Pfalzmarkt Gestärkt nach der Krise

Die EHEC-Krise traf die Gemüsebauern im vergangenen Jahr unvorbereitet. Wie man sie überstanden hat, erläutert Hans Trauth, Vorstand bei Pfalzmarkt.

Dienstag, 30. November 1999 - Hersteller
Heidrun Mittler
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Bildquelle: Christian Belz

Die Sonne scheint, das Thermometer steigt in den zweistelligen Bereich. Hans Trauth, Vorstand bei Pfalzmarkt in Mutterstadt, hat gute Laune.
Er freut sich auf die ersten Gemüse aus dem Freiland. Anfang April geht es los, dann kommen Radieschen auf den Markt, ebenso der Pfälzer Spargel. Apropos Radieschen: 80 Prozent der herzhaft-scharfen, roten Knollen, die bundesweit verzehrt werden, stammen aus der Pfalz, erklärt Trauth.

Rückblick auf 2011: Im Frühjahr vor einem Jahr kämpfte die Genossenschaft – wie so oft – mit widrigen Preisen. Das überraschend warme Wetter hatte die Freilandware früher als üblich sprießen lassen. Gleichzeitig aber waren die Treibhäuser noch gut bestückt mit Winterware, dadurch fielen die Preise in den Keller. 11 Cent hat der Erzeuger für ein Kohlräbchen bekommen, das sechs Wochen in der Erde ist, gepflanzt, bewässert und geerntet wird – darüber kann Trauth nur den Kopf schütteln. Und gerade, als die Preise langsam stiegen und das Geschäft ins Rollen kommen sollte, verhagelte ein Darmkeim namens EHEC das Geschäft. „Das war seit Tschernobyl die größte Krise, die wir je erlebt haben.“

Das Resultat des Erregers: Erkrankungen und bedauerliche Todesfälle. Das Resultat der Medienberichte: enorme Einbußen für Pfalzmarkt. Nicht nur bei angeblich verdächtigen Produkten wie Salaten, Tomaten oder Gurken, sondern auch bei Ware, die nie im Fokus stand, wie Rucola, Feldsalat oder eben Radieschen. Kein Wunder: Der Handel hat seine Bestellungen während der EHEC-Hochphase quasi auf null heruntergefahren.

„Wir standen noch relativ gut da”, weiß Trauth, weil die Pfälzer Kohlgemüse anbauen, das besser gelaufen ist. Kohlrabi, Weiß-, China- oder Blumenkohl wurden auch während der Krise verkauft, weil sie in der Regel gekocht werden und nicht (wie Salat) roh verzehrt werden. Trotzdem: Die Umsatzeinbuße schlägt sich mit minus 3 Prozent zum Vorjahr deutlich in den Zahlen nieder.

Viel gravierender allerdings wirkte sich die Krise auf einzelne Erzeuger, also Genossen, aus. Einige „vorher gesunde Betriebe” mussten finanziell vor dem Untergang bewahrt werden, mit Geldern von Pfalzmarkt und Fördermitteln der EU.


Welche Lehren Trauth aus der Krise gezogen hat? „So etwas ist nicht vorhersehbar“, entgegnet der Vorstand, „wir werden immer mit solchen Ereignissen leben müssen“. Aber: Das Krisenmanagement wurde weiter verbessert, nicht nur im eigenen Unternehmen, sondern auch beim Bundesverband BVEO (Bundesverband der Erzeugerorganisationen Obst und Gemüse e.V., Bonn). Wobei die Laboruntersuchungen bei Pfalzmarkt schon 2011 vorbildlich waren: Bereits zwei Tage nach den ersten EHEC-Meldungen hatten die Pfälzer erste Mess-Ergebnisse. Insgesamt haben sie 400 bis 500 Proben untersuchen lassen. Das Resultat: „Nicht eine einzige war mit dem Darmkeim belastet“. Allein im Bereich der Qualitätssicherung beschäftigt die Genossenschaft übrigens zwölf eigene Mitarbeiter.

