In den Niederlanden gibt es ein Experiment, auf dessen Ausgang der deutsche LEH mit Spannung schielt. Die LEBENSMITTEL PRAXIS erhielt exklusiv Ergebnisse, Zahlen und Einschätzungen zum Scharrel-Hähnchen. Während der Nachhaltigkeitsgedanke bei anderen Handelsketten zumeist am Preis endet, hat die niederländische Supermarkt-Kette Albert Heijn (AH) im Herbst 2009 nachhaltig Platz in ihren Regalen geschaffen – und es bis heute nicht bereut, im Gegenteil. Die Entwicklung sei besser als erwartet.
Gemeinsam mit der Plukon-Gruppe (Friki) und dem niederländischen Tierschutz hat AH zwei Jahre lang das „Scharrel-Konzept“ entwickelt. Warum? Weil man eine latente Konsumnachfrage nach „besser und bezahlbar“ feststellte. Bio sei vielen zu teuer, außerdem fast schon ein ideologisches Bekenntnis. Das wollten viele nicht. Gewollt, übrigens in Deutschland genauso wie in den Niederlanden, seien Attribute wie tierfreundlich, authentisch oder nachhaltig, berichtet Ben Dellaert, Sekretär der Niederländischen Wirtschaftsgruppe für Geflügel & Eier, der diesseits wie jenseits der Grenze viel unterwegs ist. Die Label-Rouge-Produkte aus Frankreich würden zwar in diese Richtung zielen, doch die niederländischen Konsumenten bevorzugen mit stetig steigender Tendenz (vgl. Grafik S. 45) artgerechtes Hähnchen aus der Heimat. Ende September 2009 startete AH mit den Scharrel-Produkten in seinen Märkten. Das tierfreundliche Zwischensegment treibt inzwischen den Markt, während Bio seit drei Jahren stabil und Label Rouge stark rückläufig ist. „Der Absatz von Scharrel-Artikeln legt Monat für Monat zu“, freut sich Plukon-Geschäftsführer Peter Poortinga. Interesse zeige auch der deutsche Handel, es gebe sogar konkrete Anfragen. „Wir sind bereit, wir haben sogar eine Warteliste von Landwirten, die auf Scharrel umstellen wollen.“
Das in den Augen von Poortinga und der Plukon-Marketingchefin Gerda Zijlstra unschlagbare Argument am PoS sei der nur geringe preisliche Abstand zu konventioneller Ware. „Für solch ein Produkt wie das Scharrel-Hähnchen bezahlen die Verbraucher gerne mehr, aber eben nur in einem gewissen Umfang“, sagt Zijlstra, die viele Parallelen zu Deutschland sieht. Erfahrungen hat Plukon mit artgerechten Hähnchen. Denn mit der Übernahme von Flandrex kam auch das Volwaard-Hähnchen zur Gruppe, das einen konstanten Marktanteil von 0,2 bis 0,3 Prozent hat. „Der Verbraucher tendiert eher zur Preisklasse von Scharrel“, betont Zijlstra. Auch der Name (übersetzt vollwert) sei nicht optimal. „Scharrel kennen die Leute hier seit Jahrzehnten von den Scharrel-Eiern.“ Für Deutschland, wo niemand weiß, was Scharrel bedeutet, muss also ein pfiffiger Name her und ein Handelsunternehmen, das nachhaltig interessiert ist. Doch das scheint es zu geben.
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Peter Poortinga,
Plukon-Chef
Gerda Zijlstra,
Plukon-Marketing
Ben Dellaert,
Wirtschaftsgruppe für Geflügel/Eier der Niederlande