Interview Kalabrien

Interview mit Dott. Fabrizio Capua, Regionalminister für Internationalisierung der Region Kalabrien.  Das Gespräch führte Christina Steinheuer.

Donnerstag, 03. November 2011 - Hersteller
Christina Steinheuer
Artikelbild Kalabrien

Warum wollen die Lebensmittel-Hersteller aus Kalabrien exportieren?
Der Bereitschaft auf Seiten der italienischen Erzeuger, sich den ausländischen Märkten gegenüber zu öffnen, liegt eine ganze Reihe von Überlegungen zugrunde. Vor allem die Bewertung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage – zunehmend gekennzeichnet von raschen und häufig unerwarteten Änderungen der Rahmenbedingungen, in deren Grenzen die Unternehmen tätig sind – hat gezeigt, wie sehr der Absatz über die italienischen Grenzen hinaus zu einer Notwendigkeit geworden ist. Letztlich ist das auch an Probleme wirtschaftlich-finanzieller Natur sowie an Marktsituationen gebunden, wie sie eine Welt ohne Grenzen zwangsläufig mit sich bringt. Sich die Welt als einen einzigen großen Markt vorzustellen, der je nach geographischer Lage gewiss andere Besonderheiten hat, bedeutet im Grunde eine große Chance, denn auch kleinere oder mittelständische Unternehmen – und das sind die kalabresischen Betriebe ja zumeist – können auf diese Weise ihren Mitbewerbern überzeugend entgegentreten. Hierbei bieten sich Modalitäten und Formen einer Marktpräsenz an, die sich von denen der jüngeren Vergangenheit unterscheiden.
Die Entscheidung, zu exportieren und sich zu internationalisieren, bedeutet für jeden Unternehmer in der Tat einen wichtigen Schritt – nicht zuletzt deshalb, weil der Auslandsmarkt zum einen häufig von Aspekten und Regeln gekennzeichnet ist, die sich von den in Italien vorherrschenden deutlich unterscheiden, und zum anderen ist er von einem ganz neuen Kreis potenzieller Abnehmer gekennzeichnet, denen man seine Produkte näher bringen muss. Für unsere Erzeuger handelt es sich dabei um eine radikale Änderung in der Ausrichtung; mit meinem Ministerium versuche ich, hier fördernd einzugreifen, indem wir die Erzeuger direkt an die Gegebenheiten im Ausland heranführen: Sie sollen auf diese Weise für ihre Fähigkeiten und für die überragende Güte ihrer Erzeugnisse ein Bewusstsein entwickeln, aber auch für die Chancen, die ein globaler Markt bieten kann – Chancen, die nur darauf warten, wahrgenommen zu werden. Das Platzieren kalabresischer Nahrungsmittelprodukte auf ausländischen Märkten ist eine ehrgeizige Herausforderung, und wir stehen erst am Anfang des Weges. Wir versuchen jedoch, die Unternehmer dadurch zu unterstützen, dass wir ihnen Instrumente, Kompetenzen und Gelegenheiten an die Hand geben, damit die Öffnung für ausländische Märkte zur Erfolgsgeschichte wird.

Warum wollen sie nach Deutschland liefern?
Im Rahmen des von meinem Ministerium ausgearbeiteten Projekts „Calabria internazionale“ wurden eingehende Marktanalysen durchgeführt, wobei einige Länder bzw. geographische Bereiche – „Target“-Gebiete genannt – ermittelt wurden, in denen dank der Struktur ihrer Märkte oder aufgrund des Vorliegens bestimmter Eigenschaften größere Möglichkeiten bestehen dürften, kalabresische Erzeugnisse zu bewerben und auf dem Markt einzuführen. Ohne jeden Zweifel nimmt unter diesen Gebieten Deutschland eine „privilegierte“ Position ein: Deutschland stellt einen hervorragenden Absatzmarkt dar, in dem die Unternehmen aus Kalabrien ihre Aktivitäten konsolidieren können. Das gilt einerseits auf Grundlage der bereits bestehenden ausgezeichneten Handelsbeziehungen und der Tatsache, dass Deutschland schon immer einer der wichtigsten Handelspartner Italiens war, und andererseits dank des Umstands, dass trotz der globalen Krise die Wirtschaft in Deutschland noch positive Wachstumsraten verzeichnet. Nicht zuletzt aber auch deshalb, weil in Deutschland bereits eine beachtliche „business community“ kalabresischer Herkunft vertreten ist. Wir sind der festen Überzeugung, dass die „Kalabresen in der Welt“ einen Mehrwert im Hinblick auf die Verbreitung des „made in Calabria“ darstellen, denn sie können regelrecht eine Rolle von Botschaftern für die Erzeugnisse und die Unternehmen aus ihrer Heimatregion einnehmen. Ihrer Präsenz und ihrer Einbindung in das Wirtschaftsgefüge in Deutschland kann eine zentrale Rolle zukommen, denn es geht darum, den Warenverkehr und die Einführung hervorragender Qualitätsprodukte aus Kalabrien überall in der Bundesrepublik zu fördern

.Italien hat ein super Image in Deutschland, „made in Italy“ ist ein Verkaufsargument, aber die Deutschen wollen alles zum Discountpreis. Wie wollen Sie das ändern?
Qualität hat nun einmal ihren Preis – ein Beispiel dafür ist der Bio-Trend, der weiterhin besteht, obwohl der Preis für solche Produkte gewiss über dem für konventionelle Produkte im klassischen Großvertrieb liegt. Gleiches kann auch für die Spitzenprodukte des „made in Italy“ gelten. Das Ganze spielt sich jedoch vor dem Hintergrund der weltweiten Krise ab, die die Unternehmen und die Familien quält; es besteht ein gnadenloser Wettbewerb mit solchen Ländern, in denen ganz im Gegensatz zur Situation in Italien die Produktionskosten weiterhin sehr niedrig sind, was sich dann in ähnlich niedrigen Preisen des Endprodukts widerspiegelt. Es ist ein sehr komplexes Thema, und selbst auf nationaler Ebene tut man sich schwer damit, angemessene Antworten zu finden. Ich schlage als gangbaren Weg vor, auf nationaler Ebene solche Unternehmer auszuzeichnen, die Qualitätsprodukte herstellen, jungen Leuten Arbeit bieten, ein Augenmerk auf die Sicherheit ihrer Arbeitnehmer haben, sich an die diesbezüglich geltenden Bestimmungen halten und die es sich vorgenommen haben, Ziele in Hinblick auf Beschäftigung und Vertrieb in großem Maßstab umzusetzen. Man sollte außerdem solche Unternehmen belohnen, die sich in Konsortien zusammenschließen, auf diese Weise eine Konkurrenzsituation unter in der gleichen Gegend angesiedelten Betrieben vermeiden, also vielmehr ein System bilden, um den Markt anzugehen.