Die Aussichten für das laufende Jahr ? Hans Trauth hofft auf eine gute Ernte und den wieder erwachten Appetit der Konsumenten auf Gemüse. Im Jubiläumsjahr (25 Jahre Pfalzmarkt) will er die 100-Millionen-Marke beim Umsatz knacken. Damit sieht er das Unternehmen bundesweit als Marktführer im Gemüse-Bereich. Obst spielt bei Pfalzmarkt mit 5 bis 6 Prozent nur eine untergeordnete Rolle.

Der Umsatz gibt an, was an die Erzeuger ausbezahlt wird. Im Unterschied zu anderen Großen der Branche kaufen die Pfälzer keine Ware zu. Es handelt sich um eine reine Erzeugergenossenschaft. Die Arbeitsteilung: Während sich die Erzeuger um den Anbau kümmern, organisiert Pfalzmarkt Transport, Lagerung, Verkauf und Vertrieb der Ware. Die Lust auf frisches Gemüse will man unter anderem mit Großflächenplakaten am PoS steigern, im Rahmen einer bundesweiten Kampagne, die zurzeit vom BVEO und dem Fruchthandelsverband entwickelt wird. Anfang Mai sollen die ersten Motive im Umfeld von Lebensmittelmärkten angeschlagen werden.

Als großes Plus wirft die Genossenschaft den Aspekt Regionalität in die Waagschale. Immerhin ist die Pfalz mit einer Fläche von mehr als 18.000 ha das größte zusammenhängende Anbaugebiet in Deutschland, rund 100 verschiedene Gemüsesorten werden produziert. Das Argument „aus der Region“ wird vom Lebensmittelhandel gern und verstärkt genutzt, weiß Trauth. Er beobachtet auch, dass die Nachfrage nach typischen regionalen Produkten wächst, wie Schwarzwurzeln, Mairüben oder schwarzen Rettichen.

Neben der Regionalität ist Bio ein Thema für das Unternehmen. Dazu hat man bereits spezielle Konzepte für Handelskunden erarbeitet. So ist Pfalzmarkt in den Anbau von Bio-Gemüse eingestiegen, im laufenden Jahr wird auf 170 ha , nächstes Jahr schon auf 240 ha geerntet. Eine rasante Steigerung, wie Trauth betont. Das Sortiment ist breit gefächert, es reicht von Brokkoli über Fenchel bis zu Blumenkohl, Zuckermais und Romanesco.

Bleibt nur zu hoffen, dass in diesem Jahr das Wetter keine Kapriolen schlägt und die Marktpreise sich für die Erzeuger auf einem guten Niveau halten. Denn im Fruchthandel muss man immer mit nicht vorhersehbaren Ereignissen rechnen. Fest steht: Der nächste Frühling kommt bestimmt.

Zur Person
Hans Trauth hat sein ganzes bisheriges Arbeitsleben im Fruchthandel verbracht. Der gelernte Kaufmann im Groß- und Außenhandel war erst selbstständig, danach bei dem Pfälzer Unternehmen Ochs für den Einkauf zuständig – hier hat er seine Kontakte zu den Erzeugern aufgebaut. Seit 2009 ist er als Vorstand für den Verkauf bei Pfalzmarkt verantwortlich, sein Vorstandskollege Hans-Jörg Friedrich für Verwaltung.
um Unternehmen
Über 1.600 Erzeuger haben sich zur Genossenschaft Pfalzmarkt zusammengeschlossen. In diesem Jahr feiern sie 25-jähriges Jubiläum. Die Pfalz gilt als Anbaugebiet mit idealen klimatischen Bedingungen, hier kann teilweise vier Wochen früher geerntet werden als in anderen Regionen Deutschlands. Mit einer Produktionsmenge von 150.000 t Gemüse und Obst sieht sich Pfalzmarkt als Marktführer bei Gemüse. Die geerntete Ware geht zum größten Teil direkt in den Lebensmittelhandel (bis zu 50 Prozent des Absatzes) und über Tochtergesellschaften an Großmärkte. Das Auslandsgeschäft macht 10 bis 20 Prozent aus, Tendenz steigend. Wichtige Abnehmer: Tschechien, Slowakei, Russland, Skandinavien
Bild: "EHEC war für uns die größte Krise seit Tschernobyl" meint Hans Trauth, Vorstand bei Pfalzmarkt.