit allen großen Lebensmittelketten Gespräche aufnehmen und mir dort anhören, welche Perspektiven der Lebensmittel-Einzelhandel für die Nahversorgung sieht. Dabei werde ich aber auch deutlich machen, dass Marktwirtschaft keine Arbeitsteilung bedeutet. Denn der Staat kann nicht für das Nonprofit-Geschäft beim Handel zuständig sein.

Bild: Michael Groschek, Minister für Bauen und Wohnen in Nordrhein-Westfalen.